Female Entrepreneurship Florence Given: „Wir Frauen haben das Gefühl, dass nicht genug Platz für uns ist“

Florence Given: „Wir Frauen haben das Gefühl, dass nicht genug Platz für uns ist“

Florence Given ist Podcasterin, Künstlerin und Sunday-Bestseller-Buchautorin. In ihrem Buch „Women Don’t Owe You Pretty“, zu deutsch „Frauen schulden dir gar nichts“ spricht sie über Frauen-Empowerment, Selbstliebe und Rivalität unter Frauen. Wir haben mit ihr per Zoom über Feminimus am Arbeitsplatz gesprochen.

Mit bunten Farben und leicht verständlicher Sprache lädt Florence Given in das durchaus komplexe Thema Feminismus ein. Dabei holt sie die Leser:innen an verschiedenen Stellen ab, ohne die Ernsthaftigkeit aus den Augen zu verlieren. Die britische Autorin hat über 600.000 Follower:innen auf Instagram und teilt dort Einblicke in ihr Leben und ihre Gedanken.

Was würdest du Feminist:innen raten, die problematische Statements in ihrem Job-Umfeld wahrnehmen?

Suche dir Verbündete im eigenen Team, die dich verstehen. Das Leben kann sehr vielschichtig sein und in solchen Situationen verstehe ich, dass man nicht immer den Mund aufmachen kann, weil es Angst macht und man geächtet werden könnte. Manche Menschen könnten auch den eigenen Job verlieren, wenn sie etwas sagen.

Illustration: © Florence Given

Was empfiehlst du, wenn sich Menschen nicht trauen etwas gegen Sexismus am Arbeitsplatz zu sagen?

Mach dich nicht fertig deswegen. Wenn du nichts sagst, kannst du es als Gelegenheit nutzen, darüber nachzudenken, was du in Zukunft besser machen könntest.

Nicht jede Person hat die Zeit und die Ressourcen sich mit dem Thema Feminismus ausseinanderzusetzen. Wie holst du diese Menschen ab?

Das stimmt. Nicht jede Person hat Zeit sich stundenlang mit feministischer Theorie ausseinanderzusetzen, aber mein Buch ist wie eine Art Zuckerperle, die nicht so schwer zu verdauen ist. Ich möchte, dass Frauen, die es zufällig sehen, es in die Hand nehmen und nicht eingeschüchtert sind. Ich glaube, wenn wir selbst in der Lage sind diese Themen zu verstehen, können wir sie auch erklären. Am Ende ist es egal wie du es lernst, Hauptsache du lernst es.

Feminusmus kann auch schnell überfordern. Ist denn überhaupt Raum für Fehler?

Wir haben so etwas wie erlernte Verhaltensweisen in unserem Gehirn: Es wird also eine Weile dauern diese zu ändern.

Wie gehst du mit Gefühlen von Überforderung und Überwältigung um, wenn deine Grenzen nicht respektiert werden?

Ich atme immer erst einmal durch, bevor ich auf Dinge reagiere, die mich emotional belasten, damit ich mich von meiner besten Seite zeigen kann und nicht von meiner reaktiven. Wenn ich in einer Situation bin, in der ich mich unwohl fühle, berufe ich mich auf meine innere Checkliste und mein Wertesystem. Hat das Geschehene mit mir zu tun oder geht es eigentlich um die andere Person? Projeziere ich meine eigenen Unsicherheiten auf die Situation? Wenn du dein eigenes Wertesytem hast, wird dir die Antwort leichter fallen. Es ist nicht einfach, weil man eine Art mentale Rechnung über die Folgen macht. Wir lernen, dass es manchmal einfacher ist, zu Schweigen und Zuzustimmen oder etwas zu Tun auf das wir keine Lust haben, weil wir uns nicht mit dem Gedanken anfreunden können, dass jemand etwas Negatives über uns sagt oder denkt.

Illustration: © Florence Given

Wenn wir über Frauen in Machtpositionen und Führungspositionen sprechen, sprechen wir auch über viele Stereotype. Sie seien “karrieregeil”, schlechte Mütter oder müssen sich früher oder später für oder gegen ein Leben als Hausfrau entscheiden. Wie können wir mehr akzeptieren, wenn Frauen Grenzen setzen im Job?

Wenn wir Grenzen setzen, müssen wir auch akzeptieren, wenn unser Gegenüber sie auch für sich beansprucht. Vielleicht fühlst du dich zurückgewiesen, weil deine Kollegin keine Zeit hat, ein anderes Mal bist du vielleicht neidisch auf ihren Erfolg – egal was es ist. Jedes Mal, wenn das hochkommt, es deinen Körper füllt und du überfordert bist, dann sage ich laut: Gut für sie. Ich sage das jedes Mal. Wenn ich von einer anderen Frau höre, die das beste Sexleben, eine unglaubliche Karriere und all das hat, sage ich laut: Wie gut für sie, wow! So werden andere Frauen zur Inspiration.

Woher kommen diese negative Gefühlen gegenüber Frauen?

Wir Frauen haben das Gefühl, dass nicht genug Platz für uns ist. Männer haben ein viel größeres Bewusstsein, dass reichlich Platz ist. Sie helfen sich, öffnen Türen für einander, machen Platz. Als Frauen sehen wir, dass vielleicht nur Platz für zwei ist und das ist der Punkt an dem es hässlich werden kann. Also werden wir genau zu dem Stereotyp, den wir vermeiden wollen. Das hilft dem Ganzen nicht. Ich habe für mich gelernt, bei jedem Schritt den ich mache, eine andere Person mit hochzuziehen. Früher habe ich Künstler:innen auf Instagram geteilt und heute lade ich Menschen in meinen Podcast ein, um diese erstaunlichen Gäst:innen zu präsentieren und menschliche Gespräche über vielschichtige Themen zu führen.

Wieso hast du „Frauen schulden dir gar nichts“ geschrieben?

Mit 18 habe ich angefangen meine Illustrationen auf Instagram zu veröffentlichen und gemerkt, dass ich positives Feedback für meine politischen Inhalte bekommen habe. Ich liebe es zu sehen, wie Menschen die richtigen Worte finden, um sich auszudrücken. Mit dem Schreiben schaffe ich es Menschen durch meine Brille schauen zu lassen. Ich glaube eine jüngere Version meiner selbst hätte dieses Buch gebrauchen können.

© KiWi Verlag

Was wünscht du dir für zukünftige Feminist:innen?

Dass wir nicht so verdammt viel Zeit mit diesem sexistischen Mist verschwenden und wir einfach arbeiten können, Kinder bekommen, Sex haben oder uns verlieben.

Ich möchte Frauen glücklich sehen und das ist Teil meines Aktivismus. Ich möchte den Leuten zeigen, dass man etwas über die Welt wissen kann, etwas dagegen tun kann und trotzdem noch Zeit für Freund:innen finden kann. Es gibt das Klischee, Feminist:innen seien ständig wütend und ein Zustand der Wut ist kein Zeichen von moralischer Überlegenheit. Es ist nur ein Zeichen dafür, dass man auf Dinge reagiert.

Illustration: © Florence Given

Wenn es eine Sache gibt, die Leser:innen aus deinem Buch lernen sollen, was wäre es?

Lebe nicht nach irgendeiner Ideologie. Lies mein Buch, wenn du möchtest und nimm daraus mit, was für dich passt, und ich hoffe danach fühlst du dich richtig empowered. Wende es auf dein eigenes Leben an, höre auf deine eigene Stimme und vertraue auf dein Bauchgefühl. Aber wenn dir etwas nicht zusagt, was eine Fremde am anderen Ende Europas gesagt hat, dann ist das okay.

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