Innovation & Future Kernfusion: Was bedeutet der Durchbruch aus den USA?

Kernfusion: Was bedeutet der Durchbruch aus den USA?

Die erstaunliche Maschine in Greifswald sieht von außen aus wie ein Nest aus Rohren und Kabeln. Bauarbeiter steigen durch das Geflecht wie in einem Wimmelbild. Das Forscher:innenteam hat herausgefunden, dass eine besondere Art von Graphitkacheln sich besonders gut eignet, um die donutförmige Form auszukleiden. Schon der Kontakt mit den Wänden würde das Plasma abkühlen. Starke Magneten halten es deshalb von den Wänden fern. Wie verformte Ringe umgeben sie den Donut-Kanal. Stellarator heißt diese Bauform, ein kleiner Stern im Labor. Wenn alles gut geht, wird Klinger hier mit dem mehrere Hundert Köpfe starken Team ergründen, wie man mit Kernfusion ein Kraftwerk betreiben kann. Aber selbst Strom erzeugen wird der Wendelstein 7-X nie. Er ist ein wissenschaftliches Experiment. Sein Ziel: Erkenntnisse, nicht Energie.

Heike Freund geht das anders an. Ihr Unternehmen mit dem klingenden Namen Marvel Fusion hat ein Ziel, das sie selbst als hoch ambitioniert bezeichnet. „Wir wollen bis 2030 kommerzielle Fusionskraftwerke anbieten.“ Neun Jahre, um etwas zu schaffen, von dem die klügsten Köpfe an den Universitäten seit Jahrzehnten träumen. Doch viele sind mit Zeitvorgaben vorsichtig geworden. Auch Klinger, der Greifswalder Professor. Er findet, dass die Fusion schon viel zu oft als Deus ex Machina herhalten musste – und dann eben nicht kam. „Man wollte positive Geschichten hören, und die Mahner sind dabei eher unbeachtet geblieben.“ Aber auch er sagt: „Nicht die Flinte ins Korn werfen, sobald sich etwas als schwierig erweist. So hat die Menschheit noch nie Fortschritte gemacht.“

Es gibt da diesen Spruch unter Eingeweihten: Es sind immer noch 30 Jahre, bis die Kernfusion praktisch einsetzbar ist. Ein paradiesischer Zustand. Das Problem ist nur: Das mit den 30 Jahren wurde nie eingelöst. Bis heute gibt es keinen einsatzfähigen Reaktor, nirgends auf der Welt. Und doch ändert sich etwas: Investitionen in Fusionsenergie heben ab. So haben Bill Gates und Jeff Bezos riesige Summen in Fusionsfirmen gesteckt.

Für Marvel Fusion und HB11 soll ein neuer Ansatz den entscheidenden Unterschied machen: Laser. Im Bereich der Lichtkanonen ist der Fortschritt in den letzten Jahren besonders schnell gewesen. „Das ist ein ganz wichtiger Multiplikator“, sagt Heike Freund. Marvel Fusion ist der bekannteste deutsche Player auf dem Markt der Fusions-Startups. Commonwealth Fusion Systems und TAE Technologies aus den USA sind besonders bekannt, arbeiten mit starken Magneten, um Plasmen zu erzeugen, wie sie Klinger in Greifswald erforscht. Beide Firmen sind mit Hunderten Millionen Euro Investor:innengeldern ausgestattet.

Marvel Fusion ebenso wie Heinrich Horas australische Firma HB11 hingegen weichen vom Weg der meisten Forschungseinrichtungen ab. Sie hoffen auf Innovationen im Bereich der Laser. „Wir hatten nie ein Interesse daran, einen Ansatz mit Magneten voranzutreiben“, sagt Freund. „Beim Laser haben Sie den großen Vorteil, dass nicht nur die Fusionsindustrie sie entwickelt. Auch die Medizintechnik ist in dem Bereich sehr engagiert.“ Die Idee: mit extrem starken, extrem kurzen Laserschüssen auf das speziell strukturierte Brennstoffziel zielen. Struktur und extreme Laserkraft braucht es, um die Bedingungen einer nicht thermischen Fusion zu erreichen. Ein lasergetriebener Clash der Atomkerne statt des superheißen Plasmas. Marvel Fusion hat einen mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Betrag als Seed-Kapital eingesammelt und peilt die nächste Finanzierungsrunde an. Für die Verwirklichung aber nur der erste Schritt.

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