Leadership & Karriere Oskar Vitlif krempelt in Teilzeit das Recruiting der Medienbranche um

Oskar Vitlif krempelt in Teilzeit das Recruiting der Medienbranche um

Mit 26 und ein paar wenigen Stunden Arbeit pro Woche hat es Oskar Vitlif zur Marke gebracht, die in deutschen Redaktionen für wissendes Nicken sorgt. Nämlich dann, wenn es darum geht für offenen Stellen gute Bewerber:innen zu finden.

Vitlif filtert Woche für Woche die Stellenanzeigen großer Verlage und kleiner Medienprojekte auf die besten Jobs und schickt sie an heute circa 6000 Adressen – per Mail und über die Messenger-App Telegram.

Dabei ist er im Hauptjob selber Journalist und arbeitet für die Tagesschau. Mit dem Newsletter verdient er sich nur ein kleines Zubrot. Redaktionen können nämlich auch gesponserte Ausschreibungen im Newsletter kaufen. Die werden dann etwas prominenter gezeigt.

Dass Vitlif den Redaktionen beim Recruiting hilft, haben sie dringend nötig. Groß ist der Andrang auf die Jobs nämlich höchstens noch bei Prestigestellen. Aber man kann da etwas tun! Und für die Bewerber:innen sind es sowieso super Nachrichten.

Rätst du aktuell irgendwem, in den Journalismus einzusteigen?
Wenn man Journalismus machen will, dann ist jetzt die beste Zeit, um damit anzufangen. In den nächsten zwei, drei Jahren fangen die Boomer an in Rente zu gehen und damit werden enorm viele Stellen frei. Das heißt auf alle Branchen, aber speziell eben auch die Medienbranche, wird ein riesiger Fachkräftemangel zukommen, der schon jetzt sichtbar ist. Und das bedeutet für uns junge Menschen, dass man sich fast aussuchen kann, wo man arbeiten möchte, weil der Bedarf so enorm hoch ist.

Es gab ein paar Jahre lang eine Phase, wo Redaktionen eingespart und zusammengestrichen haben.
Was ich momentan beobachte ist, dass viele Stellen unbesetzt bleiben, dass Stellenanzeigen teils wochenlang noch online stehen. Und ich denke mir: Krass, so eine interessante Stelle bleibt unbesetzt! Die Nachfrage nach verlässlichen, geprüften Fakten und Informationen ist ja nach wie vor hoch. Medienunternehmen werden sie auch in Zukunft bedienen müssen. Je mehr Informationen auf uns einprasseln und das bringt ja das Internet mit sich, desto eher brauchen wir auch Leute, die uns dabei helfen, diese ganzen Informationen zu sortieren. Das ist auch der Ansatz des Newsletters. Natürlich kann man sich hinsetzen und alles händisch raussuchen, aber das würde viel länger dauern. Und vielleicht hat man noch nicht so die Erfahrung: Ist das jetzt ein guter Arbeitgeber oder nicht? Ich sage also: Informationsflut voraus, ich bring dich da durch.

Der Beruf ist heute ein ganz anderer geworden.
Der Arbeitsalltag von Journalist:innen verdichtet sich total. Man muss so viel parallel machen. Online-Artikel abliefern und noch irgendwie Social Media bedienen und im Blick behalten, was überall in den Kommentaren einläuft. Und sich dann noch mit dem Hass auseinandersetzen. Das ist nicht mehr vergleichbar mit dem Job, den die Leute angefangen haben, die jetzt in Rente gehen.

Was glaubst du denn, müssen da Personaler:innen verändern? Stichwort: One-Click-Bewerbung.
Die Leute in den HR-Abteilungen müssen natürlich auch mit der Zeit gehen. Oft wird da immer noch ganz klassisch inseriert. Und dann liest man die nichtssagenden Stichpunkte: Wir sind ein verlässliches Unternehmen mit Tradition… Bei uns wird Team-Kultur großgeschrieben. Und dann gibt es den obligatorischen Obstkorb oder kostenloses Wasser… Ja, danke für nichts.

Wenn sie überhaupt so modern sind.
Dann wird halt mit dem Tisch-Kicker geworben oder so, aber das entspricht nicht mehr dem, was die nachfolgende Generation an Arbeitskräften sucht. Es fängt mit dem Bewerbungsprozess an, damit dass der immer noch viel zu formell und kompliziert ist. Die Leute wollen sich keine Zeit mehr dafür nehmen, so ein langes Anschreiben zu verfassen. Weil sie wissen: Ich krieg sowieso einen Job und du musst dich jetzt bei mir bewerben.

Die Lage hat sich gedreht, aber Arbeitgeber wollen das nicht anerkennen.
Das höre ich von ganz vielen Personaler:innen: Früher hatten wir hier auf die Stelle 100, 200 Bewerbungen. Aber so ist es nicht mehr.
Die ganze Arbeitswelt hat noch nicht so richtig verstanden, was da auf uns zukommt. Frau Nahles sagt: 400.000 Personen brauchen wir jedes Jahr mehr im Land. Da wird sich richtig etwas ansammeln, was wir in der Form noch nicht gesehen haben. Viele Leute trauen sich noch nicht, das als Realität anzuerkennen. Aber für die arbeitnehmende Seite bin ich total optimistisch.

Wenn du aber jetzt „Zeit“ oder „Spiegel“ betrachtest, sieht das doch anders aus.
Würde man denken. Aber selbst so große Unternehmen wie „Zeit“ und „Spiegel“ oder irgendwelche großen öffentlich-rechtlichen Medienhäuser melden sich bei mir und sagen: Wir kriegen hier nicht genug Bewerbungen. Und wenn das schon bei denen so ist, dann kannst du dir vorstellen, wie das im Lokalen aussieht. Nur ein ganz kleiner Vorgeschmack darauf, was uns in den nächsten Jahren so erwarten wird.

Arbeitgeber wollen Leute, die wirklich Lust auf genau diese Stelle haben. Aus dem Grund wird manchmal gar nicht ausgeschrieben, sondern erst mal unter Kolleg:innen gefragt: Kennt ihr nicht jemanden?
Das war auch eine Motivation des Newsletters. Dass zu viel noch Vitamin B ist, und wenn man das nicht hat, wenn man niemanden in den Medien kennt, dann ist es auch total schwer, da reinzukommen. Ich finde, es ist ein Unding, dass Stellen nicht ausgeschrieben werden. Dahinter steckt ja ein strukturelles Problem: Deutsche Redaktionen sind nun mal noch überwiegend weiß und akademisch geprägt, manchmal vielleicht auch noch mit Familie, die schon bei Medien arbeitet. Mehr Diversität und einen Blick auf die ganze Gesellschaft, das kriegen wir nur hin, wenn wir auch die ganze Gesellschaft in die Redaktionen holen.

Angenommen, du wärst nicht Journalist und Newsletter-Macher geworden, was dann?

Als Kind wollte ich immer Zugbegleiter werden. Ich fahre sehr gerne Zug und habe eine Bahncard 100. Was im Vergleich zu meinem jetzigen Job aber nicht so super gut bezahlt ist. Leider. Ich koche außerdem total gerne. Aber ich weiß auch nicht, ob das profimäßig dann immer noch so geil ist, wie wenn man zu Hause am Herd steht.

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