Leadership & Karriere Bewerbungsgespräche in Zoom-Zeiten: Wie überzeugt man im Call?

Bewerbungsgespräche in Zoom-Zeiten: Wie überzeugt man im Call?

Teil II: Der Rhetoriker

Mit den Tipps der erfahrenen Personalfrauen fühle ich mich gleich besser gewappnet. Aber ich will mehr! Denn Adriaansen und Penkhues können schließlich nur das preisgeben, was ihnen selbst ins Auge fällt. Gibt es auch Tricks, die von der Gegenseite gar nicht wahrgenommen werden, aber gerade deswegen wertvolle Vorteile verschaffen? Wer das wissen will, muss Wladislaw Jachtchenko fragen. Er ist Redetrainer, beherrscht die dunkle und die helle Seite dieser unterschätzten Kunst. Der ausgebildete Jurist hat mittlerweile mehrere Bücher geschrieben, zuletzt eins zur „Weißen Rhetorik“, immerhin bis auf Platz 19 der Spiegel-Bestsellerliste gekommen. Fangen wir trotzdem mit drei Tipps von der dunklen Seite an – so nennt der Rhetoriker unsichtbare Techniken der Beeinflussung. Klingt gut – und Hauptsache, es hilft!

8. Der Halo-Effekt

Jachtchenko rät, eine besonders positive Eigenschaft in den Vordergrund zu spielen. „Halo“ ist das englische Wort für Heiligenschein. Der nach ihm benannte Effekt ist vor allem für das gute Aussehen erforscht: Wer attraktiv ist, wird auch in anderer Hinsicht als besonders kompetent eingeschätzt. „Bei einigen vielleicht eine unglaubliche Eloquenz, eine schöne Stimme. Was auch immer man als persönlichen Trumpf hat.“

Er empfiehlt aber nicht nur, äußere Eigenschaften als Vorteil herauszustellen. „Wenn du Marathon läufst, kannst du damit dein Durchhaltevermögen demonstrieren. Wichtig ist, den persönlichen Trumpf im Gespräch ins Zentrum zu stellen.“ Wenn es aber tatsächlich die eigene Schönheit sein soll, darf man ruhig zusätzlich nachhelfen, sagt der Experte. „In meinen Onlinekursen trage ich Make-up auf. Weil man dadurch noch mal etwas mehr von diesem Strahlen bekommt.“

9. Jargon ohne Pardon

Jachtchenko betont auch den Wert von Fachsprache. „In meinem eigenen Feld, der Rhetorik, gibt es zum Beispiel Begriffe wie Enthymem oder Zeugma, die normalerweise niemand kennt.“ Wer sich also in einem bestimmten Feld als Insider:in präsentieren möchte, sollte solche Vokabeln unaufdringlich einstreuen. Jachtchenko rät eher zu besonders schlau klingenden Ausdrücken als zu flapsigen Nerd-Witzen. Der Tipp des Rhetorikers: „Eine Liste mit zehn Fachwörtern vorbereiten und sie während des Gesprächs einfach mal droppen.“ Die Fachwörter natürlich, nicht die Liste. Die bleibt hinter der Kamera!

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10. Fasse dich kurz!

„Die dritte Strategie hat Donald Trump sehr, sehr gut beherrscht. Man kann viel über ihn schimpfen, aber er hat einfache, kurze Sätze benutzt und ist damit Präsident geworden“, sagt Jachtchenko. Lektion Nummer zehn ist deswegen: Je kürzer die Sätze, desto wahrhaftiger scheinen sie den Menschen. „Auf Englisch nennt man das Process Fluency.“ Aus den vielen Fachbegriffen gilt es also, kurze Sätze zu bauen. So klingt man gleichzeitig fachkundig und überzeugend. Gerade im Videocall. Dort entstehen Missverständnisse noch leichter. Also: Sorge für Eindeutigkeit! Das ist besser. Eine Übung dafür: Sprich in Drei-Wort-Sätzen! Ist nicht schwer. Mein ich ernst! Aber genug davon.

11. Sag „weil“, weil „weil“ gut klingt

Aber was empfiehlt Jachtchenko aus dem Bereich der offenen Redetechniken? „Bei der weißen Rhetorik geht es ums Überzeugen, nicht ums Manipulieren. Der erste Tipp ist, so häufig wie möglich das Wort ,weil‘ zu sagen.“ Weil Begründungen unsere Aussagen fundierter klingen lassen, selbst wenn sie nicht besonders gut sind. „Wenn ich eine Lücke im Lebenslauf habe, unbedingt mit einem ,weil‘ garnieren“, sagt Jachtchenko. „Das mag jeder Arbeitgeber gern.“ Also: „Ich hatte 2019 keinen festen Job, weil ich intensiv an einem Buchprojekt gearbeitet habe.“ Wenn darauf die Frage folgt, warum das Buch nie erschienen ist, sollte das „weil“ aber auch überzeugend sein. Weil man sonst beim Flunkern ertappt wurde. Weil man sich nicht gut vorbereitet hat.

12. Durchatmen lassen

„Es gibt antwortsüchtiges Zuhören“, sagt Jachtchenko. „Das heißt, ich warte beim Zuhören darauf, dass der andere durchatmet, damit ich schnell was sagen kann.“ Es komme extrem negativ an, wenn man dann reingrätscht. Stattdessen rät Jachtchenko zum „verstehenden Zuhören“. Also darauf zu achten, was dem Gegenüber gerade wichtig ist, was sie oder ihn wirklich interessiert. „Darauf kann ich dann adäquat reagieren.“ Der Videoanruf hat das Phänomen natürlich erst recht zur Plage werden lassen. Wer schon in einem gewöhnlichen Gespräch dazu neigt, anderen ins Wort zu fallen, wird per Zoom, Teams oder Meet erst recht Unheil anrichten. Verzögerungen in der Übertragung bieten reichlich Gelegenheit für ungefragte Einwürfe. „Am besten vor der Antwort einmal tief einatmen“, sagt Jachtchenko.

13. Stabile Struktur

Einfach mal draufloslabern, ganz ohne Ziel, Form und Plan? Keine gute Idee. Vor dem heimischen Rechner steigt man noch schneller aus als früher im Konfi. Umso wichtiger sind deshalb klar benannte Ziele und eine Struktur. Jachtchenko empfiehlt das besonders für die Vorstellung am Anfang des Gesprächs. „Ich kann zum Beispiel sagen: ,Vielen Dank für die Gelegenheit, mich vorzustellen. Ich möchte am Anfang auf meine drei letzten Studienstationen eingehen und Ihnen anschließend über meine letzten zwei Praktika berichten: Die haben mich letztlich auf die Idee gebracht, mich bei Ihnen zu bewerben.‘ Und dann denkt man: Wow, das ist aber ein ziemlich rationaler Mensch.“

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Auch wenn es sich ein wenig übertrieben anhört: Wenn man deutlich sagt, was man sagen wird, verleiht das dem Inhalt Struktur. Nicht umsonst werden viele Onlineartikel mit Headlines wie „Sieben Gründe, warum Zoom nervt“ aufbereitet. Menschen wollen wissen, was ihnen präsentiert wird. Die Struktur muss man sich vorher zurechtlegen, damit man einlösen kann, was man in Aussicht gestellt hat. Stellen Sie sich diesen Text mal ohne die vielen strukturierenden Zwischentitel vor! Eine echte Bleiwüste wäre das, wie man unter uns Journalist:innen sagt (siehe Lektion zehn). Es verhält sich also ganz so wie bei einem Hochhaus: Die Struktur muss stark genug sein, um den Rest des Gebäudes zu tragen.

14. Investiere in dich selbst

Aber jetzt haben wir bereits die oberste Etage erreicht, unsere letzte Lektion. Sie lautet: In Technik investieren. „Wenn ich ein externes Mikro oder Headset habe, werde ich besser gehört. Ein klarer Pluspunkt.“ Denn während man die Stimme schulen kann, kommt digital noch der technische Faktor hinzu. Die Stimme klingt im besten Fall so wie in einem professionell aufgezeichneten Podcast – und das geht nur mit einem vernünftigen Mikrofon. „Wenn ich Videos aufzeichne, dann habe ich Lampen von links und rechts. Damit es keine Schatten gibt“, sagt Jachtchenko und hat dabei tatsächlich keine dunkle Seite.

Vernünftige Mikros fangen bei etwa 50 Euro an. Das ist nicht viel Geld, gemessen daran, dass es davon abhängt, ob man zukünftig ein lohnendes Einkommen hat oder nicht. Eine bessere Kamera wäre natürlich auch nicht schlecht … Bleiben nur immer noch diese eigenwilligen Hände. Aber die kriegt man ohne weitere Kosten in den Griff: einfach draufsetzen.

Es ist wieder soweit: Unsere neue Ausgabe ist da. 172 druckfrische Seiten mit einer Menge Storys und Persönlichkeiten zum Dossier-Thema „Green“. Außerdem: Wie ein Podcaster eine eigene Pasta-Sorte schafft, wie ein Gründer:innen-Netzwerk in Südafrika Artenschutz vorantreibt und wie David Brunier die am schnellsten wachsende Kaffeekette der Welt baut. Ab zum Kiosk oder zum Aboshop.

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