Leadership & Karriere Zurück zum Beton: Vom Startup-Kosmos zum Milliardenkonzern

Zurück zum Beton: Vom Startup-Kosmos zum Milliardenkonzern

Das Gute an der Sache, Ugwu nimmt die neue Situation zum Anlass, einen zweiten Blick auf seinen Adtech-Pitch zu werfen. Was, denkt er sich, wenn man das ganze drei, vier Nummern größer aufziehen würde? Wie wäre es, nicht nur die Daten von den nun zwei Konzernen Metro und Ceconomy zu nehmen, sondern weitere Partner zu suchen? Das könnten Drogerieketten sein, Kaufhäuser, Weinhändler. Und wenn die nicht nur anonymisierte Daten über Kunden ihrer Webshops, sondern auch aus den Kassensystemen der Filialen zur Verfügung stellen? „Wir können auswerten, was die Leute essen, was sie trinken, welches Handy sie nutzen, was für Musik sie hören. Daraus bauen wir supergeile Audiences“, geht Ugwus zweiter Pitch. Die kann man dann vermarkten, indem man Werbetreibenden verspricht, ihren Online-Etat maximal effizient einzusetzen, weil ihre Anzeigen nur den Leuten gezeigt werden, die sich als identifizierte „Foodlover“ oder „Hardcore-Gamer“ auch wirklich für Küchengeräte oder VR-Brillen interessieren. 

Richy Ugwu
Eigentlich wollte Ugwu Politologie, Soziologie oder Philosophie studieren. Wurde dann doch VWL in Heidelberg und später Management in Paris.

Klar, das Ganze ist dann immer noch Adtech – aber reizvoll genug, dass Ugwu die Umsetzung nun vielleicht doch selbst übernehmen mag? Nur wie wahrscheinlich ist es, dass ein börsennotierter Konzern, der gerade dabei ist, sich aufzuspalten, so eine hochkomplexe Aufgabe, an der vom ersten Tag an mehrstellige Millionenumsätze hängen, einem überantwortet, der gerade erst in die Lobby gestolpert ist? Groß, wenn man einen Chef wie Pieter Haas hat, den Ugwu als „super hands-on, direkt, nahbar, Startup-like“, beschreibt. Haas, CEO von Ceconomy, mag es, wenn seine Leute ins Risiko gehen, und pitcht – damals noch in seiner Rolle als Geschäftsführer der Media-Saturn-Holding – die Idee beim Vorstand der Metro Group.

Bedingt durch die Vorbereitung der Spaltung des Konzerns, und weil Konzern eben Konzern ist, ging alles dann doch nicht so schnell. Ein halbes Jahr wird über die Umsetzbarkeit diskutiert. Eine Ewigkeit für jemanden, der Startup-Tempo gewöhnt ist. Doch „für einen Konzern war das Lightning Speed“, erkennt auch Ugwu an. Dann also das Go für die neue Ceconomy-Tochterfirma, zu deren Geschäftsführer der damals erst 28-Jährige bestellt wird. Künftiger Sitz des Retail Media Group getauften Corporate-Startups ist Berlin. Schließlich weiß Ugwu ja selbst, wie unglaublich schwer es ist, gute Leute mit Tech-Background nach Düsseldorf zu bewegen. Das ist aber nicht der einzige Grund, warum er eine gewisse räumliche Distanz zwischen sich und die Zentrale bringt. 

Nicht richtig ist falsch

Eigentlich hatte Ugwu sich ja auf die Metro eingelassen, um Corporate auszuprobieren. Nun würde er also wieder selbst eine Firma aufbauen. Das aber kann nur klappen, wenn man ihm die entsprechenden Freiheiten lässt. Vor seiner Zeit als Roq.ad-Mitgründer hatte Ugwu schon ein Startup aufgezogen, also so halb. Mitte 2014 war er für ein paar Monate bei M Cube, einem von den Check24-Gründern initiierten Inkubator, der sich auf die Serienfertigung von Vergleichsportalen spezialisiert hatte. Umzugsunternehmen, Fitnessstudios, Wimpernverlängerungen, solche Sachen. „Das war eher wie ein Angestelltenverhältnis mit einem netten Package und tollem Titel“, sagt Ugwu. Nach außen CEO mit Mitte 20, aber innen schlimmster Konzern. „Du musstest dich halt in die Prozesse eingliedern.“ 

Tja, und das mit dem Eingliedern ist nicht unbedingt seine Sache, wie eine kleine Episode aus seiner Berufsfindungsphase zeigt: Mit 18 hat Ugwu mal ein Praktikum gemacht: Onlinemarketing, Versicherungen. Er hatte das Gefühl, dass in dem Laden einiges schlecht organisiert ist, und konfrontiert seinen annähernd doppelt so alten Chef damit. „Ein normaler Praktikant macht einfach“, sagt Ugwu. „Ich habe eine halbe Stunde mit ihm diskutiert, bis er laut wurde.“ Ugwu ist dann gegangen. Er funktioniere in autoritären Führungsstrukturen einfach nicht. Das hat sich bis heute nicht groß geändert. „Ich könnte nicht an jemanden reporten, nur weil er zehn Jahre dabei ist, ich aber das Gefühl habe: Der hat es nicht drauf“, sagt Ugwu. Das klingt nun schon etwas arrogant. Aber weil man immer schnell Arroganz wittert, wo es jemandem vielleicht nur um die Sache geht, lohnt ein zweiter Blick. 

Couch und Coworking

Szenenwechsel nach Berlin, wo Ugwu im vergangenen Herbst bei seiner Mutter im Wedding crasht und in einem Coworking-Space am Potsdamer Platz anfängt, seine inzwischen mehr als 20 Mitarbeiter umfassende Truppe zu rekrutieren. Als Managing Director für die DACH-Region gewinnt er Kai-Uwe Jürgens, zuvor CEO des von Joko Winterscheidt mitgegründeten Celebrity-Vermarkters Pejay. Technikchef der Retail Media Group wird Andreas Joebges, der von Axel Springer kommt. Ugwus Finanzchefin Dagmar Feldmann holt er aus der Düsseldorfer Zentrale der Metro Group nach Berlin. Alle sind sie älter als ihr Chef. 

Daraus spricht nun nicht gerade Arroganz eines Schnellaufsteigers, sondern vielmehr Respekt vor der ihm anvertrauten Aufgabe. „Es würde ja keinen Sinn machen, wenn ich nur ein paar Juniors einstelle“, sagt Ugwu. Er suche „Experten, die ihre Sache besser machen als ich“. Die braucht er auch, denn ein gerade mal 29-Jähriger auf so einem exponierten Posten birgt ein ziemliches Risiko – für ihn selbst wie für seinen Arbeitgeber. Als Tochterunternehmen der Ceconomy unterscheidet sich die Retail Media Group deutlich vom Fun-Startup, mit dem vier Buddies ein bisschen VC-Money verjuxen. Verbockt Ugwu seine Sache, hat das Einfluss auf den Wert eines international agierenden Aktienkonzerns – und auf seine weitere Karriere.

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