Leadership & Karriere Quasi-Monopol: Wie Disney weltweit das Kinoprogramm beeinflusst

Quasi-Monopol: Wie Disney weltweit das Kinoprogramm beeinflusst

Die Maus will mehr

Aber wird er das? Wer will, kann dafür Indizien finden. Eines der Opfer der Disney-Übernahme ist die Abteilung Fox 2000, die für moderne Klassiker wie „Life of Pi: Schiffbruch mit Tiger“ oder „Fight Club“ verantwortlich war und in der neuen Struktur keinen Platz mehr hatte. Bei „Solo: A Star Wars Story“ wurde das Regisseursduo Phil Lord und Christoper Miller gefeuert, weil es mit seinen Methoden Disney schlicht zu unkonventionell war. Und wehe dem, der es wagt, die Maus herauszufordern: 2017 wurde allen Journalisten der „Los Angeles Times“ der Zugang zu Disney-Pressevorführungen verwehrt, weil dem Studio die Berichterstattung der Zeitung nicht gefiel. Lediglich öffentlicher Druck führte zu Disneys Einlenken.

André Øvredal: Mit „Scary Stories to Tell in the Dark“ gelang dem Regisseur etwas Seltenes: ein großer Erfolg, der nicht von Disney kommt. Die Frage lautet: Wann landet auch er dort?

Doch es gibt auch Faktoren, die eine andere Sprache sprechen. So scheint sich das Studio zum Vorreiter ethnischer Diversität zu machen. Hauptdarstellerin der Realverfilmung von „Arielle, die Meerjungfrau“ ist die Afroamerikanerin Halle Bailey. Es gab wohl selten ein so massentauglich formuliertes Manifest von Black Power wie den oscarnominierten Blockbuster „Black Panther“. Wenn andere Studios Filme mit chinesischen Storys realisierten, wurden meist angelsächsische Figuren dazugepackt. Nicht so in Disneys „Mulan“ mit der hierzulande weitgehend unbekannten Liu Yifei in der Hauptrolle. Hatten in der Zeichentrickversion vom „König der Löwen“ zumeist weiße Stars die Synchronstimmen abgeliefert, waren dies in der Neufassung unter anderem Beyoncé, Chiwetel Ejiofor und Donald Glover. Auch finden sich auf dem Regiesessel großer Spektakel immer öfter Frauen, ob Mira Nair, Ava DuVernay, Niki Caro oder Deborah Chow, die jetzt die „Obi-Wan Kenobi“-Serie übernimmt.

George Lucas dagegen hatte mit seinen „Star Wars“-Prequels sehr viel gesichtsloses, austauschbares Entertainment abgeliefert. Die kulturpessimistischen Unkenrufer sollten sich angesichts dessen wohl eher zurückhalten. Vor allem, weil lange nicht alles, was Disney anfasst, auch zu Gold wird. So floppten in den vergangenen Jahren verschiedenste Versuche, neue Franchises aus der Taufe zu heben – ob „A World Beyond“ mit George Clooney, der von einem Disneyland-Fahrgeschäft inspiriert war, die Jugendbuchverfilmung „Das Zeiträtsel“ oder „Der Nussknacker und die vier Reiche“ mit Keira Knightley. Auch reichte Starregisseur Tim Burton nicht aus, um aus der Realverfilmung von „Dumbo“ einen echten Hit zu machen. Und der schon zitierte „Solo: A Star Wars Story“ war sogar der erste Film der eigentlichen Selbstläufer-Saga, der Verluste machte.

Das Ende der Cashcow

Marken- und Starnamen allein reichen eben nicht aus. Starproduzent Chuck Roven („Wonder Woman“, „American Hustle“) kommentiert: „Auch Disney mit seinem ganzen Erfolg und der brillanten Strategie muss den Zuschauern etwas geben, was sie sehen wollen, etwas, was originell ist und einer beliebten Marke ein Überraschungselement hinzufügt.“

Jon Favreau: Kennt man noch als Schauspieler in Indie-Komödien und als Gaststar bei „Friends“. Jetzt übernahm er für Disney das Prestige-Riesenprojekt „Der König der Löwen“.

Diese Herausforderungen scheinen gerade im Fall von „Star Wars“ für Nervosität zu sorgen. Zumal die Skywalker-Trilogie, die auf dem Lucas-Erbe aufsetzt, dem Ende zugeht. Es wirkt, als würde man hektisch nach einer neuen Formel suchen. Dazu wird eine Streamingserie nach der anderen produziert.

Interessanter Nebeneffekt: Disneys Konzentration auf Marken führt in der Branche zu einem Innovationsschub. Gerade weil der Rest Hollywoods nicht über die gleiche Power verfügt, ist er stärker auf neue Ideen angewiesen. „Das lässt die Tür für mehr eigene Stoffe offen und zwingt uns zu mehr Eigenständigkeit“, wie Glen Basner sagt.

Der Blick in die Geschichte zeigt, dass Spektakelkino allein ohnehin nie ein Garant für bleibende Erfolge war. Ende der 60er-Jahre scheiterten Hollywoods Studios mit ihren überteuerten Vehikeln – und in der US-Branche begann gleichzeitig eine Ära junger, wagemutiger Filmemacher wie Terrence Malick.

Gelassenes Hoffen

Joseph Russo, Regisseur von „Avengers: Endgame“, sieht es denn auch pragmatisch: „Ja, momentan hat Disney eine einzigartig beherrschende Stellung im Markt, aber die Medienbranche wird sich auf eine Weise verändern, die niemand vorhersehen kann.“ Bruder Anthony kann das nur unterstreichen: „Wer weiß schon, welche Filme das Publikum künftig sehen will und welche Geschichten wir selbst erzählen möchten? Wir können einfach nur hoffen, dass sich jemand die anschaut.“

Disneys CEO Bob Iger ist es übrigens mit dieser Strategie gelungen, das Unternehmen auf einen Marktwert von 239 Mrd. Dollar hochzuschrauben. Diese ganzen inhaltlichen Fragen sind ihm vielleicht nicht ganz so wichtig, vielleicht waren sie es nie. Er hat ohnehin andere Pläne: Im Dezember 2021 will der heute 68-Jährige den Gang in die Rente antreten. Doch dann könnte er noch einmal eine ganz andere Geschichte erzählen. Mit der hätte er wohl auch mehr Einfluss als mit allen Disney-Franchises zusammengenommen: 2024, munkelt man, will er als US-Präsidentschaftskandidat der Demokraten antreten.

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