Productivity & New Work So geht Meditation im Office: „Unser Geist ist ein Werkzeug“

So geht Meditation im Office: „Unser Geist ist ein Werkzeug“

Diese Übung lässt sich einfach in einen Tag integrieren. Beer empfiehlt, sich alle zwei Stunden fünf Minuten zu nehmen und vor dem Schreibtisch zu meditieren. „Das kannst du überall machen, außer beim Autofahren.“ Es kostet nicht mehr Zeit als eine Raucherpause. „Du hast Input, Output, Input, Output, und dann hältst du für einen kurzen Moment inne. Durch den bewussten Atem kann sich dein Nervensystem beruhigen und regulieren. Eine wahre Pause.“

Dass solche Pausen möglich sind, ist schon lange bekannt. Das Interesse an Meditation erlebte in den 70er-Jahren einen ersten Höhepunkt. Harvard-Professor Herbert Benson prägte damals den Begriff der „Relaxation Response“ – also der Entspannungsreaktion auf die Übungen. Er sah sie als das Gegenstück zu „Fight or Flight“, dem adrenalingesteuerten Umgang mit Gefahren. Genau dieser Kampfmodus war es, der gerade im Berufsleben als Normalzustand galt.

Prinzip Zinseszins

Solche meditativen Minutenpausen in den Alltag zu integrieren ist ein erster Schritt. „Je mehr wir praktizieren, desto tiefer kommen wir in diesen Entspannungszustand. Dann aktiviert sich das auch in unserem Alltag, und wir können in einem Meeting entspannen.“ Das klingt verlockend. Für die Möglichkeit, in langweiligen Besprechungen in eine Art virtuellen Strandurlaub zu fliehen, dabei dann auch noch konzentriert auszusehen, dafür würde ich viel geben.

Beer berichtet, dass er es mittlerweile sogar in Vorträgen mit Tausenden von Onlinezuschauer:innen schafft, seinen Atem zu verlangsamen und sich zu entspannen. An diesen Punkt zu kommen ist mit Fünf-Minuten-Übungen schwierig. Sie sind für Beer wie das Aufladen eines Akkus. „Längere Retreats sind gleichzeitig eine Inspektion. Ein Reinigungsprozess unserer Psyche.“ Er berichtet, dass er dabei mit emotionalem Ballast aufräumen konnte. Denn am Ende ist Meditation eben das Gegenteil von übernatürlich: Der Mensch lernt sich einfach besser kennen.

Es sind ganz unterschiedliche Bilder, die man bei der Meditation im eigenen Kopf projiziert. Bei mir ist es ein japanischer Garten. Frische Luft, plätscherndes Wasser, Stille. Aus irgendwelchen Gründen spuken mir immer die Worte „Urlaub fürs Gehirn“ durch den Kopf. Und so gut sich das auch anfühlt, macht es mir etwas Sorgen. Ist es nicht gefährlich, sein Gehirn in eine Art Standby-Modus zu schalten? Für die Arbeit brauche ich es schließlich noch.

Peter Beer beschwichtigt. Meditation heiße nicht, dass man die eigenen Gedanken ignoriert. „Unser Geist ist ein Werkzeug, das wir nutzen lernen können. Er kann Wunderwerke vollbringen. Aber er kann auf der anderen Seite selbstzerstörerisch wirken.“ Er ist schließlich geprägt von unseren Erfahrungen, von unserer Umgebung. Ständig entstehen daraus „Gedankenangebote“, wie Beer sie nennt.

Denn er findet: Man kann den Gedanken annehmen und etwas daraus machen. Oder man lässt ihn einfach wieder wegziehen. Der eine fiese Lehrer aus der Schule fällt dir immer dann ein, wenn du gerade unter Druck bist? Wenn es nach Beer geht, kann man sich davor schützen, sich davon verfolgen und kleinmachen zu lassen.

Radikale Toleranz

Nach der Übung fühle ich mich regeneriert. Es ist ein sanfter Effekt, trotzdem deutlich zu spüren. Ein wenig wie nach einem Spaziergang, bei dem man sich der Schönheit des Waldes bewusst wird. Oder wie im Urlaub, wenn man eine versteckte Bucht findet und der Eindruck einen alles andere kurz vergessen lässt. Kurz gesagt: ein Moment, in dem man komplett fokussiert ist. Ich erzähle Beer davon. Er hat eine Erklärung für das Gefühl.

„In der Natur schaffen wir es unbewusst, diesen Moment einfach so sein zu lassen. Der Wald, die Vögel, der Wind. Das ist im Alltag oft anders. Da haben wir eine Vorstellung, wie die Dinge sein sollten, und da ist die Welt, wie sie tatsächlich ist. Das erzeugt eine Diskrepanz, einen Druck in uns.“ Wir sind ständig damit beschäftigt, diese Lücke zwischen Wahrheit und Vorstellung zu verkleinern. Mit dem Ergebnis, dass wir uns unzufrieden fühlen und nie zur Ruhe kommen.

Anschließend versuche ich, in meinen Arbeitstagen immer wieder die Fünf-Minuten-Meditation einzubauen. Es gelingt mir nicht oft. Auch weil ich es einfach vergesse. Wenn ich doch daran denke, frage ich mich manchmal, ob ich alles richtig mache. Denn nicht immer schaffe ich es, mich zu entspannen.

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