Life & Style Geld & Wahnsinn: Was es bedeutet, für Netflix eine Serie zu drehen

Geld & Wahnsinn: Was es bedeutet, für Netflix eine Serie zu drehen

„Wie habt ihr das bei Netflix gepitcht, wie ‚4 Blocks‘, nur in Frankfurt?“ – Die Schöpfer*innen und Schauspieler*innen von Skylines erzählen behind the scenes.

Sind die Szenen so düster, weil permanente Nacht herrscht oder weil die Hochhäuser so lange Schatten werfen? Egal. Nicht viele Städte sehen vor wie nach Sonnenuntergang faszinierender aus als Frankfurt am Main.

Hier spielt die Serie „Skylines“, die seit 27. September auf Netflix läuft. Ein ambitioniertes, auf sechs Episoden angelegtes Ensemble-Drama rund um die großen Themen der Menschheit: Aufstieg, Fall, Verrat, Ehre, Freundschaft – alles drin. Im zentralen Plot steht der junge HipHop-Produzent Jinn, der seinen besten Freund im Stich lässt, um beim Label Skyline Records Karriere zu machen. Als Gaststars tauchen gleich mehrere Stretch-Limos der Frankfurter Rapper auf.

„Skylines“ ist ein weiteres Projekt, das aus Deutschland stammt, aber für den Weltmarkt gedacht ist. Was macht die Arbeit an einer solchen Serie anders? Wie funktioniert für Kreative das Zusammenspiel mit einem börsennotierten Streamingunternehmen, das haarklein alles auswerten will? Welche Chancen ergeben sich? Wir sind behind the scenes eingetaucht und haben uns den Entstehungsprozess von denen erzählen lassen, die an vorderster Stelle daran beteiligt waren.

 

Herr Schanz, wie entstand die Idee zu „Skylines“?

Dennis Schanz (Showrunner): Das Ganze ging damit los, dass ich mich bei Serial Eyes, einem Weiterbildungsprogramm für Serienautoren, beworben habe. Ich dachte, wenn, dann nur mit was Persönlichem. Und Rap ist eine riesige Leidenschaft von mir. Ich war fasziniert, wie echt und fake Rap zugleich sein kann: Wie viel ist da fake, wie viel ist Gangster? Das war der Keim. Und irgendwann haben wir dann dazu mit Netflix geredet.

Herr Keitsch, wie pitcht man so eine Serie – wie „4 Blocks“, nur in Frankfurt und mit Rapper*innen und Banker*innen?

David Keitsch (Produzent): Es mag mit HipHop, Halbwelt und Finanzwelt drei Überschriften geben, aber alle Figuren haben Familie. Es ist eine Ensembleshow, in der alle Figuren einen gleichen Wert haben. Wir haben die Hoffnung, dass „Skylines“ einen universellen Ansatz hat.

Schanz: Ich habe dann die Story nach Frankfurt gelegt. Es kamen immer mehr Figuren hinzu. Ich habe an „The Wire“ gedacht, wo du einen Mikrokosmos beleuchtest, der über eine Stadt und ein ganzes Land etwas sagt. Frankfurt ist urban, aber auf kleinem Raum. Die Gegensätze reich und arm, Geschäftsleute oben in den Türmen, Geschäftsleute unten aus der Straße, die Reibung ist fast spürbar. Das ist die Zauberformel für gute Dramaserien.

Keitsch: Und Frankfurt ist auch eine Geburtswiege von Straßenrap in Deutschland. Viele GIs waren damals dort stationiert, das ist eine Tradition. Die Tradition des Multikulturalismus ist dort ebenfalls noch einmal stärker. Die Texte der Rapper*innen haben immer was Straightes, no bullshit.

Dennis Schanz (Showrunner): Der Berliner studierte in Berlin, Zürich und Kansas Film und Amerikanistik. Er ist Mitgründer der Produktionsfirma StickUp. Seine erste große Serie „Skylines“ entstammt dem Writers’ Room von Serial Eyes, einem Fortbildungsprogramm für Serienautoren der DFFB. Foto: Maya Röttger

Herr Hasanovic, Sie verkörpern den HipHop-Produzenten Jinn. Wie war es, mit echten Rapper*innen zu spielen?

Edin Hasanovic (Schauspieler): Spannend. Die standen noch nie am Set, das war eine Energie, der man sich nicht entziehen kann, das macht richtig Bock. Die wissen allerdings nicht, dass man in der Probe nicht ans Telefon geht, das muss man denen sagen, Andererseits darf man denen auch nicht zu viele Regeln geben, da haben die keine Lust drauf.

Soleen Yusef (Regisseurin): Laien sind nicht vorbereitet – wobei viele Schauspieler*innen auch nicht vorbereitet sind. Aber ich war wahnsinnig überrascht, was für ein Bewusstsein diese Rapper*innen haben, die haben eine riesige Spielfreude, eine Offenheit. Ich war sicher, dass diese harten Jungs sich nicht blamieren wollten und das für sie eine fremde Welt ist. Im Gegenteil: Die sind so talentiert.

Hasanovic: Ich war bei „Rap am Mittwoch“ und habe mich mit den Jungs, die mit uns gedreht haben, beschäftigt. Ich habe null Background in der Music-Production. Ich musste mir alles anlernen. Erst einmal muss ich trainieren, so viel Rap auszuhalten – nicht meine Welt. Ich haben dann einen Coach für das Studio bekommen. Irgendwie hatte ich immer ein Problem mit BPM – ich wollte lieber den schnellen Balkanbeat! Ich mussten den schleppenden, gleichmäßigen Klang erst lernen.

Anna Herrmann (Rolle der Lily): Die Laien haben immer mal wieder nach Tipps gefragt. Dabei sind die für den Typ gecastet, die sollen sich selber spielen. Ich habe dann ein bisschen gecoacht: „Konzentrier dich auf mich, das ist ein Partnerspiel. Der Stress kommt, wenn du dich auf die Kamera konzentrierst.“

Hasanovic: Das ging aber in beide Richtungen. Ich musste die Scham ablegen, vor den echten Rapper*innen zu tun, als wäre ich einer von ihnen. Aber die waren entspannt. Die sagten: „Sieht alles gut aus.“ Ein Glück. Es gab genug andere schauspielerische Herausforderungen – etwa fünf Monate lang die Energie für eine Hauptrolle zu halten. Es gab immer wieder das Bewusstsein: „Das ist eine große deutsche Netflix-Serie.“

David Keitsch (Produzent): Mit seiner Produktionsfirma Komplizenfilm war Keitsch schon für Filme wie „Toni Erdmann“ und „Victoria“ verantwortlich. Davor durchlief er das Produktionsstudium der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin.

Aber was bedeutet es für einen, dank Netflix plötzlich theoretisch in 190 Ländern präsent zu sein?

Herrmann: Ich habe schon für „Homeland“ mit HBO zusammengearbeitet, da hatte jede*r Assistent*in noch eine*n Assistent*in. Da war auch der Druck noch mal höher. Ich persönlich versuche immer, die Größe etwas auszublenden, dass diese Serie für den Weltmarkt ist.

Yusef: Weltmarkt ja, aber bei Netflix ist es gewünscht, immer anders auf die Welt und auf eine Geschichte zu gucken. Nicht reproduzieren, was man kennt. Das heißt auch neue Leute: Wer bei Netflix schon mal eine Hauptrolle hatte, kommt nicht mehr infrage. Das ist großartig. Das funktioniert.

Hasanovic: Das einzige Ding ist der Druck, den man sich selber macht. Dieses Bewusstsein, dass man überall gesehen werden kann, ist das Einzige, womit man klarkommen muss. Es ist komplett absurd, wenn dir Leute aus Bolivien schreiben, dass sie deine Show gesehen haben. Aber ich war schon länger besetzt. Fast zwei Jahre vor Drehbeginn, da war das noch eine Koproduktion mit dem ZDF. Den Prozess, wie das immer größer wurde, habe ich gar nicht mitbekommen.

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