Green & Sustainability Das Startup Little Lunch zeigt, wie Bio in der Masse funktionieren kann

Das Startup Little Lunch zeigt, wie Bio in der Masse funktionieren kann

Kaum ein „Höhle der Löwen“-Startup ist dermaßen rasant gewachsen wie die Augsburger Biosuppenfirma Little Lunch. Die Gründer folgen einer so simplen wie klugen Strategie: Die Masse macht’s. Von Katja Michel.

Nummer drei fällt durch. Schmeckt nach nichts, auch die Farbe ist zu gelblich. Die Suppen Nummer eins und zwei dagegen sind schon ziemlich nah dran: angenehme Konsistenz, im Geschmack schön spargelig. Den Weißwein wegzulassen war eine gute Idee. Suppe Nummer eins duftet zudem köstlich und bekommt dafür sechs von sechs möglichen Punkten.

Es ist ein Herbsttag in Augsburg, Blindverkostung beim Bio­sup­pen­-Startup Little Lunch. Die Gründer Daniel und Denis Gibisch testen und bewerten Geschmacksproben, die ihr Hersteller ihnen geschickt hat. Für die nächste Saison sollen die Rezepturen der Sommersuppen neu aufgelegt werden. Bei Nummer eins fehlen nur noch die Stücke. Denn damit, findet Daniel Gibisch, wäre sie perfekt: eine ehrliche, klassische Spargelsuppe. Mit klassischen Suppen kennen die Brüder Gibisch sich aus. Schließlich haben Daniel, 34, Denis, 37, mit ihnen eine beachtliche Erfolgsgeschichte geschrieben: Gestartet sind sie 2014 als Zwei-Mann-Betrieb und Untermieter in einem Hinterhofbüro. Die ersten Gläser kochen sie selbst ein. Bio­sup­pen, die sich für das schnelle und dennoch gesunde Mittagessen eignen, wollen sie verkaufen. Die Gläser sollen nicht gekühlt werden müssen, der Preis vergleichsweise niedrig bei etwa 3 Euro liegen. Das ist die Idee.

Umsatz beträgt voraussichtlich 14 Millionen Euro

Sie schlägt ein: Heute gibt es Lit­tle Lunch unter anderem bei Rewe, Edeka und Rossmann. Zu den Suppen und Eintöpfen sind Fonds, Brühpulver und Smoothies gekommen. Der Umsatz wird dieses Jahr voraussichtlich bei 14 Mio. Euro liegen. Im ersten Geschäftsjahr 2014 waren es noch 40 000 Euro. Nur wenige Startups aus der „Höhle der Löwen“ sind so nachhaltig durch die Decke gegangen. Die Gibischs haben eine klare Strategie: „Viele Startups begehen den Fehler, zu denken, sie müssten etwas Neues erfinden. Wir machen bewusst ein Massenprodukt und stehen nicht im fancy Startup-Regal, sondern bei den Dosensuppen neben Erasco. So holen wir auch 60-Jährige ab“, sagt Daniel. Die Brüder machen Biosuppen nicht für Großstadthipster. Sondern für alle.

Als im Jahr 2014 die ersten Lit­tle­-Lunch­-Gläser auf den Markt kommen, ist Bio längst Mainstream und von den kleinen Bioläden in die großen Supermarktketten geschwappt. Der Markt, auf dem die Firma unterwegs ist, ist groß: 2016 wurden in Deutschland mit fertigen Suppen 250 Mio. Euro umgesetzt. Bei den Biosuppen ist Little Lunch einer Nielsen-Handelsstudie von 2017 zufolge mit 64 Prozent Marktführer. Im gesamten Suppensegment liegt der Marktanteil bei immerhin acht Prozent. Ihre Ziele haben die Gründer hochgesteckt: „Wir wollen erreichen, dass die Leute bei Suppe eines Tages an Little Lunch denken, so wie bei Taschentuch an Tempo. Das wäre mein Traum“, erzählt Denis Gibisch.

In der Little-Lunch-Zentrale in Augsburg herrscht auch heute noch ein Rest Startup-Atmosphäre. Foto: Daniel Delang

Niemals Hamsterrad

Die Brüder sitzen auf einem Sofa in den Little-Lunch-Firmenräumen, die auf einem alten Augsburger Schlachthofgelände untergebracht sind. Daniel isst Erdbeerpopcorn, Denis trinkt Red Bull aus der Dose. Zu seinen Füßen liegt Tuco Salamanca, eine französische Bulldogge, die er nach einer Figur aus der Serie „Brea­king Bad“ benannt hat. Mit dem Klischee der aalglatten Gründer aus der Business-School haben die beiden nichts gemein – und es gab Zeiten, in denen ihnen wohl die wenigsten einen solchen Erfolg zugetraut hätten: Als Jugendliche eckten sie an, beide flogen von der Schule. „Wegen zu vieler Fehltage, Unterschriften fälschen, solchen Sachen“, erzählt Daniel.

Denis macht den Hauptschulabschluss, bricht eine Maurerlehre ab, lernt dann in der Metallbaufirma des Vaters Bürokaufmann. Auf dem zweiten Bildungsweg holt er sein Abitur nach und studiert BWL – um kurz vor dem Diplom hinzuschmeißen, weil er schlicht keine Lust mehr hat. Daniel macht sein Fach­abi­tur, bricht ebenfalls ein Studium ab und wird Web-Entwickler. Dass sie auf Dauer keine Angestellten sein wollen, ist beiden klar. „Wir haben nicht ins System gepasst und konnten uns nicht unterordnen. Das Hamsterrad hat für uns nie funktioniert“, sagt Denis. Es sei immer klar gewesen, dass sie etwas Eigenes machen müssen. Auch dass sie als über 20-Jährige miterleben, wie die Metallbaufirma des Vaters in die Insolvenz geht und die Eltern sich in der Folge trennen, kann sie nicht schrecken. „Wir kennen auch die schlechte Seite des Unternehmertums. Wir wissen genau, wie es dazu kommen und was kann man dagegen tun kann“, sagt Denis. Insofern sei es auch eine hilfreiche Erfahrung gewesen. Die Geschichte ging übrigens gut aus: Der Vater machte sich ein zweites Mal selbstständig und leitet heute glücklich eine Hundeschule.

Die Söhne träumen in ihren Angestelltenjobs davon, Unternehmer zu werden. Vor allem der Jüngere brennt für die Welt der Startups und ist fasziniert davon, wie Gründer auf der ganzen Welt aus dem Nichts Firmen aufbauen. Daniel liest US-Magazine, zerbricht sich den Kopf über Geschäftsmodelle. Er entwickelt ein Konzept für eine E-Learning-Plattform. Sie spielen auch mal mit der Idee, eine Edel-Currywurstbude zu eröffnen. Dann hat er den Einfall mit den Suppen, weil er im Büro aus Geld- und Zeitmangel oft asiatische Instant-Nudelsuppen isst. Wie wäre es stattdessen, wenn der Chef für ein gesundes Mittagessen zahlen würde? Für eine Biosuppe aus dem Glas? Das ist die Ursprungsidee. Denis, der Zahlenmensch, recherchiert und findet heraus, dass jeder Deutsche im Schnitt 100 Teller Suppe pro Jahr isst. Er rechnet die Sache durch und stellt fest: Damit lässt sich Geld verdienen. Und zwar richtig.

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