Leadership & Karriere Suff und Pitch: Mydartpfeil-CEO will analoge Darter zu Digitalos machen

Suff und Pitch: Mydartpfeil-CEO will analoge Darter zu Digitalos machen

Spitz ist das neue Breit? Klar, sagt der Gründer von Mydartpfeil.com. Er will den Onlinekonfigurator zur Triple 20 der Szene machen. Was denkt die alkoholisierte Zielgruppe?

Jetzt mal ganz unter uns: Auch wenn wir sonst stolz sein dürfen, dass wir jedem Doof-Trend zumindest mal mit halbem Herzen hinterhergehechelt sind, rutscht uns immer mal wieder was durch. Zum Beispiel, dass man nachts im Sportfernsehen Darts guckt. Dass man da unter Umständen sogar mitfiebert. Und selber spielen will.

Fehler, sagt Timm Bange, 23. Denn der hat mit seinem gleichaltrigen Buddy Lukas Haas in Frankfurt den weltweit ersten Online-Dartpfeil-Konfigurator programmiert, über den man sich als „ambitionierter Amateurdarter“ das passgenaue Zubehör zusammenstellen kann. Mydartpfeil.com heißt ihre Plattform, Vorbild ist der Nike-ID-Shop. Bange steht bei uns in der Redaktion, wir haben ihm ein Bier in die Hand gedrückt. Er erklärt mal die Basics: dass so ein Pfeil aus vier Teilen besteht, dass viele Spieler gleich mehrere verschiedene Pfeile nutzen. Außerdem, dass sie gerade Lobbyarbeit betreiben, um Darts olympisch zu machen. Letztlich: Dass der Typ, der Darts als TV-Ereignis groß gemacht hat, vorher schon Snooker und Poker zu überraschender Aufmerksamkeit verhelfen konnte. Ui. Vielleicht wird aus der Schmeißerei also doch Breitensport, und die Jungs stehen dann in Deutschland schön auf der Poleposition. Aber: Was hält der pulloverige Kreuzberger Wurfveteran vom unerwarteten Hallo aus der Techbranche? Wir schicken Bange mal in die erste Kneipe zum Pitch.

„Ein Dartpfeil ist wie eine Frau“

Gut. Im Stresemann-Stübchen stehen Detlef und Christian am Board und trainieren für die A-Liga. Ob sie mal so einen Pfeil von Bange probieren wollen? Warum nicht, mümmelt es aus den beiden Introvertierten zurück. „Schmeißt euch mal ein“, wanzt sich Bange an die beiden ran. Normalerweise kaufen sie offline im Laden, wo man ausprobieren kann. Konfigurator? Christian: „So ein Dartpfeil, der ist ja, sage ich mal, wie eine Frau.“ Okay! Bange zeigt das Pitch-Video auf seinem Smartphone. „Und das ist im Internet?“, kommt als Frage zurück. Puh. Nebenan trainiert Felix, vergleichsweise jung, auf dem T-Shirt Bud Spencer. Er fragt: „Ihr seid wohl ein Startup.“ Richtig, und Bange pitcht los. Felix sagt: „Die 30 Tage Rückgabe sind wichtig, das Set ab 20 Euro geht klar. Und wenn Pro Sieben das erst mal überträgt, wird Darts riesig.“ Bange nickt zufrieden. Und es wird besser, denn Christian, dem wir einen Gutschein für den Konfigurator am Platz gelassen haben, ist so von Banges Pfeilen überzeugt, dass er kurzerhand ein Set kauft. Zack, 40 Euro in die Tasche! Das gab es in der Geschichte dieser Rubrik noch nie. Darauf mehr Bier! Aber bitte woanders.

Dartpfeil und Bier mit Felix
Ganz, ganz nah an der Basis: Bange im Pitchgespräch mit Felix. Da hatte er schon Pfeile verkauft und sich einen Tequila verdient. Foto: Julian Daum

Vielleicht ganz interessant, was tech-aufgeklärtere Leute zu dem Konfigurator sagen. Auf dem Weg nach Neukölln in die Berliner Berg Brauerei erzählt Bange, dass ab sofort Weihnachtswerbung über Social Media läuft, außerdem, dass man den türkischen National­darter Baran Özdemir sponsert. Im Taxi lassen wir mal Aufkleber mit „Darts for Olympia 24“ ausliegen.

Seit 14 Uhr betrunken

Sponsoring? Klingt ja schon ambitioniert. Aber soll ja nicht alles sein, sagt Bange: Videokurse. Pfeil-Abomodelle. Virtual Reality. China ist ein Riesenmarkt. Reine Shops sind ja nice, aber wie lange noch? Und irgendwie muss Darts das Image vom Bier trinkenden Proll abschütteln, sagt Bange und holt mehr Bier von der Theke.

Nächster Pitch bei Michele: „Kennst du Nike ID?“ – „Nee.“ „Kennst du den Porsche-Konfigurator?“ – „Ich fahre ein altes Fahrrad, ein Puch.“ „Aber du bestellst im Internet.“ – „Andauernd“, kommt es von Michele zurück. Also, zu den Dartpfeilen … Michele hört gefühlt zwei Sekunden lang zu, sagt, dass sie jetzt schon gelangweilt ist, und verschwindet. Wir schaffen es, einen Typen aus Spanien festzunageln, von Beruf Craft-Beer-Braumeister, 27 Jahre alt. Er findet die Idee richtig gut, spielt ab und zu Darts, mag auch Onlinekonfiguratoren richtig gerne. Perfekt! Dann aber gibt er vorsichtig zu bedenken, dass er seit 14 Uhr betrunken ist. Egal. Werten wir als Erfolg. Drinnen nagelt Bange Finn fest, einen Startup-CEO aus Mitte. Der verlangt erst mal, dass wir Whisky mit ihm trinken, hört sich anschließend die Idee aufmerksam an. „Interessant, aber kein Massenmarkt“, so sein Urteil in allerbester Thelen-Manier. Er wäre also raus.

Dartpfeil
Also, das wäre jetzt ein Foul: Die Fußspitze schluppt über die Linie. Macht ja nichts: Wir sind ohnehin eher vom olympischen Geist beseelt. Foto: Julian Daum.

Wir sind auch raus. Aber nur bis zur nächsten Kneipe, und in der Neuköllner Bergklause kann Mydartpfeil.com noch mal richtig abräumen. Nicht nur, dass sich ein astreiner Darts-Automat in der Ecke befindet, mit Klaus und der netten Dame hinter der Theke sind darüber hinaus auch zwei Menschen am Start, die völlig gewillt sind, Banges Produkt tipptopp zu finden und als Heavy User zu nutzen. Tequilas fließen, es wird sehr spät. Am nächsten Tag finden wir im Browser des Handys eine nicht abgeschlossene Bestellung über den Konfigurator, und das letzte protokollierte Wort in der Notiz-App, sehen wir, lautet schlicht „Ja“. Muss gut gewesen sein.

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