Green & Sustainability Food Lab: Die Revolution am Mittagstisch

Food Lab: Die Revolution am Mittagstisch

Zehn Milliarden Menschen. Auf diese Zahl wird laut Berechnungen der Vereinten Nationen die Weltbevölkerung im Jahr 2050 angestiegen sein. Zehn Milliarden Menschen mit ebenso vielen hungrigen Bäuchen. Wie diese immense Anzahl gut und kostengünstig ernährt werden soll, stellt eine der großen Herausforderungen für die Zukunft dar. Das food lab der FH Münster hat sich Anfang des Jahres dieser Aufgabe angenommen und entwickelt Wege, wie eine gute Lebensmittelwende eingeleitet werden kann. Im Rahmen des Bundesprojekts PHASE XI erprobt das Team nun, wie die Kultur- und Kreativwirtschaft diesen Prozess unterstützen kann. PHASE XI wird vom Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes durchgeführt. Neben dem Lab in Münster entwickeln noch sieben weitere interdisziplinäre PHASE XI Teams Modelle und Prototypen, die neue Perspektiven auf gesellschaftlich und wirtschaftlich relevante Themen bieten – von Mobilität über Werteentwicklung bis Ernährung.

Das Labor des food labs Münster befindet sich in einem der Hochschulgebäude, versteckt hinter unscheinbaren Türen. Geflieste Wände, Edelstahlablagen, herumwerkelnde Menschen in weißen Kitteln: Ein Raum, wie gemacht für sachliche Power-Point-Präsentationen über Statistiken zur Zukunft des Essens und visualisierte Horrorgeschichten über drohende Wasserknappheit und Nahrungsnotstand, gefolgt von technologischen Lösungskonzepten, Buzzwords wie Weltraumnahrung, 3D-Drucker, genmanipulierten Mais oder Super-Soja und zum Abschluss noch ein paar Tipps zum Eigenanbau von Gemüse und Bienenhaltung auf den Dächern der Großstädte.

Aber dann kommt doch alles ganz anders. Denn auf den zweiten Blick ähnelt der Raum eher der Kulisse eines Fotoshootings, als wäre man mitten hineingeraten in die Aufnahmen für die neueste Ausgabe von Essen & Trinken: Auf mehreren Tafeln befinden sich Teller und Terrinen, Schalen und Schüsseln, bestückt mit kleinen Tartes, Omelettes, wilden Blumen und Kräutern, Dips in unterschiedlich bunten Farben, Gemüse in allen Formen und Varianten: Roh, gegrillt, gefüllt, glasiert, sautiert, mit Soßen und Ölen beträufelt, einzeln in dünnen Scheiben drapiert oder zusammen in großen Schüsseln vermengt. Auch die weißen Kittel des Teams sind bei näherem Hinsehen als Kochschürzen zu identifizieren.

„Es ist alles Konzept. Die Vorbereitung und das gemeinsame Essen sind Teil des Projekts“, erläutert Prof. Dr. Guido Ritter, Professor an der Fachhochschule Münster im Fachbereich Oecotrophologie und Leiter des food labs, „Wenn man sich damit auseinandersetzt, wie man isst, dann kommt man auch schnell darauf, über Dinge wie Nachhaltigkeit nachzudenken“. Deshalb stellt das Team aus Wissenschaftlern, Autoren, Lebensmittelhandwerkern und Kochkünstlern den sozialen Aspekt des Essens in den Mittelpunkt. Dieser dient als Schlüssel zum Kompetenzaufbau – nicht nur beim Konsum, sondern auch schon bei der Herstellung und Zubereitung von Lebensmitteln.

Ohne erhobenen Zeigefinger und dystopische Prognosen nutzt das Lab einen kreativen Zugang, um mehr Wertschätzung für Lebensmittel zu fördern. Denn abgesehen vom Instagram #foodporn ist Essen auch in dieser digital geprägten Zeit weiterhin ein sehr analoges Thema geblieben – und ein zunehmend populäres, bedenkt man den anhaltenden Boom an Streetfood Markets, Craft Beer Stores oder sogenannten Schnippeldiskos.

Bei PHASE XI geht es dem food lab nun darum, den Mittagstisch zu revolutionieren. Inspiriert wurden sie dabei von dem Künstler Ólafur Elíasson, der in seinem Studio täglich zum gemeinsamen kochen, essen und darüber sprechen mit allen Kollegen einlädt. Deshalb wird auch in Münster zusammen gegessen. Und nicht nur das: Es wird auch gemeinsam angebaut, gesät, geerntet, eingekauft, ausgewählt, zubereitet, gekocht und natürlich genossen. Am Ende soll ein Handbuch entstehen, das Methoden zur sensorischen Schulung beim Essen aufzeigt. Die Lebensmittel selbst müssen dabei sechs harte zukunftsorientierte Kriterien erfüllen: Gesund müssen sie sein, ethisch, nachhaltig, umweltpolitisch, sozial und fair. Auch diese Kriterien werden vom food lab auf ihre Praxistauglichkeit geprüft.

„Kulturell verankerte Geringschätzung von Genuss ist eine Mammutaufgabe, die es zu bewältigen gilt“, begründet Ritter. „Uns geht es um die Verknüpfung von Esskultur, Genuss und Wissenschaft. Wir wollen ein neues Verständnis für Ernährung aufbauen“, betont Ritter. „Bis 2050 haben wir dazu noch 34 Ernten Zeit.“

Im Herbst werden die Ergebnisse und Prototypen aller PHASE XI Labs deutschlandweit präsentiert. Die Termine: 14.10. Frankfurt, 09.11. Dresden, 16.11. Lübeck, 21.11. Köln, 28.11. Schliersee/Neuhaus, 01.12. Berlin. Mehr Informationen gibt es hier.

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