Leadership & Karriere ABC verleumdete Trump: Jetzt muss Sender 15 Millionen Dollar zahlen

ABC verleumdete Trump: Jetzt muss Sender 15 Millionen Dollar zahlen

Sieg des wiedergewählten Präsidenten in einem Verfahren vor dem Hintergrund seines angeblichen sexuellen Missbrauchs einer Autorin

Das Bild, das wir von Donald Trump haben, war bislang recht eindimensional: Er ist der rücksichtslose Politiker, der Menschen beleidigt, Frauen erniedrigt und vor Gericht verurteilt wird.

Doch jetzt plötzlich dreht der im November wiedergewählte Präsident der Vereinigten Staaten den Spieß um: Trump hat den Fernsehsender ABC und dessen prominenten Moderator George Stephanopoulos verklagt, wegen übler Verleumdung im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch. Auf Druck eines Bundesgerichts in Florida willigte der Sender jetzt ein, 15 Millionen Dollar zum Aufbau von Trumps öffentlicher Präsidentschafts-Bibliothek zu spenden und dem Kläger eine weitere Million Dollar für die Anwalts- und Prozesskosten zu erstatten. Stephanopoulos, der nicht persönlich haftbar ist, erkannte in einer Erklärung die Entscheidung an. Er bedaure etwaige Missverständnisse, die durch die Sendung entstanden seien, so der Moderator. Trump hatte bereits zuvor ähnliche Klagen gegen weitere Medien initiiert.

Das war passiert: Während eines Live-Interviews in „This Week“ mit der republikanischen Abgeordneten Nancy Mace (South Carolina) hatte Stephanopoulos im März mehrfach behauptet, Trump sei „der Vergewaltigung für schuldig befunden worden“ und „habe das Opfer dieser Vergewaltigung diffamiert“.

Doch das war juristisch falsch: Keines der Urteile, die Stephanopoulos aus einem Prozess der Kolumnistin E. Jean Carroll gegen Trump im Sinn hatte, bestätigte eine Vergewaltigung im Sinne des New Yorker Rechts. Aufgrund der ersten Klagen wurde Trump im vergangenen Jahr für schuldig befunden, Carroll sexuell missbraucht und diffamiert zu haben. Eine Jury verurteilte ihn im Mai 2023 dazu, ihr fünf Millionen Dollar zu zahlen.

Trump ging nicht nur in Berufung, sondern nannte Carroll eine „Vollidiotin“. Er wisse „zum Teufel nicht, wer sie ist“. Daraufhin klagte Carroll Anfang 2024 in einem zweiten Prozess vor einem Bundesgericht in Manhattan wegen Verleumdung. Zudem präsentierte sie ein Foto, auf dem sie mit Trump abgelichtet war, um seine Behauptung zu widerlegen, er kenne sie gar nicht. Erneut wurde der Ex-Präsident für schuldig befunden und dazu verurteilt, Carroll 83,3 Millionen Dollar zu zahlen.

Trump räumte nunmehr zwar ein, ihr dann offensichtlich doch begegnet zu sein, bestritt aber weiterhin den Vergewaltigungsvorwurf: „Sie ist gar nicht mein Typ.“ Auch gegen das zweite Urteil legte er Berufung ein.

Laut Carroll begegnete sie Trump Mitte der 1990er Jahre im Bergdorf Goodman, einem Luxuskaufhaus in Manhattan gegenüber dem Trump Tower, zufällig am Eingang. Er habe sie gebeten, ihr bei der Suche nach einem Geschenk für eine Frau, offenkundig ein Kleidungsstück, zu helfen. Dann habe Trump sie in einer Umkleidekabine gegen die Wand gedrückt, seinen Mund auf ihren gepresst, ihr die Strumpfhose heruntergezogen und trotz ihrer Gegenwehr seine Hand und dann seinen Penis in sie gezwängt. Sie habe ihn schließlich mit den Knien von sich gestoßen und sei weggelaufen, habe aber aus Scham nicht die Polizei informiert.

In der Begründung des 5-Millionen-Dollar-Urteils im ersten Prozess schrieb der US-Bezirksrichter Lewis Kaplan, das einstimmige Urteil sei fast ausschließlich zugunsten von Carroll ausgefallen, mit einer Ausnahme: Laut Jury habe die Klägerin nicht beweisen können, dass Trump sie „im engeren, technischen Sinne eines bestimmten Abschnitts des New Yorker Strafrechts“ vergewaltigt habe, mit anderen Worten: dass er sie in einer Umkleidekabine trotz ihrer Gegenwehr habe mit dem Penis penetrieren können.

Das war eine entscheidende Einschränkung. Trotzdem behauptete Stephanopoulos in einem Live-Interview in „This Week“ mit Nancy Mace, R-S.C., Trump sei „der Vergewaltigung für schuldig befunden worden“ und habe „das Opfer dieser Vergewaltigung diffamiert“. Aber nach dem New Yorker Gesetz lag keine Vergewaltigung vor, sondern lediglich „sexueller Missbrauch“ in Form von unsittlichen Berührungen oder erzwungenen Küssen; selbst die Penetration mit der Hand gilt nach dieser juristischen Definition nicht als Vergewaltigung.

Trump bestreitet aber auch diesen Tatvorwurf und die gesamte Begegnung in dem Kaufhaus. Doch die Geschworenen glaubten – weitgehend – der Klägerin. Kein Wunder, denn Trump, in den 90er Jahren ein TV-Star wegen seiner Show „The Apprentice“, hat sich selbst gebrüstet, als Prominenter könne er Frauen ungefragt an ihren intimsten Stellen berühren. Er könne zudem jederzeit Frauen küssen, er „warte nicht einmal. Und wenn du ein Star bist, lassen sie dich machen. Du kannst alles machen. … an der Pussy anfassen. Du kannst alles machen“, sagte er in dem berüchtigten „Hollywood Access“-Audio, 2005 mit offenem Mikrofon von dem Journalisten Billy Bush mitgeschnitten und einen Monat vor der Präsidentschaftswahl 2016 veröffentlicht. Damals war die Aufregung groß. Trump entschuldigte sich, ungewöhnlich genug, in der Öffentlichkeit, versicherte aber, er handele sich nur um „Umkleideraum-Gerede“ und er habe „von Bill Clinton auf dem Golfplatz viel Schlimmeres gehört“. In seinem Umfeld wurde zudem gestreut, Trump habe damit nicht sagen wollen, er könne Frauen gewaltsam begrapschen, sondern sie würden dies geschehen lassen wegen seines Promi-Status.

Trotz dieser belastenden Indizien steht bis zu einem endgültigen Urteil Aussage gegen Aussage. Trumps Verteidiger insinuierten zudem, es sei doch ungewöhnlich, dass sich eine Frau mit Händen und Füßen (und Knien) gegen den Angreifer wehre und es hinter den dünnen Wänden einer Umkleidekabine dennoch zu einer Vergewaltigung kommen könne.

Trump hatte 2020 auch gegen „New York Times“ und „Washington Post“ Verleumdungsklagen eingereicht. Er warf ihnen vor, in Artikeln und Kommentaren seinem Wahlkampfteam Verschwörungen mit russischen und nordkoreanischen Regierungsinstitutionen unterstellt zu haben. Gegen CNN hat er 2023 Klage eingereicht, weil der Sender Trumps Weigerung, den Wahlsieg von Joe Biden 2020 anzuerkennen, wiederholt als „große Lüge“ bezeichnet hatte, was ihn in einen Zusammenhang rücke mit Neonazis, die den Holocaust als „große Lüge“ (big lie) leugnen. Das war eine arg abwegige Konstruktion und in keinem dieser Fälle hatte Trump bislang Erfolg. Nur gegen ABC hat er sich nun durchgesetzt.

Darum darf man davon ausgehen, dass er auch als Präsident juristisch gegen missliebige Journalisten vorgehen wird. Und dies ist nicht zuallererst der Versuch der Einschränkung der freien Presse, sondern in einem Rechtsstaat Trumps gutes Recht.

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Dieser Artikel basiert auf einem Kapitel des für Februar 2025 angekündigten Buches von Ansgar Graw: Die Ära Trump. Chancen und Risiken für Amerika und die Welt. Verlag Langen-Müller, München. 240 Seiten, 22 EUR.

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