Ablage Design aus dem Knast: Wie ein dänisches Modelabel Insassinnen helfen will

Design aus dem Knast: Wie ein dänisches Modelabel Insassinnen helfen will

Als D’Souza 2014 schwanger wurde und mit ihrem Freund zurück nach Kopenhagen zog, kreisten ihre Gedanken weiter um das Frauengefängnis in Nairobi. Sie fragte sich, ob es nicht möglich wäre, hochwertigere Produkte herzustellen, die am Ende einen tatsächlichen Nutzen haben und mehr Geld einbringen. Das würde die Frauen bei der Arbeit motivieren, außerdem könnte man sie wesentlich besser entlohnen. D’Souza setzte sich hin und fing an, eine Weltkarte zu skizzieren, die die Korrelation zweier Faktoren zeigte: in welchen Ländern man mit lokalen Ressourcen möglichst hochwertige Produkte herstellen könnte – und wo es auf der Welt am meisten Armut und Kriminalität gibt. Wo sich also, wenn man es schlau anstellte, der größte soziale Impact erzielen ließe. Eines der Länder, die hervorstachen, war Peru – bekannt für seine wertvolle Alpakawolle.

Es vergingen eineinhalb Jahre, in denen D’Souza recherchierte, an ihrem Konzept feilte und schließlich die Telefonnummer des Präsidenten des peruanischen Gefängnissystems ausfindig machte. Ihm gefiel D’Souzas Idee. Er war überzeugt, dass bessere Gefängnisjobs eine große Wirkung hätten und helfen würden, die Rückfallquote der entlassenen Häftlinge zu reduzieren. Er versprach, D’Souza zu helfen.

https://www.instagram.com/p/BrknUk6HHOt/

Im April 2016 landete sie mit Mann und Tochter in Lima, einen Monat lang reiste sie quer durchs Land, besuchte ein Handvoll Gefängnisse und versuchte herauszufinden, wo und wie es möglich wäre, eine Produktion für Kleidung aus Alpakawolle aufzubauen. Am Ende hatte sich D’Souza für ein Gefängnis in Cusco in den Anden entschieden. Mit einem Koffer voll Fadenproben und Designmustern kehrte sie zurück nach Dänemark und lud einige Freunde zu sich ein, um Feedback zu Konzept, Namen und Marketing zu sammeln. Unter diesen Freunden war auch Louise van Hauen, eine Modedesignerin, mit der D’Souza in Kenia zusammengelebt hatte. Van Hauen war begeistert von D’Souzas Geschäftsidee und stieg sofort ein.

Dann ging alles wahnsinnig schnell: Van Hauen entwarf erste Kleidungsstücke, ein halbes Jahr später starteten die beiden eine Crowdfunding-Kampagne, um Startkapital zu sammeln. Nach nur zwölf Stunden war das Funding-Ziel von umgerechnet 20 000 Euro erreicht. D’Souza und van Hauen flogen nach Peru, kauften die ersten Nähmaschinen und wählten ein Dutzend Frauen aus, die Lust hatten, künftig die Stücke von Carcel zu nähen. Im August 2017 war es so weit: D’Souza und van Hauen launchten während der Kopenhagener Fashion Week ihre erste Kollektion.

Recruiten mit Impact

Seitdem hat sich viel getan. Vor einem Jahr begann Carcel, zusätzlich in einem Gefängnis in Chiang Mai in Thailand zu produzieren – aus der weltweit berühmten thailändischen Seide. Doch die Seide war nicht der alleinige Grund für die Wahl. „Als wir über den zweiten Standort nachdachten, schauten wir uns Indien und Thailand an“, sagt D’Souza. „Wir entschieden uns dann für Thailand, weil dort so viele Frauen im Gefängnis sitzen wie sonst nirgendwo auf der Welt.“

https://www.instagram.com/p/BtphQAcn_88/

Insgesamt beschäftigt Carcel inzwischen 25 Näherinnen. Das Recruiting erfolgt nach besonderen Kriterien: „Wir schauen uns die Motivation an, die Skills und den Impact“, sagt D’Souza. Eine Frau, die beispielsweise ihre Familie außerhalb des Gefängnisses versorgen muss, wird jemandem, der finanziell abgesichert ist, vorgezogen. Dann werden alle Näherinnen geschult. Carcel will die Frauen fordern und fördern, um ihnen für die Zeit nach dem Gefängnis eine Perspektive zu bieten. Sie sollen es leichter haben, einen Job zu finden, um so den teuflischen Kreislauf von Armut und Kriminalität zu durchbrechen. „Wenn die Frauen entlassen werden, haben sie es sehr schwer“, sagt D’Souza. „Es ist generell ein großes Stigma, kriminell zu sein. Aber mehr noch, wenn man eine Frau ist.“

Wie viel ihre Näherinnen verdienen sollen, welche Bezahlung wirklich fair ist, darüber wird bei Carcel viel diskutiert, sagt D’Souza. Derzeit orientiere man sich an den örtlichen Lebenshaltungskosten und an dem, was gute Näherinnen vor Ort üblicherweise verdienen. Obwohl sich Carcel um Transparenz bemüht, musste das Label in puncto Bezahlung dennoch viel Kritik einstecken. Der Vorwurf: Die Kleidungsstücke seien so teuer, dass den Näherinnen eigentlich deutlich mehr gezahlt werden könnte. Ein einfaches T-Shirt kostet 165 Euro, eine Jacke 600 Euro. „Wir wurden schon oft gefragt, warum wir kein dänisches Gehalt bezahlen“, sagt D’Souza. „Der Grund ist, dass die Lebenshaltungskosten in Peru und Dänemark sehr unterschiedlich sind.“

Seite 2 / 3
Vorherige Seite Nächste Seite

Das könnte dich auch interessieren