Innovation & Future Glück Auf, der Steiger kommt! Und Bochum erst recht!

Glück Auf, der Steiger kommt! Und Bochum erst recht!

Die Initiative StartING der THGA habe sich wegen Corona im vergangenen Jahr gleich zu Beginn einmal neu erfinden müssen. Alle Veranstaltungen mussten digital stattfinden. Eine Lösung war ein Podcast. Das Studio, ein umgebautes Tiny House, hat Kehlbeck vor das Bergbaumuseum gestellt. „Da ist mir erst mal bewusst geworden, dass die meisten Leute im Viertel die Hochschule gar nicht kennen“, sagt sie. Dabei ist sie einer von vielen Wissenschaftsplayern in der Stadt, in die viele der Hoffnungen hineinprojiziert werden.

Ein weiterer wichtiger Player auf dem Gebiet ist, natürlich, die Ruhr-Universität Bochum (RUB). Über die Grenzen Bochums hinaus hat die Uni einen Ruf als Brutalismus-Hochburg und Sozenbunker. Sosehr sie aber von außen abschrecken mag, in ihrem Inneren zeigt die RUB, dass sie ihre Stadt mit in die Zukunft katapultieren will. Marc Seelbach ist dort dafür zuständig, Forschungsergebnisse nach außen zu transferieren. Dass die Stadt angefangen hat, sich zu wandeln, sagt er, habe unmittelbar damit zu tun, dass Nokia und Opel weggebrochen sind. „Damals wurde ein Prozess gestartet, den wir Worldfactoy nennen“, sagt er. Auf dem ehemaligen Opel-Gelände sollten Lehre, Forschung und Gründung unter einem Dach vereint werden – klares Ziel: Bochum als Wissensstandort stärken.

„Die Leute hier waren immer stolz auf ihre Arbeit, auf den Bergbau. Auch weil er sichtbar war, obwohl er unter Tage stattfand.“

Heike Kehlbeck

2017 gründete die Uni dann die Abteilung, in der Seelbach heute arbeitet. Bis dahin gab es für das Thema Gründungen nicht mal eine Vollzeitstelle für 40 000 Studierende und 5 000 Wissenschaftler. Inzwischen hat sich die RUB dort neu aufgestellt und für die verschiedenen Forschungsbereiche zuständige Inkubatoren gegründet. „Wir implementieren damit das Thema Entrepreneurship tief in der Lehre.“ „Start4Chem“ ist demnach für Innovationen im Bereich Chemie zuständig, „Materials“ für Materialwissenschaften, „Smart Systems“ ist der Fachinkubator für Industrie-4.0-Themen. „Inzwischen haben wir campusweit rund 30 Vollzeitstellen auf dem Thema“, sagt Seelbach. Ein wichtiger Faktor war, dass das Land Nordrhein-Westfalen 2018 viel Geld in die Hand genommen hat, um die Universitäten zu unterstützen. Die RUB allein hat damals 20 Mio. Euro bekommen.

Eines der Unternehmen, die aus der RUB hervorgegangen sind, ist Physec. Es steht nicht nur für das Gründen in Bochum an sich, sondern auch für einen Sektor, auf den Bochum stolz ist: Cybersecurity. Cube 5 ist der Inkubator, der den Bereich an der RUB weiter fördern soll. „Das ist ein Aushängeschild“, sagt Seelbach.

Heiko Koepke ist Gründer von Physec, eigentlich ist er Wirtschaftswissenschaftler. Auf einer Veranstaltung der RUB, die Techies und Wirtschaftsmenschen zusammenbringen sollte, hat er Christian Zenger kennengelernt, einen Spezialisten für Cybersecurity. Die beiden haben ihr Unternehmen im Februar 2016 angemeldet. Inzwischen beschäftigen sie 40 Mitarbeiter. Physec ist darauf spezialisiert, für Sicherheit im Internet of Things zu sorgen. Ein Zukunftsfeld, denn je mehr Geräte mit dem Netz verbunden werden, desto wichtiger die Arbeit von Physec. Seien es Strom- oder Wasserzähler, Industrieanwendungen oder Sensoren.

Dass Koepke und Zenger Physec in Bochum gegründet haben, liegt nicht nur daran, dass Koepke aus dem Ruhrgebiet ist und die beiden sich an der RUB kennengelernt haben. Die Stadt hat mit dem Horst-Görtz-Institut das deutschlandweit erste Institut für Cybersecurity angesiedelt. Das beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit dem Thema, außerdem bringt die Forschung selbst immer wieder neue Innovationen auf den Markt. Die Beziehungen sind eng. Außerdem sitzt Koepke im Vorstand von Eurobits e. V., dem Kompetenzzentrum für IT-Sicherheit in Bochum. „Darüber können wir natürlich immer wieder an Rekruten kommen“, sagt Koepke.

Wie bei img.ly hat Corona den Arbeitsmarkt auch für Physec durcheinandergebracht. Arbeit wird auch hier ortsunabhängig. „Ich sehe daher aktuell keinen Bedarf für weitere Standorte“, sagt Koepke. Die hätten sonst in Berlin oder München entstehen können. In Städten, die schon länger Magnete für Talente sind. Doch fragt man Koepke, ob Bochum sich als Standort auch in Zukunft wird behaupten können, ist die Antwort eine recht eindeutige: „Ich glaube, dass wir auf zwei wichtige Themen gesetzt haben. Die Gesundheitswirtschaft und die IT-Sicherheit.“ Für ihn ist daher klar: Bochum hat das Potenzial – die Demografie und die Digitalisierung könnten Treiber sein, dass die Stadt es ausspielen muss.

Und vielleicht ist das dann auch der Grundstein für eine neue Legende. Eine, in der eine Stadt im permanenten Strukturwandel es geschafft hat, sich zu erneuern. Weil sie auf die richtigen Felder gesetzt hat und weil sie mit ihrer Vergangenheit abgeschlossen hat – ohne sie abzulegen. Und so wie Kehlbeck diese Erkenntnis erst einmal sacken lassen musste, muss das auch die ganze Stadt, vielleicht die ganze Region. „Die Leute hier waren immer stolz auf ihre Arbeit, auf den Bergbau. Auch weil er sichtbar war, obwohl er unter Tage stattfand“, sagt Kehlbeck. Das Neue müsse man eben jetzt auch sichtbar machen. Und neuen Stolz auf das Geschaffene anfachen.

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