Innovation & Future BASF: „Was weg ist, kommt nicht zurück“

BASF: „Was weg ist, kommt nicht zurück“

Bei der BASF bedeutet das, trotz immer wieder betonter Wichtigkeit des Stammwerks Ludwigshafen, dass gewisse Produkte dort nicht mehr hergestellt werden können – die Ammoniakproduktion etwa. Im laufenden Sparplan sollen bis 2026 rund 3000 Arbeitsplätze in Ludwigshafen wegfallen, auch bei weltweit mehr als 112.000 Beschäftigten keine kleine Zahl. Jedes Jahr will man am Rhein auf diese Weise eine Milliarde Euro einsparen. Der Verkauf von Tochterunternehmen ist ein weiteres Feld, auf dem man sich Milliardenerlöse erhofft. Die Gewerkschaften sind eingebunden, aber alarmiert. Gleichzeitig arbeiten die BASF-Tüftler an Wegen, Erdgas beim Betrieb der enorm energiebedüftigen Öfen zu ersetzen – neue Versionen der Hochtemperaturöfen zur Aufspaltung von Rohbenzin arbeiten mit (grünem) Strom. Keine alltägliche Verfahrensumstellung. Die Umbauten des Konzerns erfordern Milliardenbeträge. Und das angesichts fallender Umsätze bei fallenden Preisen – auch wegen der Chemikalienschwemme aus China, wo ja nun gerade BASF mit Hochdruck an der eigenen Produktion arbeitet. Um künftig in Guangdong wenigstens unter ähnlichen Kostenbedingungen produzieren zu können wie die asiatische Konkurrenz.

Dabei gibt es kaum ein Produkt, sei es industriell gefertigt oder handwerklich, das ohne ein Erzeugnis von der Sorte wie jene der BASF auskommt. Von der Hightech-Beschichtung zum Saatgut, Kosmetik, Medikamente, Bekleidungsveredelung und Dämmstoffe, Batterien, Waschmittel, Backwarenzusätze oder Performance-Kunststoffe – das Fehlen solcher Materialien oder auch nur deren drastische Verteuerung wäre unmittelbar beim Verbraucher spürbar. Und das künftige Fehlen der Forschung auf diesen Gebieten genauso mit nur wenig Verzögerung. Das wissen natürlich nicht nur die Verantwortlichen in der Industrie.

Dennoch und trotz alledem – die Transformation geht womöglich nicht schnell genug. Und ob sie die Kostenstruktur liefern wird, die der Industrie abhandengekommen ist? Ex-CEO Brudermüller konstatierte vor einigen Wochen lakonisch: „Das alte deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr. Beim Wirtschaftsstandort Deutschland ist die Luft raus. Für die BASF, die neben den erwähnten Widrigkeiten auch noch eng mit Russland verwoben war, was etwa die Gasgeschäfte der Tochter Wintershall anging, und sich nach dem russischen Überfall auf die Ukraine urplötzlich umorientieren musste, stehen die Zeichen dauerhaft auf Sturm. Wie lange die Treuebekundungen zu Ludwigshafen angesichts dieser Entwicklungen noch gültig bleiben, dürfte momentan wohl kaum jemand als Wette akzeptieren. Es wird auf eine strenge Auswahl dessen hinauslaufen, was in Deutschland noch profitabel herzustellen ist. Eine „Badische Anilin- und Sodafabrik”, als die BASF vor bald 160 Jahren mit der Farbenherstellung anfing, wird ebenso wenig zurückkehren wie die Chemie mit billiger Energie der vergangenen Jahrzehnte. Doch das mittlerweile weltgrößte Unternehmen der Branche mit mehr als 200 Standorten in bald hundert Ländern könnte sich angesichts der fortdauernden Belastungen nach und nach aus Deutschland verabschieden. Zumindest mit der Produktion, womöglich auch der Forschung. Nicht spruchreif, selbstverständlich. Aber als Schreckensvision nicht nur in der zentrale in Ludwigshafen in dunklen Stunden an die Wand gemalt.

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