Leadership & Karriere Vorsprung durch hässlich: Dandy Diary ist Deutschlands exzentrischster und klügster Modeblog

Vorsprung durch hässlich: Dandy Diary ist Deutschlands exzentrischster und klügster Modeblog

Sicher ist, nicht die Mode, nicht die Laufstege, nicht neue Kollektionen oder die täglich an die Tür gelieferten Pakete mit kostenloser, superangesagter Kleidung sind es, die Haupt begeistern. Es sind diese Augenblicke. Wenn einer der größten Kleidungshersteller der Welt auf seine Idee reagiert. Dafür betreiben Haupt und Roth ihr – nun ja, kann man es überhaupt noch so nennen? – Modeblog Dandy Diary.

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2009 gründete David Roth, der in Berlin Modejournalismus studiert hatte, das Blog “Dandy Diary“.

Dazu kommt die Lust an der Nische und der Pose: wenn Dandy Diary wahnsinnig angesagte polnische Streetwear-Labels feiert, das Comeback des Vokuhila zelebriert, mit „Wedding“ beschriftete Jeansjacken zum Megatrend kürt. Wenn Roth und Haupt in ihrem Blog über eine neue Kollektion schreiben und das bisweilen so unfassbar lustlos und desinteressiert klingt, dass eine Art dekonstruktivistische Komik entsteht: „Die Kampagne, welche auf den Straßen New Yorks geshootet wurde, zeigt unter anderem das US-amerikanische Model Lexi Boling sowie Rocco Ritchie und Binx Walton.“

Bad Taste vs. Stereotype

Zu der ostentativen Coolness und betonten und absolut glaubwürdigen Langeweile gesellt sich bei Dandy Diary immer und immer wieder der Tanz an der Grenze des guten Geschmacks, der herkömmlichen Gepflogenheiten und logischen Denkmuster. Weil im Grunde jedes zweite Modeshooting mit dem omnipräsenten Versprechen der ständigen Fickbarkeit von Models kokettiert, drehte Dandy Diary Ende 2011 zur anstehenden Fashion Week einen massiv lustlosen Porno, dessen Fokus darauf lag, wie sich das eben noch sehr authentisch kopulierende Pärchen wieder ankleidete.

Weil ihnen die Modeschauen des italienischen Chichi-Herstellers Dolce & Gabbana zu langweilig und elitär erschienen (O-Ton Haupt: „Man kann interessanter mit Mode umgehen, als Swarovski-Steine über ein Kleid zu schmeißen und sich gegenseitig zuzuprosten“), heuerte Dandy Diary einen Flitzer an, der nach vollzogener Show der versammelten Weltmodepresse sein Gemächt in die Kameras und Smartphones hielt. Warum? Offizielle Antwort: weil Dolce & Gabbana ein italienisches Label ist und Italien das Land des Fußballs. Inoffizielle Antwort: um den Laden mal ordentlich aufzumischen. Das Video der Aktion, bei der ein aufgeregter italienischer Kommentator zu der eingespielten Soundkulisse eines Fußballspiels die Aktion bespricht, gehört jedenfalls zu den lustigsten Dokumenten der Modebranche in langer, langer Zeit.

Weil ihnen auf die Nerven ging, dass ­veganes Essen in Deutschland auf superkorrekte, total vernünftige Art und Weise vermarktet wurde, eröffneten Roth und Haupt im April 2016 kurzerhand ihren eigenen veganen Burgerladen in Neukölln: Dandy Diner, ein knallrosafarbener Fast-Food-Joint mit einem zwinkernden Schweinchen als Signet. Die Dienstkleidung hatte der dänische Superdesigner Henrik Vibskov entworfen – die zum Teil schon in der ersten Woche wieder verschwand, ganz einfach, weil der Stoff zu schwer und zu warm für die Küche war. Zur Eröffnung stauten sich 800 Leute vor dem Laden, die von der Polizei vertrieben werden mussten. Nach einem halben Jahr war Schluss, doch gerade wird ein Neustart vorbereitet, mit leicht verändertem Konzept und neuem Kooperationspartner.

Weil Haupt und Roth den ängstlichen Trotteln der radikalen Rechten, den Pegida-Mitläufern und AfD-Honks die deutschen Nationalfarben nicht überlassen wollten, entwarfen sie eine Modelinie – samt einem Paar klobiger, schwarzer Bauarbeiterstiefel, in deren Lasche die sogenannte Bundesdienstflagge, also Schwarz-Rot-Gold samt Adler, auf dem Kopf eingenäht wurde. Erwartbar, vielleicht auch kalkuliert (und darum auch ein bisschen langweilig), dass Linke hier trotz des Namens der Kollektion „Das Deutschland Pack“ reflexartig ein nationalistisches Statement witterten.

Pfuhl der Durchgeknallten

Dandy Diarys Events, die Inszenierungen, die Looks – das ist so ultrabescheuert und respektlos auf eine Art, die perfekt zu Berlin und seinem mit viel Aufwand gepflegten Image als Sündenpfuhl der Durchgeknallten passt, diesem Laufsteg der Liberalität und Jahrmarkt der Eitelkeit. „Wenn wir so was angehen, wissen wir schon: Wenn das klappt, formt das unsere Marke sehr und hilft uns, Dandy Diary weiterhin interessant zu halten“, sagt Haupt. Das ist auf diesem irren Niveau ungeheuer schwer.

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