Business & Beyond Bezahlkarte statt Bargeld: Warum mehr Geflüchtete Deutschland verlassen

Bezahlkarte statt Bargeld: Warum mehr Geflüchtete Deutschland verlassen

Die Einführung der Bezahlkarte für Asylbewerber zeigt offenbar Wirkung: In mehreren Bundesländern steigen die freiwilligen Ausreisezahlen deutlich – während sie in Regionen mit lockeren Regelungen sinken.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. Seit der Einführung der Bezahlkarte für Asylbewerber verzeichnen Kommunen und Bundesländer einen markanten Anstieg freiwilliger Ausreisen. In Bayern haben im ersten Quartal 2024 rund 1.200 Asylbewerber das Land verlassen. In Brandenburg hat sich die Zahl der Ausreisen seit Karteneinführung verdoppelt, in Magdeburg stieg sie um ein Drittel, in Sachsen um 21 Prozent. Der Zusammenhang zwischen Bargeldreduktion und Ausreisebereitschaft scheint evident – ein Befund, der die migrationspolitische Debatte neu befeuert.

Wenn das Bargeld wegfällt, packen viele die Koffer

Die Daten zeichnen ein konsistentes Muster: Wo die Bezahlkarte mit strikten Bargeldlimits eingeführt wurde, steigen die Ausreisezahlen signifikant. Im thüringischen Saale-Orla-Kreis verdreifachten sich die freiwilligen Ausreisen von 31 (2023) auf 90 (2024). Die Landkreissprecherin bestätigt gegenüber der „Bild“-Zeitung einen „starken Zusammenhang mit der Einführung der Bezahlkarte“, auch wenn die Asylbewerber selbst keine offiziellen Gründe für ihre Ausreise angeben.

Besonders aufschlussreich ist der Vergleich mit Regionen, die weniger strikte Regelungen implementiert haben. In Hannover, wo sogenannte Social-Cards ohne Bargeldlimits und ohne Einschränkungen bei Überweisungen ausgegeben wurden, sank die Zahl der freiwilligen Ausreisen im Jahr 2024 um 36 Prozent. Diese Diskrepanz verstärkt die These, dass nicht die Karte an sich, sondern speziell die Bargeldreduktion den entscheidenden Faktor darstellt.

Systemlücken untergraben die Wirksamkeit

Trotz der positiven Zahlen offenbart die praktische Umsetzung erhebliche Schwachstellen. Frank Schneider, Bürgermeister von Langenfeld, kritisierte in einem Brief an die NRW-Flüchtlingsministerin die Einführung als „schlecht, ja desaströs“. Als Hauptproblem identifiziert er die SEPA-Funktionen der Karte laut einem „Kommunal.de“-Bericht: „Die sich daraus ergebenen Umgehungsmöglichkeiten der Bargeldbeschaffung durch ein eigenes oder drittes Konto, von dem dann unbeschränkt Bargeld ausgezahlt wird oder die zu vermeidenden Auslandsüberweisungen doch möglich sind, höhlen das Regelungswerk vollkommen aus.“

Die Realität zeigt: Viele Asylbewerber verfügen neben der Bezahlkarte über eigene Girokonten. Sie können Geld von der Bezahlkarte auf diese Konten überweisen – ursprünglich gedacht für legitime Zwecke wie Schulessen – und anschließend unbegrenzt Bargeld abheben. Zudem fehlt es an Koordination zwischen den Kommunen. In Extremfällen erhalten einzelne Personen Bezahlkarten von mehreren Kommunen gleichzeitig, die alle aufgeladen werden.

Seite 1 / 2
Nächste Seite