Innovation & Future Digitales Deutschland? Deshalb brauchen wir das skandinavische Konzept

Digitales Deutschland? Deshalb brauchen wir das skandinavische Konzept

Each one teach one – Bildung ist das A und O 

Vor allem in Finnland und Schweden herrscht hinsichtlich zahlreicher Aspekte ein im Vergleich zu Deutschland höheres Bildungsniveau in den Schulen, wie die letzte Pisa-Studie aus dem Jahr 2019 bestätigte. Dies impliziert auch einen offenen und umfassenden Umgang mit neuen Technologien: Von Beginn ihrer schulischen Laufbahn an werden Kinder ganz natürlich an Tech-Inhalte und -Tools herangeführt, die Schulen sind entsprechend mit State of the Art Geräten ausgestattet, Programmieren ist fester Bestandteil des Lehrplans.

Gerade in Zeiten des sich weiter verschärfenden Fachkräftemangels muss die adäquate Ausbildung kommender Generation und Vermittlung digitaler Kompetenzen höchste Priorität haben. Gleichzeitig darf nicht die gesamte Verantwortung auf den Staat abgewälzt werden – auch die Privatwirtschaft muss ihren Teil beitragen.

In Dänemark gehen Tech-Unternehmen zum Beispiel direkt in die Schulen, Expert:innen aus der Praxis stellen sich den Fragen der Schüler:innen, teilen ihre Erfahrungen, geben Einblicke in ihre tägliche Arbeit. In Schweden gibt es zahlreiche privatwirtschaftliche Initiativen, wie zum Beispiel die Space Academy, die Kinder und Jugendliche ganz gezielt in Sachen Informatik fortbilden.  

Gastautor Jens Leucke

Staat und Privatwirtschaft müssen Hand in Hand agieren

Einer der Hauptgründe, weshalb der Norden Europas einen Schritt voraus ist: Die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen waren und sind weiterhin mehrheitlich stabil. Der Rückhalt aus der Bevölkerung, aber eben auch aus der Wirtschaft ist entsprechend groß, wobei dieser Vertrauensvorschuss über Jahrzehnte aufgebaut wurde.

So gab es beispielsweise 1998 in Schweden eine große „Heim-Computer-Reform”, bei der Angestellte einen Computer für zuhause leihen konnten, steuerlich subventioniert – über eine Million Schwed:innen nutzte das Angebot, ein extremer Digitalisierungsboost war das Resultat. Was dieses Beispiel verdeutlicht: Den Worten Taten folgen lassen ist entscheidend.

Ein weiteres Exempel: 2019 hatte Schweden mit 3,3 Prozent des BIP die mit Abstand höchsten Forschungs- und Entwicklungsausgaben in der gesamten EU. Zudem bemerkenswert: Zahlreiche Großbanken und auch staatliche Einrichtungen nutzen mittlerweile BankID – ein Identitätsnachweis auf dem Vertrauensniveau von Ausweis oder Führerschein, der nicht den Nutzer:innen nicht nur ein sehr hohes Level an Sicherheit garantiert, sondern eben maßgeblich zur Digitalisierung vieler Prozesse beigetragen hat.

Gleichzeitig legen die Unternehmen einen großen Fokus darauf,  Prozesse – sei es in der Produktion, Buchhaltung oder im Personalwesen – nicht nur punktuell, sondern gesamtheitlich zu digitalisieren und mithilfe gezielter Schulungen ihrer Mitarbeitenden sowohl Verständnis für diese Schritte zu schaffen als auch ihre Kompetenzen auszubauen – mittel- bis langfristig ein entscheidender Faktor im internationalen Wettbewerb. 

Gastautorin Hélène Podsadni Nilsson

Kooperationen anstelle digitaler Inseln 

„Gemeinsam sind wir innovativ” lautet in Schweden die Devise – anstelle, dass Unternehmen sich bei ihren Digitalisierungsbestrebungen im engstirnigen Konkurrenzkampf aufreiben, entwickelte sich eine Kultur der breitflächigen Kooperation. Von Vorteil ist, dass dort eine kollaborative Mentalität, flache Organisationsstrukturen und eine eher informelle Geschäftskultur Tradition haben.

In dutzenden Inkubatoren und sogenannten Science Parks treffen Weltkonzerne wie Ericsson oder Volvo auf Startups und Kleinunternehmen. Gemeinsam nehmen sie sich herausfordernden Themen wie KI an, experimentieren und lassen ihre Expertisen symbiotisch zusammenfließen. 

Um die Kehrtwende in Deutschland zu schaffen, sind aus unserer Sicht folgende Aspekte von zentraler Bedeutung: Zum einen braucht es ein verstärktes Maß an Pragmatismus und das begonnen bei den Entscheider:innen von Kleinstunternehmen bis hoch zur Regierungsebene. Das übergeordnete Ziel einer breitflächigen Digitalisierung müssen alle teilen, der Weg dorthin sollte dabei aus einer Strategie der kleinen, aber mutigen Schritte bestehen, und nicht außer Acht lassen dürfen wir die Bereitschaft, die Fortschritte immer wieder aufs Neue zu hinterfragen.

Denn nur wenn wir in der Lage sind, agil und flexibel auf kurzfristige Veränderungen zu reagieren, haben wir eine Chance auf dauerhaften Erfolg. Und wenn wir Glück haben, wird diese Erfolgsmeldung dann auch nicht mehr mit dem Fax verschickt.       

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