Ablage Die Green-Transformation der Wirtschaft: „Es geht darum, die Welt zu verbessern“

Die Green-Transformation der Wirtschaft: „Es geht darum, die Welt zu verbessern“

In seinem neuen Buch „Das grüne Jahrzehnt“ beschäftigt sich „Capital“-Chefredakteur Horst von Buttlar mit der Green-Transformation der hiesigen Wirtschaft.

Herr von Buttlar, was zeichnet das „grüne Jahrzehnt“, das Sie in Ihrem Buch beschreiben, in der jungen Wirtschaft aus?

Für die junge Generation bedeutet es Aufbruch und Chancen – endlich passiert etwas. Sie wollen dabei sein, mitgestalten, unsere Wirtschaft umbauen. Wir erleben seit einigen Jahren eine grüne Gründerzeit!

Bei Startups wird ganz ohne Nachhaltigkeitsgedanken eigentlich gar nicht mehr gegründet. 

Ja, aber auch die wollen Geld verdienen. Trotzdem ist der nächste Lieferdienst nicht mehr unbedingt der heiße Scheiß. Ich glaube ja, dass Gorillas schon ein Anachronismus ist. Es geht nicht mehr darum, die Welt zu erobern, es geht vielen darum, die Welt zu verändern und zu verbessern.

Wie sehen dagegen in der etablierten Wirtschaft die großen Transformationsprozesse aus? 

Auch Konzernen wie BASF, Volkswagen und Thyssenkrupp ist bewusst, dass sie etwas tun müssen. Und sie tun schon was. Nachhaltigkeit ist Teil der Strategie – die Zeit der Blühwiesen ist vorbei. Martina Merz, die Chefin von Thyssenkrupp, hat mir gesagt: „Jeder Mitarbeiter will eine Zukunft – und das ist vor allem eine grüne Zukunft.“ Viele Menschen wollen nicht für ein „schmutziges“ Unternehmen arbeiten. Vor allem junge Mitarbeiter fragen danach, Kunden und Investoren sowieso. Menschen, die in der Stahl-, Chemie- und Zementbranche arbeiten, wollen wissen, dass im eigenen Unternehmen etwas passiert.

„Capital“-Chefredakteur Horst von Buttlar

Sie beschreiben, dass Europa führend im Bereich grüner Gründungen ist. Woran liegt das? 

Absolut gesehen fließt immer noch am meisten Geld in den USA. Aber Europa holt stark auf. Immer mehr Kapitalgeber und Investoren schauen sich Startups auf unserem Kontinent an. Hier entsteht gerade ein vernetztes Ökosystem, wo die neuen Technologien erforscht und erprobt werden. Und deswegen kommen immer mehr namhafte Investoren nach Europa – nicht nur Bill Gates. Die Zentren sind London, Paris, Stockholm – aber auch Berlin. 

Europa hat nun die Chance, diese Technologien zu prägen?

Es geht nicht um das nächste Facebook oder Google, sondern um innovative Technologien, die man im Kampf gegen Klimawandel nutzen kann. Manches muss optimiert und hochgefahren werden, etwa die Batterieproduktion. Da ist Northvolt ein wichtiger europäischer Player, der in Rekordzeiten Fabriken hochzieht. Oder es geht um bahnbrechende Verfahren wie „Direct Air Capture“, bei dem CO₂ aus der Luft gewaschen wird. Hier ist das Schweizer Unternehmen Climeworks führend. Allein beim Thema Ladesäulen tummeln sich Dutzende Firmen – etwa Ubitricity, die Straßenlaternen umrüsten. Die Amerikaner, wo Klimawandel leider Teil eines Kulturkampfes ist, legen aber den Schalter um. Und dann geht es dort schnell. 

Wenn China nicht mitzieht, nützt aber alles nichts.

Das stimmt, China ist und bleibt der größte Emittent. Die Chinesen haben zwei Gesichter – sie bauen immer noch neue Kohlekraftwerke. Aber auch der Markt für E-Autos und erneuerbare Energien entwickelt sich dort schnell. Die halten sich halt alles ein bisschen offen – aber sie tun etwas, wenn es ihnen nützt.

Sie beschreiben, dass in Deutschland Konzerne Mauern nach außen einreißen, um miteinander große Projekte einzugehen. Findet ein Umdenken statt?

Viele Unternehmen merken, dass sie diese Transformation nicht allein schaffen. Deswegen bilden sich branchenübergreifende Allianzen und neue Cluster. Es gab immer Kooperationen zwischen Unternehmen. Aber mittlerweile tun sich etwa Industriekonzerne mit Energiefirmen zusammen und sichern sich Energie oder bauen gemeinsame Windparks auf. Am besten hat man noch ein Startup dabei. Es bilden sich Allianzen oder Überkreuzbeteiligungen. Wenn man sich anschaut, wer alles hinter Northvolt steht: Der Spotify-Gründer, die Ikea-Stiftung, Pensionsfonds, Autohersteller und Goldman Sachs – alle haben investiert. Einige sichern sich Aufträge für die Zukunft. Andere kaufen Anteile. Bei vielen ist die Erkenntnis da: Alleine schaffen wir das nicht, wir müssen uns verbünden und brauchen einfach das Wissen aus verschiedenen Branchen.

Einer Ihrer Gesprächspartner spricht von „Menschheitsaufgabe“. 

Natürlich ist sehr viel Pathos dabei, auch ein bisschen zu viel Weltuntergangsgeschrei. Wir haben jetzt sehr viele Ereignisse, die als epochale Aufgaben beschrieben wurden – mal war es das Thema Migration, dann die Pandemie, nun der „neue Kalte Krieg“. Der Klimawandel aber bleibt als Megatrend, auch wenn der Krieg uns gerade wieder ablenkt und zu viele Ressourcen bindet und Leben kostet. Der Umbau Richtung Klimaneutralität, bei dem die Wirtschaft ja quasi ein neues Betriebssystem bekommt, ist dennoch einzigartig: Denn theoretisch muss die ganze Menschheit mitziehen und auf ein Ziel eingeschworen werden. Das ist ein bisschen wie das Projekt „Lightspeed“ von Biontech. Aber hier reden wir über einen Zeitraum bis 2050. Und ich skizziere nur das Jahrzehnt bis 2030! 2050 klingt nach Science-Fiction aus Hollywood. 

Horst von Buttlar: „Das grüne Jahrzehnt“. Penguin Random House*, 336 S., 25 Euro, erscheint 28.9.2022

*Transparenzhinweis: Der Verlag Penguin Random House gehört wie auch Business Punk zur Bertelsmann SE. 

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