Leadership & Karriere Wir haben Gründerinnen gefragt, wie Sexismus am Arbeitsplatz verschwindet

Wir haben Gründerinnen gefragt, wie Sexismus am Arbeitsplatz verschwindet

Sophie Charlotte Rieger, freie Journalistin, Gründerin des feministischen Filmmagazins Filmlöwin

Journalistin Sophie Charlotte Rieger. Foto: Wiebke Detemple

Haben Sie in Ihrem Arbeitsleben/in Ihrer Position bereits Erfahrungen mit sexistischem oder übergriffigem Verhalten Ihnen gegenüber gemacht?

Rieger: „Ich selbst wurde vor zweieinhalb Jahren durch einen männlichen Kollegen, der in derselben Pension wie ich untergebracht war, massiv sexuell belästigt. Eines Abends kam er in mein Zimmer, bedrängte mich, griff mir unter den Rock und drohte auf meinen expliziten verbalen und nonverbalen Widerstand hin, sich nachts Zugang zu meinem Zimmer zu verschaffen. Glücklicher Weise hat er diese Drohung nicht wahr gemacht! Als ich ihn später auf dieses Ereignis ansprach und meinen Unmut über sein Verhalten kundtat, gab er zu bedenken, ich hätte an diesem Tag einen kurzen Rock getragen und damit quasi eine Einladung ausgesprochen. An einem anderen Abend begegnete ich ihm auf dem Weg zum Badezimmer. Er stand splitterfasernackt mitten im Flur und machte keine Anstalten, mir Platz zu machen. Als ich ihm mitteilte, dass ich dieses Verhalten unangebracht fände, witzelte er, ich solle mich nicht so haben, ich hätte doch sicherlich schon einmal einen nackten Mann gesehen.

Anfänglich hatte ich überlegt, diese Person beim internationalen Verband der Filmkritik, der FIPRESCI, anzuzeigen und um seinen Ausschluss aus der Vereinigung zu bitten. Da ich mir aber sicher war, seine Einschätzung der Lage werde mehr Gehör finden und meine „Hysterie“ nur negativ auf mich zurückfallen, tat ich es nicht.

Was muss passieren, damit Sexismus/Diskriminierung/Übergriffigkeit am Arbeitsplatz ein Relikt der Vergangenheit wird?

Rieger: Übergriffiges Verhalten in welcher Form auch immer darf nicht mehr bagatellisiert, sondern muss als illegitim ernst genommen, benannt und mit entsprechenden Konsequenzen behandelt werden. Dazu gehört beispielsweise auch eine entsprechende Haltung von Berufsverbänden, denn insbesondere selbstständige Frauen wie ich haben keine Chefetage, die wir in dieser Sache ansprechen können.

Anonym, CEO eines Online-Fachhandels für Erotikartikel

Haben Sie in Ihrem Arbeitsleben/in Ihrer Position bereits Erfahrungen mit sexistischem oder übergriffigem Verhalten Ihnen gegenüber gemacht?

Anonym: „Ja, einmal habe ich einen Kollegen nach einer Drahtbürste gefragt und bekam die Antwort, ob ich damit meine Haare kämmen wolle. Auch auf Messen und Konferenzen wurden meine männlichen Kollegen als Gesprächspartner bevorzugt und ich stehen gelassen. Ein großes Namensschild mit der Aufschrift Diplom-Ingenieurin hat Besserung gebracht. Schade, dass mir dass ohne dieses Schild nicht zugetraut wurde!“

Was muss passieren, damit Sexismus/Diskriminierung/Übergriffigkeit am Arbeitsplatz ein Relikt der Vergangenheit wird?

Anonym: „Die Rollenklichees für Männer und Frauen entstehen schon im Kindergartenalter. Spielzeug- und Werbeindustrie leisten einen großen Beitrag. Solange im Kindesalter zwischen Prinzessinnen, die immer hübsch aussehen sollen und Piraten, die immer stark sein müssen, unterschieden wird, werden die herangewachsenen Jugendlichen ihre Berufswahl nicht plötzlich frei von Klischees treffen.“

Melisa Karakus, Gründerin und Herausgeberin des renk.-Magazins

Haben Sie in Ihrem Arbeitsleben/in Ihrer Position bereits Erfahrungen mit sexistischem oder übergriffigem Verhalten Ihnen gegenüber gemacht?

Leider ja. Ich war 17 Jahre alt und habe ein Praktikum gemacht. Um die Kaffeemaschine zu bedienen musste man sich damals leider leicht bücken, mit dem Rücken zur Belegschaft. Meine beiden männlichen Kollegen (damals ca. 35 und 45 Jahre alt) hatten sehr viel Spass daran, Kommentare über mein Hinterteil abzugeben. Die Härte jedoch war, als der 45-jährige anfing, mir Gedichte per Mail zuzuschicken. Sehr unangenehm. Ich habe damals nichts gewusst über Sexismus und vor allem, was man tut, wenn man betroffen ist.

Was muss passieren, damit Sexismus/Diskriminierung/Übergriffigkeit am Arbeitsplatz ein Relikt der Vergangenheit wird?

Ich denke, es muss viel mehr starke Frauen geben, die als Vorbilder agieren und Sexismus thematisieren. Nicht nur am Arbeitsplatz: die Aufklärung muss schon in den Schulen beginnen. Wichtig ist auch, jungen Mädchen von Anfang an Selbstbewusstsein mitzugeben, um klar zu differenzieren was man mag und was nicht.

Milena Glimbovski, Gründerin des verpackungsfreien Lebensmittelhandels Original Unverpackt

Haben Sie in Ihrem Arbeitsleben/in Ihrer Position bereits Erfahrungen mit sexistischem oder übergriffigem Verhalten Ihnen gegenüber gemacht?

Glimbovski: „Ich hatte in einem meiner ersten Jobs nach der Schule gleich den Klassiker: der Chef hatte etwas getrunken und hat mir einfach mal ’nen Klaps auf den Po gegeben. Freundschaftlich versteht sich. Ich war zuerst nur geschockt, aber da ich auch sonst kein Blatt vor den Mund nehme, meinte ich damals: ‚Das wird dir nicht wieder passieren.‘ Er wagte es danach nicht mehr.“

Was muss passieren, damit Sexismus/Diskriminierung/Übergriffigkeit am Arbeitsplatz ein Relikt der Vergangenheit wird?

Glimbovski: „Frauen und Männer sollten sich sensibilisieren, was Sexismus am Arbeitsplatz sein kann. Es ist nämlich oft nicht der Klaps auf’n Po, sondern viel subtiler: Gehaltsunterschiede, Frauen in Meetings nicht aussprechen lassen, ihre Ideen abtun, sie nicht befördern, wenn sie im gebärfähigen Alter sind. Auch Mobbing: sie als hysterisch oder menstruierend bezeichnen, wenn sie mal schlechte Laune haben oder klar ihre Meinung sagen. All diese Dinge, die man nicht überall sieht und trotzdem täglich passieren.“

 

 

 

 

 

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