Productivity & New Work Frolleg:innen? So sinnvoll sind Arbeitsfreundschaften

Frolleg:innen? So sinnvoll sind Arbeitsfreundschaften

Und das ist laut der Soziologin King das Entscheidende: Wertvoll sind die „real friends“. Die Vorteile, die sie in freundschaftlichen Beziehungen von Menschen in Arbeitsumfeldern beobachtet hat, sind nicht abhängig von der Menge der Arbeitsfreund:innen, sondern von der Tiefe und Echtheit der Freundschaft. Sicherlich, so die Professorin, tut es ganz gut, viele positive Interaktionen mit Leuten zu haben, die man zufällig am Wasserspender trifft.

Es geht um „real friends“

Ein bis zwei „feste“ Arbeitsfreundschaften aber tragen maßgeblich zu einer höheren Jobzufriedenheit bei, sorgen für mehr Motivation und Engagement für die vorhandene Aufgabe und Loyalität zum Job. Das wirkt sich schnell auf ganze Teams und Unternehmen aus: Die Arbeitsatmosphäre ist besser, wo mehr Mitarbeiter:innen untereinander befreundet sind.

Das dient auch der Kreativität, denn in dieser Atmosphäre fühlen alle sich weniger gehemmt, auch mal wilde Ideen aus- und zu besprechen. Menschen mit mindestens einem „real friend“ auf Arbeit sind sogar produktiver und leistungsstärker, effizienter, kündigen weniger wahrscheinlich und sind sogar seltener in Arbeitsunfälle verwickelt, beobachtet King.

Doch hier kommt das dicke Aber: Freundschaften im Berufsumfeld können auch Komplikationen aufwerfen, verzwickte, (zwischen-)menschliche Sachen. Erstens: Genauso wie Freundschaften im Büro produktiv machen und motivieren können, weil man ihretwegen jeden Morgen gern dorthin geht, können sie auch Energie verschwenden.

Drei-Stunden-Work-Lunches dürfen nicht drin sein, und emotionaler Stress etwa beim Quatsch mit den Büro-Buddy kann von der Arbeit arg ablenken. Und im Übrigen nerven zu enge Freundschaften schnell die übrigen Kolleg:innen (Stichwörter Neid und Eifersucht). Ist eben alles auch nicht groß anders als früher in der Schule.

Achtung vor Hierarchiestufen

Ungut sind auch Arbeitsfreundschaften über Hierarchieebenen hinweg. Wer will sich schon von einer Freundin herumbossen lassen? Das Ding ist, solche Ebenen können ja auch erst entstehen, wenn man bereits befreundet ist und dann eine:r von beiden befördert wird. Keine leichte Angelegenheit. Wobei intrahierarchische Jobfreundschaften auch von einem der beiden strategisch geplant sein können.

Evil, kommt aber vor: Freundschaften, von denen man sich beruflich etwas erwartet. Das kann eine Variante des Stockholm-Syndroms sein: Lieber mal mit dem cholerischen Teamleiter verbünden. Oder aber es ist ein bewusster oder unbewusster Schachzug, um karrieremäßig schneller voranzukommen.

Genauso blöd ist es, wenn zwischen Arbeitsfreunden – sei es durch bestimmte Projekte oder Jobkonstellationen – Konkurrenz entsteht.

„Empfehlungsrecruiting“, also wenn man einen echten Freund zu sich ins Unternehmen holt, kann ebenfalls in die Hose gehen. Wenn nämlich Job oder Besetzung dann doch nicht so passen, bringt das mindestens einen der Freund:innen, vielleicht sogar beide in die Bredouille. Marissa King ist da recht klar: „Es gibt Situationen, da ist man dann gezwungen, die Wahl zu treffen: Bin ich dieser Person gegenüber loyal – oder meiner Arbeit?“

Beachte das Work-Life-Blending

Tatsächlich ist es für die mentale Gesundheit wichtig, Job mal Job und Schnaps mal Schnaps sein zu lassen. Auch mal gedanklich ganz weit weg zu sein vom Hamsterrad. Wenn man nun allerdings den Schnaps mit dem Frollegen trinkt, kreisen Gespräche und Gedanken automatisch schnell wieder um – genau – den Job.

Das nennt man dann Work-Life-Blending: die schlechtere Schwester der guten und wichtigen Work-Life-Balance. Manche Psycholog:innen warnen deshalb davor, alte und außerberufliche Freundschaften zugunsten von Work-Relationships zu vernachlässigen.

Ein interessanter Fakt noch dazu: Forscher:innen haben beobachtet, dass Frauen besser darin sind, das Gleichgewicht zu halten. Sie trennen private und Arbeitsfreundschaften strikter voneinander. „Das hat allerdings den Nachteil, dass Frauen in der Folge doppelt so hart an ihrem beruflichen Netzwerk arbeiten müssen wie Männer, weil sie eben nicht zugleich arbeiten und miteinander abhängen“, sagt Marissa King.

Nicht entmutigen lassen

Auch eine Überraschung: Dass Männer offenbar das auf mehr soziale Verknüpfungen und engere Bindungen gepolte Geschlecht sein könnten, wer hätte das gedacht? Es gibt aber auch ein Wort, das die Kehrseite davon ziemlich gut auf den Punkt bringt: Männerbünde. Unzerstörbare Zweckfreundschaften, Läster- und Moballianzen am Arbeitsplatz. Wobei auch das nicht immer gut gehen muss – kennt noch jemand den sogenannten „Andenpakt“ der CDU? (Den kann man ruhig mal googeln.)

Und so ist es am Ende eben vor allem das: kompliziert. So wie immer und überall da, wo es menschelt. Sollte uns aber nicht entmutigen: Handy lautlos, Geschirrspüler einräumen, never fuck but always be friendly. Eben fast so, als lägen einem die Kolleg:innen am Herzen – wie Freund:innen.

Dies ist ein Text aus unserer Ausgabe 1/2022: In unserem Dossier beschäftigen wir uns mit dem Comeback des luxuriösen Lifestyles: reisen, speisen, residieren. Wir haben außerdem die Königsklasse der Fin-Meme-Bubble Papas Kreditkarte und Hedgefonds Henning zum Doppelinterview getroffen. Und mit Sony Musics GSA-CEO über seine Wurzeln gesprochen, über Dante Alighieri und darüber was ein Plattenlabel ausmacht, wenn es gar keine Platten mehr gibt. Hier gibt es das Magazin zum Bestellen.

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