Life & Style Vom Slum nach Harvard und wieder zurück: Der kenianische Rapper Octopizzo will mit anpacken

Vom Slum nach Harvard und wieder zurück: Der kenianische Rapper Octopizzo will mit anpacken

Aus dem Gemeindezentrum von Ohanga und seinen Freunden ist inzwischen die Octopizzo Foundation geworden. Keine Wohltätigkeitsorganisation, sagt er: „Wohltätigkeit macht Menschen abhängig. Ich glaube daran, etwas zurückzugeben und zu teilen, weil ich die Situation nachvollziehen kann.“

Octopizzo erklärt es in einem Bild von zwei Obdachlosen. Der eine hat etwas zu essen, die andere nicht. Der Erste beschließt, mit ihr zu teilen, weil er die Probleme der anderen kennt und versteht. Es geschieht nicht von oben herab – keine Wohltätigkeit, sondern Solidarität.

Unter diesem Motto stand auch Octopizzos Projekt, das er 2016 umgesetzt hat. Dafür hat er mit geflüchteten Jugendlichen aus den Refugee-Camps Kakuma und Dadaab das Album „Refugeenius“ aufgenommen. Octopizzo will, dass junge Menschen über die Kunst ihr volles Potenzial kennenlernen. So wie er. Außerdem will er eine Berufsschule in Kibera bauen. Das ist es nämlich, was den Menschen dort fehlt, eine Perspektive. Und das ist es, was die über 200 internationalen NGOs, die dort ansässig sind, seit Jahren versprechen – aber nicht umsetzen.

Hier kommt Ohanga auf das andere wichtige Thema zu sprechen, das ihn umtreibt: Kibera werde arm gehalten, weil die Regierung von den vielen NGOs im Land profitiere. „Gib mir heute eine Milliarde Schilling, bis morgen baue ich dir ein anderes Kibera“, sagt er. Die Leute aus dem Westen, die nach Kibera kommen, seien nicht an nachhaltigen und langfristigen Veränderungen im Slum interessiert. „Die internationalen Programme schaffen keine Arbeitsplätze. Wenn sie das täten, würden die Menschen anfangen, Kibera zu verändern.“ Und damit wären die Organisationen überflüssig. Daran hätten die Organisationen, die überall in Nairobi verteilt sind, kein Interesse.

Seit Jahren wird viel Geld in die Entwicklung in Kibera gepumpt, trotzdem ändert sich die Lage für die Bewohner*innen nicht. Ohanga sagt: „Diese großen Unternehmen reden von ‚Social Impact‘. Am Ende des Tages machen sie gar nichts.“ Um zu verstehen, wie diese Unternehmen Einfluss und sozialen Wandel messen, ging er im Jahr 2018 in die USA. Er wollte wissen, wie man über die Menschen im Slum denkt, in Nairobi, in Kenia und in Afrika.

Ivy League und Rap

Ohanga, der ursprünglich seine Bildungskarriere mit der Highschool beendet hatte, studierte an der University of Pennsylvania und der Harvard University Social-Impact-Strategien und Leadership-Theorien. Sein Befund: „Diese Leute haben keine Ahnung“, sagt er. Alles bloße Theorie, keiner orientiere sich an den wirklichen Problemen der Menschen.

Ohanga sieht, dass die meisten seiner Kommiliton*innen weit von der Realität entfernt sind, die sie in der Theorie so blumig beschreiben. Es reiche auch nicht, wenn sie mal für ein dreimonatiges Projekt nach Kibera kommen, nur, um dann wieder abzuziehen und später zu berichten, sie hätten eine Million Menschen erreicht. „Für die meisten war’s das dann auch“, sagt Ohanga. „In diesen Akademikerkreisen messen sie Einfluss über Zahlen.“ Für ihn zähle stattdessen die einzelne Person.

Hat er ihr Leben wirklich zum Besseren verändert? „In Kibera wird dir von Anfang an gesagt, dass du es nie zu etwas bringen wirst. Von deinem Umfeld, von den Politiker*innen, von den Lehrer*innen. Die meisten sind so überzeugt davon, dass sie es überhaupt nicht versuchen.“

Auch Ohanga hat das früher geglaubt. „Erst der Rap hat mir Türen geöffnet, die sonst für immer verschlossen geblieben wären, selbst als Mathematiker oder Arzt“, sagt er und lacht dabei. Heute reist Ohanga um die ganze Welt, von Konzert zu Konzert, arbeitet auch mit deutschen Künstlern wie Megaloh und Marteria. Aber egal, wo er gerade ist, am Ende des Tages zieht es ihn immer wieder zurück zu Ugali und Tilapia, nach Hause, nach Kibera.

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Und wie immer vieles, vieles mehr.  Viel Spaß beim Lesen!

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