Life & Style Warum sich Joachim Bosse aus der Werbung zurückzieht und lieber Kunst macht

Warum sich Joachim Bosse aus der Werbung zurückzieht und lieber Kunst macht

Einer der radikalsten Denker und Macher der Werbung zieht sich zurück: Ex-DOJO-Kreativchef Joachim Bosse macht jetzt nur noch Kunst und forscht in seinem Kulturlabor Copyshop nach Antworten auf Fragen, die bislang keiner gestellt hat:

Hier können wir es ja jetzt endlich verratenJoachim Bosse ist kein richtiger Mensch, sondern ein Wesen, das man aus 100 Prozent gleißender Begeisterung geschaffen hat, um die Menschheit glücklich zu machen. Falsch? Klingt übertrieben? Zu sehr nach Werbung? Mag sein – stimmt aber eben doch ein bisschen.

Denn Bosse und Mitgründer Dominic Czaja haben mit DOJO in den letzten 15 Jahren die Werbewelt verändert. Das Unternehmen ist dabei in immer neue Bereiche vorgedrungen, hat schon früh nebenbei karitative Projekte unterstützt und eigene Lifestylemarken hervorgebracht, lange bevor andere auf die Idee kamen. Es mag daraus keine Omnicom Media Group erwachsen sein. Was aber auch so gewollt ist: DOJO hat der Werbung neuen Spaß und jungen Talenten eine Bühne gegeben. Bosse und Czaja haben vor allem junge Kreative für Werbung begeistern und ranholen können, deren Einfluss mittlerweile bei anderen Agenturen spürbar ist. Wer den beruflichen Startschuss bei DOJO erlebte, hat einen besonderen Spirit aufgesogen: Alles geht. Alles ist denkbar. Aber sei konsequent.

Für Bosse ist der Weg in der Werbung nun zu Ende. Er hört auf, um als Künstler zu wirken. Bereits mit Erfolg: So kaufte Sammler Christian Boros eines seiner Werke. Letztes Jahr fand die Ausstellung „Geld“ in Frankfurt statt, dieses Jahr in Hamburg die Ausstellung seiner „Selected Frames“. Für uns die beste Gelegenheit, noch einmal Bosses Überzeugungen zu beleuchten, die jahrelang die Agentur geprägt haben. Außerdem die Gründe zu erfahren, die hinter dem Abschied aus der Werbung stehen. Und da nur wenig so viel Spaß macht, wie dem Ex-Kreativchef zuzuhören, erteilen wir ihm hier selber das Wort:

I. Die Werbung an sich

Joachim Bosse: „Ich glaube: Der einfachste Weg für junge, kreative Menschen, einen Container zu finden, in dem sie rumspringen, sich danebenbenehmen und die Grenzen erweitern können, ist die Werbung.

Der Bedarf nach kreativen Lösungen ist erst mal da. Es gibt einen Auftraggeber. Und dann kannst du entscheiden, je nach deiner Persönlichkeit. Wie sehr kannst du rebellieren in diesem festgesetzten Container?

Ich liebe die Werbung und habe die Werbung geliebt, vor allen Dingen natürlich als kulturbildendes Instrument. Ich glaube aber, die Ära der großen Verführer scheint dem Ende zuzugehen. Die Zeit von Werbung als gesellschaftsprägendem Kulturträger schwindet leider immer mehr dahin.

„Den Begriff Creator:in sehe ich deshalb eher als süßen Euphemismus für das Verwenden von Filtern und Face Masks“

Joachim Bosse

In einer Zeit von Technologisierung, Targeting und TikTok wird es neue Arten der Kulturbildung geben müssen, um Grenzen zu verschieben, Horizonte zu erweitern und der Welt etwas zurückzugeben. Den Rest erledigt dann Perfomance-Marketing. Es geht heute weniger darum, Leute zu verführen und einzuladen – sondern immer mehr darum zu bedienen. Formate, Plattformen, schnelllebigere Trends und gesetzte Erwartungen.

Während früher junge Menschen selber eher etwas Kreatives erschaffen und Musiker:innen Schauspieler:innen oder Künstler:innen werden wollten, ist heute der große Traum oft, Influencer:in zu sein und auf TikTok zu tanzen. Es genügt, als Markenbotschafter:in und austauschbares Werbegesicht kompatibel zu sein, um sich validiert zu fühlen. Keep it reel statt keep it real. Etwas zu machen, nur weil es funktioniert, ist für mich der Inbegriff eines niederen Kapitalismus. Das Gegenteil von Kreation. Den Begriff Creator:in sehe ich deshalb eher als süßen Euphemismus für das Verwenden von Filtern und Face Masks. Wer weiß: Am Ende hat vielleicht Verona Pooth gegen die Rolling Stones gewonnen?

Ich glaube aber an die Kraft der jungen Kreativen, hier ein entsprechendes Korrektiv einzuleiten. Mit der gleichen Euphorie und dem Spieltrieb, den ich in dieser Branche früher hatte. Denn das Schöne an Systemen und Regeln wird immer die Möglichkeit sein, diese zu brechen. Ich freue mich zu sehen, wie die nächste Generation ihren Einfluß wirken lässt und das Gesetzte über den Platz treibt.

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