Life & Style The New Social: Drei App-Macher, die den Status quo im Social-Media-Game herausfordern

The New Social: Drei App-Macher, die den Status quo im Social-Media-Game herausfordern

In Deutschland ist StudiVZ zwischenzeitlich auf den Zug aufgesprungen. Die Onlineplattform, auf der sich Studenten gruscheln konnten, erreichte 2011 mit 17 Millionen Nutzer*innen ihren Höhepunkt. Danach ging es wieder bergab.

Soll heißen: Scheint also nicht so easy zu sein, eine Plattform wie Facebook vom Thron zu stoßen. Stellt sich andererseits aber auch die Frage, warum es heute immer noch junge und ambitionierte Techfreaks gibt, die sich genau dieser Herausforderung stellen.

Vielleicht sind ein Anlass die sich mehrenden Berichte und Studien dazu, dass das endlose Scrollen und der permanente Vergleich mit anderen nicht gerade gesundheitsfördernd sind. Oder auch die Predigt von den Großeltern.

Wie dem auch sei, im Jahr 2020 herrscht die Ansicht vor, dass der Status quo im Bereich soziale Netzwerke verbesserungswürdig ist. Wenn man das System schon nicht abschaffen kann, muss man es eben zum Besseren verändern.

Anti-Social

Bei den Pingmazing-Gründern ist es wohl einfach pure Überzeugung: „Wir wollen kein Social-Media-Bashing betreiben, weil nicht grundsätzlich alles schlecht ist. Aber wir sehen da schon eine Lücke und damit auch unsere Daseinsberechtigung“, betonen Lützelberger und Vogel.

Deshalb nennen die Münchener ihre App auch „Anti-Social-Media-App“, eben weil sie nicht mit den herkömmlichen Plattformen in einer Liga spielen wollen. Was ihre Lösung vor allem enthält: einen fairen Umgang mit Daten. Klar, dass dieser Punkt den Nutzer*innen am wichtigsten ist. Vor allem Facebook gilt als Datenmonster, das die Daten der Nutzer*innen einfach zu Werbezwecken verwendet oder für politische Zwecke an Analysefirmen verkauft haben soll. Die Liste an Skandalen ist lang.

Pingmazing fährt hier einen anderen Ansatz: „Ganz ohne Daten geht es nicht, aber wir wollen sie aufs Minimum reduzieren. Die Telefonnummer, mit der man sich anmeldet, wird verkryptet. Wir greifen nur sukzessiv auf Daten zurück, aber speichern diese auch nicht im ­Backend“, sagt Vogel.

„Die Qualität des Contents viel besser als bei Instagram“

Außerdem soll die App den Nutzer*innen in keinem Fall Geld aus der Tasche ziehen. Die Münchener finanzieren sich über Kooperationen mit Partner*innen, die thematisch passende Werbung schalten. „Wir glauben fest daran, dass gut ausgewählte Werbung nutzerfreundlich sein kann und einen Mehrwert bietet“, sagen die Gründer.

Insgesamt ein ansprechendes Konzept von zwei Männern am Übergang der Generationen X und Y, die aus ihrer Leidenschaft für Action und Natur den Social-Media-Trend in eine andere Richtung lenken wollen. Fragt sich nur, wie viel Potenzial Pingmazing wirklich hat – gerade für die Generation Z, die sich hauptsächlich auf Instagram oder Tiktok herumtreibt, weil sie genau eben diese Konzepte feiert.

Ebenfalls aus dem deutschen Süden kommt der Newcomer Subs. Es handelt sich um „ein faires, soziales Netzwerk aus echten Menschen“, wie Gründer Kevin Gallas Mayer seine App bezeichnet.

Die Idee einer alternativen Social-Media-App ist ihm und seinem Team bereits Anfang 2019 gekommen, gelauncht ist die App im März 2020. Bei Subs soll die Fairness gegenüber den Nutzer*innen, oder auch „Content Creator“, wie er bei Subs heißt, an erster Stelle stehen.

Gallas Mayer kritisiert, dass die Content Creators an den heutigen Social-Media-Plattformen am wenigsten Erfolg hätten und ihre eigene Reichweite umsonst aufbauen würden. Obwohl die Content Creators ja diejenigen seien, die eine Plattform erst erfolgreich machten, stünden sie eigentlich in Konkurrenz zu dieser.

Gründer Kevin Gallas Mayer will mit Subs die Schöpfer von Content entlohnen (Foto: Martin Hirsch | Subs)

An diesem Punkt kommt Subs ins Spiel. „Wir wollen eine Plattform schaffen, die für ihre Content Creators da ist und ihnen hilft, ihre organische Reichweite zu maximieren. Die Creators machen die Community und damit die Plattform erst aus. Davon sollen sie auch langfristig etwas haben“, sagt Gallas Mayer.

Dafür haben sich die Münchener ein spezielles Businessmodell überlegt: ein virtuelles Beteiligungssystem für Creators. Die Nutzer*innen sollen zukünftig sogenannte Shares erhalten, wenn sie Content für die Community produzieren. Sie können sowohl Bilder, Texte als auch Videos hochladen, dabei ist die „Qualität des Contents viel besser als bei Instagram“, hebt Gallas Mayer hervor.

Je mehr Abonnent*innen die Creators erreichen, desto mehr Shares erhalten sie. Die jeweiligen Shares entsprechen dann bestimmten Anteilen an der Plattform. Bis Subs diese monetarisieren kann, wird es jedoch noch etwas dauern.

Was die App den Nutzer*innen momentan schon ermöglicht, ist eine Verifizierung. Heißt also, dass sich alle Nutzer*innen gegen einen Aufpreis verifizieren lassen können, um so eindeutig als echte Nutzer*innen identifiziert werden zu können.

Damit wollen Gallas Mayer und sein Team vor allem gegen Social Bots, Fakeprofile und illegale Hassreden vorgehen – was bei den aktuellen Giganten leider oft dazugehört.

Subs-Nutzer*innen können dann über ein Tool einstellen, dass sie nur mit verifizierten Nutzer*innen in Kontakt treten wollen. So will die Plattform echte und seriöse Kommunikation garantieren, was gerade für Fotograf*innen und Models, die momentan den Großteil der Nutzer*innen ausmachen, reizvoll scheint.

Und Subs packt sogar noch einen oben drauf: Mit jeder Verifizierung wird ein Baum gespendet. Gerade in Zeiten der Klimakrise keine schlechte Idee.

Die fünfstellige Nutzerzahl konnte Subs in diesem Frühjahr knacken, aber das reicht Gallas Mayer nicht: „Meine Hoffnung ist, dass wir Ende nächsten Jahres an die 100.000 Nutzer*innen herankommen und uns von da aus jährlich verdreifachen. Unser Ziel ist es, irgendwann die Milliarde zu knacken.“ Okay, Moment: eine Milliarde? Applaus für diese Zahl. Neben dieser Vision wirken die Pingmazing-Gründer ja doch eher zurückhaltend.

Also: Ein Startup aus München, das im Grunde bisher nur Creators aus der künstlerischen Branche anspricht, will so groß wie Facebook werden. Und das alles „#ohnezucker“. Was das bedeutet, erklärt Gallas Mayer: „Der Hashtag spiegelt alles wider, was wir erreichen wollen: eine Plattform ohne den schädlichen industriellen Zucker, aber auch ohne die alte Elite wie Zuckerberg.“

Ist doch kein Zufall, dass Zucker im Namen des Facebook-Gründers steckt oder, Subs? Aus einem Wortspiel wird ein ambitioniertes Ziel. An Motivation und Engagement fehlt es dem Gründer auf jeden Fall nicht.

Fuego versus Tiktok

Anderer Ort, mindestens gleicher Ehrgeiz: Daniel Michailidis pusht in Berlin seine App Fuego mindestens ebenso ernsthaft. Mit gerade mal Anfang 20 hat er die App aufgebaut. Mit nur 17 Jahren entdeckte er die Startup-Welt für sich und entwickelte bereits erste Konzepte für eine Art Challenge-App.

Erst als er den Popsänger Lukas Rieger und die Influencer-Zwillinge Roman und Heiko Lochmann (besser bekannt als „Die Lochis“) kennenlernte, wurde sein Konzept richtig handfest. Zu viert gründeten sie in Berlin die Plattform Fuego.

Der Ansporn: Man wolle die erste Social-Media-Plattform werden, auf der Influencer*innen und Fans direkt und gemeinsam miteinander kommunizieren können, und zwar über das Tool Video.

Erinnert im ersten Moment an die App TikTok, die 2016 gelauncht wurde und heute über 800 Millionen aktive Nutzer*innen zählt. Das Phänomen TikTok geht mit seinen Hashtag-Challenges durch die Decke, Michailidis kritisiert jedoch das Konzept: „Auf TikTok ist alles zu unsortiert und zu schnelllebig. Es ist kein Ort, an dem eine Community aus Creators zusammenkommt und gemeinsam Videos austauscht.“

Fuego-Gründer Daniel Michailidis hat mit seiner Idee das Prinzip von Think Big verinnerlicht (Foto: Fuego)

Fuego will das ändern: „Bei uns geht es nicht darum, Influencer*innen zu folgen und Likes zu verteilen. Es geht mehr um die Aktion, die von einem Influencer oder einer Influencerin angestoßen und von der Community angenommen wird“, sagt Michailidis.

Was bei Tiktok „Hashtag-Challenges“ sind, nennen Michailidis und sein Team „Movements“. Bei diesen handelt es sich um kurze Videoclips, in denen Nutzer*innen ihr Talent zeigen können – immer zur jeweiligen Aufgabe und dem dazugehörigen Hashtag. Wenn ein*e Künstler*in eine Aktion anstößt, wie es zum Beispiel der Rapper Sierra Kidd getan hat, nennt sich das Ganze „Co-Creating“.

Das Fuego-Team hofft, dass bald auch Unternehmen ihre eigenen Movements ausrufen und die Challenges mit ihrem Logo versehen. So könnte sich das Berliner Startup durch Werbegelder finanzieren. Michailidis will sich um die Monetarisierung doch erst nächstes Jahr kümmern, wenn die App mehr als 100.000 Nutzer*innen zählt.

Ähnlich wie bei Subs stehen also die Creators und deren produzierter Content im Vordergrund. Michailidis spricht genau wie Subs-Gründer Gallas Mayer auch von echter Kommunikation: „Mit Fuego können wir Inauthentizität entgegenwirken und wieder echte Kommunikation erzeugen“, sagt Michailidis.

Außerdem gehe es bei Fuego nicht darum, dass die Creators so viral wie möglich gehen. Anders ist der Anspruch des jungen Gründers an sich und sein Team: „Wir wollen die größte themenbasierte Videoplattform der Welt werden.“

Daran arbeitet das junge Fuego-Team Tag und Nacht. Und zwar wortwörtlich: Michailidis wohnt gemeinsam mit seinen Co-Foundern in einer Wohngemeinschaft in Berlin – damit auch zu jeder Tageszeit spontanes Brainstorming stattfinden kann.

Der Angriff auf TikTok ist schließlich keine kleine Ansage, da muss eben mehr als nur ein gemeinsamer Arbeitsplatz her.

Blick in die Zukunft

Scheint so, als ob gerade die jüngeren Gründer von Subs und Fuego mit Leidenschaft auf den ganz großen Durchbruch hoffen, während die Pingmazing-Gründer mit ihrem Konzept gemütlich die Social-Media-Welt aufräumen wollen.

Da spiegelt sich das Alter der Gründer doch etwas deutlicher in ihren Ambitionen und Zielen wider. „Ich bin mir sicher, dass es auf Social Media weiterhin Menschen geben wird, die viel Content bringen, gehört werden wollen und Communitys bilden. Aber es wird in ein paar Jahren nicht mehr wichtig sein, wie viele Follower*innen man hat, sondern wie aktiv diese sind“, sagt Fuego-Gründer Michailidis.

Aus ihm spricht die Generation Z, für die Influencer*innen einen mindestens so hohen Stellenwert haben wie Schauspieler*innen oder Popstars.

Subs-Gründer Gallas Mayer bildet trotz ähnlicher Ambitionen schon fast den Gegenpol zur Fuego-Utopie: „In Zukunft werden nicht nur die großen Nutzer*innen etwas zu sagen haben, sondern alle Nutzer*innen, die eine Reichweite haben.“

Subs glaubt damit eben nicht an die bestehende Macht von einzelnen Influencer*innen, die von Jugendlichen auf der ganzen Welt abonniert werden. Es soll sich vielmehr auf jede*n Nutzer*in als Individuum konzentriert werden. „Social Media ist schon länger da und wird auch länger bleiben, weil es die verschiedenen Bedürfnisse der Menschen bedient“, ergänzt Gallas Mayer.

Das Münchener Team von Pingmazing hingegen will nicht nur den Fokus von Social Media verschieben, sondern der Bezeichnung endlich gerecht werden. Ihnen geht es nicht um Influencer*innen, Content Creators oder Communitys. Sie wollen die virtuelle Welt mit der realen vereinen und den wirklichen Bedürfnissen der Menschen nachgehen: „Wir glauben, dass nachhaltige Beziehungen wieder stärker an Gewicht gewinnen werden“, sagt Lützelberger.

Okay, um alles noch mal auf den Punkt zu bringen: Drei Challenger aus unterschiedlichen Generationen haben Social-Media-Apps geschaffen, die eine Alternative sein wollen. Um gegen die Giganten anzukämpfen, die gar nicht so social sind, wie sie es vorgeben zu sein.

Alle drei fahren andere Strategien, scheinen sich jedoch darin einig zu sein, dass die virtuelle Welt und das Verlangen nach ihr nicht verschwinden werden.

Die Pingmazing-Gründer kehren dabei den herkömmlichen Plattformen den Rücken zu: motiviert, aber gelassen. Die Macher hinter Subs und Fuego hingegen orientieren sich vielmehr an den bestehenden Giganten, um diese am Ende vom Thron stoßen zu können.

Besonders Michailidis glaubt an die Skalierungsfähigkeit seiner App. Schön. Denn wenn man eines von den Verantwortlichen der bestehenden Großen der Social-Media-Welt gelernt hat, dann doch, dass jugendliche Euphorie und Optimismus das sind, was Ideen den nötigen Push gibt.

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