Leadership & Karriere Suff und Pitch: Dieses Halsband versteht deinen Hund besser als du

Suff und Pitch: Dieses Halsband versteht deinen Hund besser als du

Ein smartes Halsband, das deinen Hund besser versteht als du – das ist die Idee von Collarcare. Feedback für die Gründer gibt es in Berliner Kneipen.

Der Hund gilt bekanntlich als bester Freund und treuester Begleiter des Menschen. Das Smartphone hat sich in den vergangenen Jahren einen ähnlichen Ruf erarbeitet. Völlig zu Unrecht, wie ich nun feststellen musste. Hintergrund: Ich habe mein Handy geschrottet – und mit ihm alle Notizen des Abends dieser Folge von „Suff und Pitch“. Klar, musste irgendwann passieren, aber wenn es tatsächlich so weit ist, fühlt es sich so an, wie wenn der 19-jährige Familiencollie dann doch das Zeitliche segnet. Natürlich hatte ich meine Mitschriften nicht in der Cloud gesichert, denn ich hielt – zumindest bislang – wenig davon, meine persönlichen Gedanken, Fotos und Kontakte den Servern irgendwelcher Techfirmen anzuvertrauen.

Da lebte das Handy noch – mit den Zitaten von Marta (oder hieß sie Giulia?). Egal, was in Erinnerung blieb: top!

Darum muss ich hier jetzt also ganz analog in meiner alkoholvernebelten Erinnerung kramen. Direkt als Erstes fällt mir eine (sicherlich von einigen Drinks begünstigte) Beobachtung ein: Smartphones sind wie Hunde. Prestigeobjekte, Accessoires, die ihren Besitzern Freude und Unterhaltung spenden, mit deren vollem Funktionsumfang und technischen Möglichkeiten sich aber kaum einer auskennt.

Runtastic für Hunde?

Das will das Bielefelder Startup Collarcare ändern, mit dessen Gründern ich zum Produktpitch durch Berliner Kneipen gezogen bin. Ursula Moos und Lukas Tenge wollen Hundebesitzern mehr über die natürlichen Bedürfnisse ihrer Haustiere beibringen und so den zum Accessoire degradierten Hund wieder zu einem Begleiter auf Augenhöhe machen. Collarcare hat ein smartes Halsband mit GPS und Herzfrequenzsensor entwickelt. Aus den gewonnenen Daten sollen per Algorithmus individuelle Rückschlüsse auf Aktivitätsbedürfnis und mögliche Krankheiten des Tiers gezogen werden. Die App ist kostenlos, Geld wollen die Bielefelder mit dem Halsband verdienen – und mit digitalen Services. Man denkt etwa an ein Werbeumfeld für Futtermittelhersteller.

Klingt nach Runtastic für Vierbeiner, was die beiden Gründer sofort vehement bestreiten. Zum Auftakt des Abends stehen sie samt Team in der Redaktion von Business Punk und warten auf den ersten Drink. Sollen sie haben. Bleibt ja noch genug Zeit, heute Abend zu erklären, was Collarcare von Fitnesstrackern für Menschen unterscheidet, die oft so datenhungrig sind, dass etwa Versicherungen beim Ausblick auf Einblicke in ihre Kunden der Sabber von den Lefzen tropft. Also erst mal Wegbier in die Hand und ab nach Kreuzberg.

Die Moskau Mules kamen mit Rosenblättern. Edel, denkt der Genusstrinker – und kippt gleich nach.

Der Trödler, den eine Berliner Tageszeitung einmal als „eine Kneipe wie aus dem geheimen Tagebuch der Laura Palmer“ pries, ist um sieben Uhr noch leergefegt wie eine Zoohandlung kurz vor Weihnachten. Schließlich finden sich zwei Italienerinnen bei Zigaretten und Bier im tiefen Gespräch – wir stören gerne. Suff-und-Pitch-Glück: Marta und Claudia (oder hießen sie Giulia und Manuela?) sind nicht nur beide Hundebesitzerinnen, sie haben auch Bock, bepitcht zu werden, was vielleicht auch an den Collarcare-Leckerlis liegt, die Moos und Tenge zum Verteilen dabeihaben; waschechte Sales-People eben.

Gesundheitsdaten für den Hund, virtuelle Hundeleine per GPS und aktivitätsfördernde In-App-Games für das Hund-Mensch-Gespann? Schon geil, finden die beiden. Würden sie es nutzen? Auf jeden Fall. Erster Pitch direkt erfolgreich, fein gemacht, Collarcare. Weil es im Trödler aber nicht voller wird, ziehen wir weiter in Das Hotel um die Ecke.

Hunde-Social-Media, Hammer!

Beste. Longdrinks. Der. Stadt. Nach zwei (oder vier?) Moscow Mules sitzt eine Kardiologin am Nebentisch, die interessiert zuhört, was es mit der Herzfrequenzmessung auf sich hat. Das seien doch total tolle Daten, die man auch für Tierärzte nutzbar machen könne. Daran haben Tenge und Moos natürlich auch schon gedacht: Der Algorithmus wird mit Expertenwissen von Veterinärmedizinern und Hundetrainern gecoacht, um medizinisch sinnvolle Handlungsempfehlungen an die Nutzer auszuspielen. Und können Ärzte im Gegenzug auch auf die Nutzer-, also Hundedaten zugreifen? Interessant! Da müsste man erst über das Persönlichkeitsrecht von Tieren nachdenken. Das wiederum sehen zwei Touristinnen aus Polen locker: Social Media für Hunde, Hammer!

Auf dem Weg zur nächsten Pinte treffen wir auf einen kleinen, verängstigten Fifi. Als der Hund sich entsetzt über unsere Kamera zeigt und sie anbellt, erklärt Moos exemplarisch die Idee von Collarcare. „Unsere App würde wahrscheinlich empfehlen, den Hund sachte an das Angstobjekt heranzuführen“, sagt Moos. Und eben nicht zu tun, was Helikopter-Hundeeigner in solchen Situationen machen: den Kläffer auf den Arm nehmen, um ihn zu „schützen“. Dann, so Moos, bliebe er höchstwahrscheinlich sein ganzes Leben lang kamerahysterisch.

Wie der Besuch aus Polen hieß, wusste niemand mehr. Egal, die Dame wollte eh ein anderes Produkt entwickeln. Aber wer braucht schon ein Hunde-Facebook?

In der Ankerklause angekommen, dringt dieser Servicecharakter von Collarcare bei den Gästen leider nicht wirklich durch. Als Moos und Tenge anfangen, ihr smartes Halsband vorzustellen, und die Wörter GPS und Herzfrequenz fallen, reagiert einer am Tisch direkt mit einem sarkastischen Einwurf: „Vielen Dank, dass ihr jetzt auch unsere Haustiere leistungsmäßig optimiert“, mault der Trinker, den es vermutlich aus dem benachbarten, notorisch zukunfts- und leistungsskeptischen Kreuzberg 36 herübergeweht hat.

Schwieriges Pflaster also, dieser Biergarten, in dem eine andere Besucherin uns gleich darauf klarmacht, dass man sie um Erlaubnis fragen soll, als sie unsere Kamera sieht. Und außerdem: „Ist das nicht gefährlich für den Hund mit den Strahlen?“ Wow, so viel Tech-Aversion habe ich seit den frühen Nullerjahren nicht mehr erlebt, als munter darüber gestritten wurde, ob Handystrahlen töten. Aber hey, vielleicht brauchen die Leute hier einfach Zeit. Letztlich wurde jede Technologie, die dem Wohle der Menschheit und ihrer Hunde dient, akzeptiert, oder? Aber diese Diskussion wollen wir in der Ankerklause nun wirklich nicht anzetteln. Wir schalten also unsere Smartphones aus (haben wir nicht wirklich getan?) und verzichten auf Fotos.

Zukunft oder Kreuzberg

An dieser Stelle wird mir nun meine eigene Techskepsis zum Verhängnis. Wo in der Cloud meine Notizen über den Fortgang des Abends lägen (Biere im Sandmann?), findet sich in meinem Hirn: nichts. Darum will ich mal eine Lanze brechen. Gesunde Skepsis ist ja okay, wenn es um Daten geht. Aber gleich german-angsty zu vermuten, Collarcare wolle mittels Hightech-Halsband den Hund auf die nächste Evolutionsstufe optimieren, nun ja.

Kamerascheuer Fifi: Für eine Pose in Abwehrhaltung hat es immerhin gereicht.

Ich zumindest habe meine Lektion gelernt und werde die Redaktion künftig nicht mehr für eine Trinktour mit Gründern verlassen, ohne vorher meine Notiz-App an die digitale Leine der Cloud gelegt zu haben. Und dann werde ich hoffen, dass die nicht alles mitliest und mich anschließend mit Gesundheitstipps behelligt. Tut sie es doch? Dann zertrete ich mein Handy und ziehe nach Kreuzberg.

Dieser Beitrag stammt aus der aktuellen Ausgabe 03/2018. Darin gehen wir der Frage nach wie Star-Investor Peter Thiel, der sich als Trump-Versteher unmöglich gemacht hat, so tief fallen konnte – und wie er es wieder nach oben schaffen will. Außerdem: Dossier Fußball. Genauer, zum Business mit, hinter und vor dem Spiel. Mehr Infos hier.

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