Leadership & Karriere Mein Pivot: Frank Thelen über seinen persönlichen Wendepunkt

Mein Pivot: Frank Thelen über seinen persönlichen Wendepunkt

Einmal im Leben kommt für jeden der Tag, wo er merkt: So geht’s nicht weiter. „Höhle der Löwen“-Juror Frank Thelen über seinen persönlichen Wendepunkt.

Herr Thelen, Straucheln, Pivot, Neuanfang – heute ganz normal. Im Jahr 2000, als die Dotcom-Blase platzte und Ihr Hardware-Startup Twisd unterging, sah das noch anders aus …

Ja, dieses Startup-Denken – ey, der ist gefailt und macht weiter, cooler Typ –, das gab es damals nicht. Als meine AG insolvent ging, haben sich die Leute brutal distanziert. Vorher war ich der 18-Jährige mit voll ausgestattetem 3er-BMW, und auf einmal musste ich U-Bahn fahren und konnte mein Bier in der Kneipe nicht mehr selbst bezahlen. Niemand hat mich angerufen, ich wurde zu keiner Party mehr eingeladen.

Was war passiert?

Wir hatten 1,4 Mio. D-Mark Venturecapital eingesammelt, aber nichts verkauft. Als irgendwann das Geld weg war, haben wir von der Bank einfach mal 1 Mio. D-Mark Kreditlinie bekommen. Heutzutage unvorstellbar, aber das war damals alles ganz entspannt. Wir haben immer weitergebaut und die Kreditlinie voll ausgeschöpft, sogar überschöpft … In jeder Aufsichtsratssitzung ging es so: „Hauptsache, Wachstum, und dann machen wir einen IPO.“ Das war wirklich verrückt.

Wo lag das Problem?

Ich hatte privat für den Kredit gebürgt. Als die Blase platzte und die Firma insolvent ging, schickte die Bank einen Brief und wollte knapp 1 Mio. D-Mark von mir zurück. Da waren acht Prozent Zinsen drauf. Als normale Familie kann man nicht mal die Zinsen bedienen. Meine Mutter, die den Brief aufgemacht hat, war komplett zerstört.

Und Sie selbst?

Es war bis heute die härteste Niederlage in meinem Leben. Ich habe mich in der Privatinsolvenz gesehen. Wenn du mit 20 auf einmal dastehst und weißt: Die nächsten sieben, acht Jahre wirst du keine Frau begeistern können, kein Auto fahren, kein Mobiltelefon haben, keine Kreditkarte, einfach kein normales Leben führen können, plus, du hast deine Eltern maßlos enttäuscht – das war echt richtig scheiße. Mein Körper hat verrücktgespielt. Ich habe angefangen, Nasenbluten zu bekommen.

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Wie sind Sie da wieder rausgekommen?

Ich hatte ja mein Studium abgebrochen, um meine Firma aufzubauen. Arbeiten, programmieren, das war immer mein Ding. Also habe ich das Einzige getan, was ich irgendwie tun konnte: wieder gegründet.

Wie das, so ganz ohne Geld?

Heute kann ich es ja sagen: Ich habe die Kunden angelogen und gesagt, das Produkt – eine Online-Fotoservice-Software – gibt es schon. Mit den Anzahlungen der Kunden konnte ich dann die Firma aufbauen. Später wurde sie zum Weltmarktführer.

„Ich kann jederzeit wieder hinfallen“

Nach fünf Jahren haben Sie alles an Fuji verkauft und waren reich.

Ja, das war ein großer Pivot – von nichts haben hin zu Multimillionär sein. Das Schöne war ja, dass kein Investor und keine Bank mir und meinen Mitgründern auch nur einen Cent gegeben hätte. Wir haben beim Verkauf noch 100 Prozent der Anteile gehabt.

Was haben Sie daraus gelernt?

Ich versuche heute zu reflektieren, mit wem ich wirklich zusammenarbeiten möchte, wer ist ein vernünftiger Kerl. Und ich sage allen in meinem engen Kreis: Ich kann jederzeit wieder hinfallen. Wenn ich nicht so Glück gehabt hätte, wäre ich nie wieder aufgestanden. Ich wäre heute eine gebrochene Persönlichkeit.

Und was ist aus den 1 Mio. D-Mark Schulden geworden?

Weil ich der Bank mit dieser Privatinsolvenz gedroht habe, haben wir uns nach schwierigen Verhandlungen auf einen für mich tragbaren Vergleich geeinigt. Diesen zahle ich bis heute mit 500-Euro-Raten ab.

 

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