Personal Finance „Coinbase ist das neue Goldman Sachs“: Techjournalist Jeff John Roberts im Interview

„Coinbase ist das neue Goldman Sachs“: Techjournalist Jeff John Roberts im Interview

Nicht ganz konsequent, ja.

Es gab schon immer eine Art grundlegende Spannung im Herzen der Kryptoszene. Wenn an der Wall Street jemand extrem reich wird, sagt er: Ich werde extrem reich. Wenn jemand im Silicon Valley extrem reich wird, sagt er: Ich verändere die Welt zum Guten. Ich würde sagen: Ja, die Technologie verändert die Welt. Aber ich bin nicht überzeugt, dass Bitcoin den armen, entrechteten Menschen hilft, wie es Kryptoleute wie Brian Armstrong gerne behaupten.

Der Erfolg von Bitcoin im Mainstream hat viel damit zu tun, dass es eben nicht mehr das komplizierte Geflecht aus Wallets und Codes ist, als das es begann. Hat die Kryptoszene letztlich auf so was wie Coinbase gewartet?

Ja, vollkommen. Der Witz ist: Krypto ist eine Mainstream-Technologie, die eine Subkultur sein will. Und Krypto ist zu einer Frage der Identität geworden, fast wie Sneaker. Beides hat die anfängliche Feindseligkeit gegenüber Coinbase befeuert. Die Szene ist sehr tribalistisch. Um zu zeigen, dass man zur In-Group gehört, musste man lange speziellen Slang sprechen und archaische, unnötig schwierige Technologie verwenden. Aber ich für meinen Teil habe überhaupt keinen Spaß am Programmieren, ich möchte einfach, dass so etwas wie Bitcoin funktioniert. Ich glaube, dass Bitcoin ohne Coinbase einfach nur eine seltsame Subkultur geblieben wäre.

Trotzdem ist es vielen wichtig, dass Kryptowährungen diffus „gegen den Staat“ sind.

Das ist ein bisschen so, als würden die Leute Green Day oder Blink 182 mögen, weil die so Punk sind. Absurd. Das sind einfach Corporate Rockbands. Aber ich glaube, dass ein Teil des Erfolgs der Kryptowährungen daher kommt, dass man sich wie ein Rebell fühlen kann.

Der Witz ist ja, dass Coinbase ein stabilisierender Faktor für Bitcoin geworden ist – weil es kein Spiel von Punks mehr ist, weil durch Coinbase so viele Leute mitmachen und weil Coinbase selbst ein so großes Unternehmen ist. Stabilisiert Coinbase damit die ganze Kryptoszene?

Ja, kann man sagen. Ich denke, je länger Bitcoin existiert, je mehr Leute Kryptowährungen besitzen, desto mehr werden sie zu einem Konsens im Internet. Ich denke, die Technologie ist zu grundlegend und wichtig, als dass sie jemals verschwinden wird.

Was erwarten Sie von Coinbase in Zukunft?

Im Silicon Valley heißt es immer wieder: Du fängst als kratzbürstiges Startup an, du willst die Dickschiffe disrupten, und dann wirst du selber zu diesem Dickschiff. Die Pointe ist also: Coinbase wird zu dem werden, was es eigentlich bekämpfen wollte. Da wir in Amerika sind, bestimmen Lobbyarbeit und Geld sehr, was man tut: Du kämpfst gegen die Regulierungsbehörden und versuchst, nicht von ihnen zermahlen zu werden – und dann bringst du sie dazu, dich zu mögen. Und sobald man dann im Zirkus drin ist, bezahlt man die Aufsichtsbehörden und die Lobbyisten, um potenzielle Konkurrenten zu bekämpfen. Und dann bist du der neue Kalif anstelle des alten Kalifen.

Was heißt das konkret?

Faktisch wird Coinbase einfach das neue Goldman Sachs. Das hat schon eine gewisse Ironie, aber das ist eben der Kreislauf der amerikanischen Wirtschaft. Du gehst los, um ein Monopol zu zerstören … und dann wirst du der neue Monopolist. Amazon, Google, das ist einfach der Lebenszyklus von Unternehmen. Schauen Sie sich Google jetzt an, es ist nicht anders als Exxon, Boeing oder jedes andere große, reiche Unternehmen.

Weiß Brian Armstrong, dass er das nächste Goldman Sachs leitet?

Coinbase ist immer noch ein gründergeführtes Unternehmen, und Brian Armstrong hält sich immer noch für eine Art Visionär. Wenn Sie ihn fragen würden, ob Coinbase tatsächlich eine große Bank wird, würde er sagen: Niemals! Sein Selbstbild ist, dass er die Bankingbranche disruptet hat. Doch wenn man es von außen betrachtet? Ihr habt ein großes Lobbying-Budget, ihr arbeitet jetzt mit der staatlichen Steuerbehörde zusammen, und ihr dürft Bankkonten anbieten. Brian Armstrong mag sich weigern, es zuzugeben, aber aus der Ferne betrachtet ist ganz klar: Natürlich ist Coinbase eine fucking Bank!


Das ist ein Text aus unserer Ausgabe 2/22. Außerdem zu lesen: Krypto-Art-Dossier. Big-Wave-Surfen in Portugal. Der CEO der Online-Uni Coursera. Und Cannabis aus Sachsen. Am Kiosk oder hier.

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