Leadership & Karriere Startup “Ring“: Von der Beinahepleite zum Unicorn

Startup “Ring“: Von der Beinahepleite zum Unicorn

Pleiten, Pech und Pannen

So aber trudeln die Bestellungen ein. Die erste Charge Klingeln wird aus China geliefert, getestet und an die Kunden versandt. Dann trifft die große Lieferung ein, zwei Tage vor Weihnachten. Also werden die Klingeln nur schnell umgepackt und gleich wieder an die Kunden rausgeschickt. Wenig später klingelt das Telefon: „Die Kamera funktioniert nicht.“ Und das Telefon klingelt nicht nur einmal. Siminoffs Team nimmt eine der Klingeln aus der Packung und testet sie. Kein Bild. Die nächste: dasselbe. Sie stellen fest, dass in der Fabrik vor dem Start der Großserienproduktion ein entscheidender Chip ausgetauscht wurde.

Eine Rückrufaktion zu starten ist keine Option. Das Startup hatte 15 000 Kameras im Wert von 3 Mio. Dollar verkauft, auf dem Konto liegen aber nur ein paar Hunderttausend Dollar. Letzter Hoffnungsschimmer: Vielleicht könnte man die Leute bitten, die Kamera per USB an den Computer anzuschließen und neue Software aufzuspielen, fragt Siminoff sein Team. Nein, der Chip habe keine Verbindung zum USB-Port. „War’s das also?“ – „Ja, das war’s“, sagt man ihm.

Best! Christmas! Ever!

„Ich habe meiner Frau gesagt, wir sind erledigt“, sagt Siminoff. Das Geld war alle, und kein Investor, der halbwegs bei Verstand ist, würde nur einen Dollar in seinen Laden investieren. Daraufhin gehen die beiden essen – Henkersmahlzeit. Und plötzlich hat Siminoff eine Idee. Hatten sie nicht zunächst eine tadellos funktionierende Videosoftware in der Cloud benutzt, diese aber später gegen eine billigere getauscht? Er ruft seine Leute an, die eine Nachtschicht einlegen, dann geht Siminoff ins Bett – und kann tatsächlich schlafen. „Heiligabend bin ich aufgewacht und hatte eine E-Mail: ‚Es funktioniert.‘ Ich habe angefangen zu schreien: Best! Christmas! Ever!“

Inzwischen muss Siminoff nicht mehr fürchten, ein einzelner Fehlschlag könnte seine Firma in den Abgrund ziehen. Ring steht finanziell gut da. Dennoch sagt er: „Ich mache mir immer Sorgen, dass etwas nicht klappt.“ Das gehört für einen Unternehmer mit seiner wechselvollen Vergangenheit vermutlich dazu. Aber eben auch das: „Es wird mich nicht davon abhalten, etwas zu versuchen.“

Fucking Richard Branson?

Bis heute steht Siminoffs E-Mail-Adresse auf jeder Verpackung von Ring. Vielleicht hat sie dort der Mann entdeckt, der ihm 2015 eine Anfrage schrieb: „Richard (in cc) möchte ein paar Klingeln als Weihnachtsgeschenk für seine Freunde kaufen.“ Na toll, dachte sich Siminoff, „ich werde fünf Ring verkaufen“. Dann aber schaute er sich das Copy-Feld in der Mail-Adresszeile an. „Hey, geht es hier um fucking Richard Branson?“ Ging es, und Siminoff holte endlich nach, worauf er 17 Jahre gewartet hatte: Branson eine persönliche Nachricht zu schicken. Zwei Minuten später hatte er eine Antwortmail von Branson, es entwickelte sich ein Dialog, in dem Siminoff Branson erklärte, dass er nicht nur simple Videotürklingeln baute, sondern ein Gerät, das geholfen hat, die Kriminalität in einer Nachbarschaft in L. A. um 55 Prozent zu reduzieren. „Kann ich investieren?“, fragte Branson. Zwei Tage später stand der Deal über 28 Mio. Dollar.

Natürlich hat Siminoff Branson gefragt, ob er sich an die Fahrstuhlfahrt erinnert. Das könne er. „Ich meine“, sagt Siminoff, „ich sah damals aus wie zwölf. Ein zwölfjähriger Amerikaner in einem Fahrstuhl in Brüssel, der sagt, er komme gerade aus Kinshasa. Kann schon sein, dass er sich tatsächlich erinnert.“

Sicher wird sich auch Mark Cuban an den schlaksigen Typen erinnern, der ihm vor vier Jahren für 700 000 Dollar zehn Prozent seiner Firma verkaufen wollte. Wenn man so will, darf Siminoff sich rühmen, für die vielleicht größte Fehlentscheidung Cubans verantwortlich zu sein. Nach dem Fail bei „Shark Tank“ hat sich Ring zur größten Firma entwickelt, die dort aufgetreten ist. Und Cubans Anteil wäre heute – grob geschätzt – mindestens 50 Mio. Dollar wert.

Der Artikel stammt aus der Ausgabe 06/2017 der Business Punk. Titel: “Watchlist 2018 – Einhundert Gründer, Macher, Kreative, von denen du im kommenden Jahr hören wirst“. Mehr Infos gibt es hier.

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