Business & Beyond Diese vier Lieblingsprojekte der Koalition stehen heute Abend auf der Kippe

Diese vier Lieblingsprojekte der Koalition stehen heute Abend auf der Kippe

Um Steuersenkungen für alle umzusetzen, muss anderswo gespart werden. Vier Themen sind es, bei dem sich Union und SPD heute im Koalitionsausschuss auf weniger Ausgaben einigen könnten. Die Zeichen dafür stehen allerdings schlecht.

Honeymoon vorbei – heute Abend geht es im Koalitionsausschuss zwischen Union und SPD zur Sache. Der Streit handelt, wie schon in Ampelzeiten, ums Geld, von dem alle dachten, es sei jetzt genug da. Nun aber ist es doch weniger als gedacht.

Sichtbar wird das an der Stromsteuer: Vergangene Woche hatte die schwarz-rote Bundesregierung eine Senkung der Stromsteuer für große Industrieunternehmen angekündigt, nicht aber für private Haushalte, wie es im Koalitionsvertrag steht. Zur Begründung hieß es seitens des SPD geführten Finanzministeriums von Lars Klingbeil, dafür sei nicht genug Geld vorhanden. Tatsächlich hatte nicht nur Klingbeil, sondern die gesamte Bundesregierung den Haushaltsentwurf abgesegnet und damit eine Absenkung der Stromsteuer nur für die Industrie, Land- und Forstwirtschaft ins Auge gefasst. Wenn die Union nun also unter öffentlichem Druck doch die Stromsteuer für alle senken will und damit allein im kommenden Jahr 5,4 Milliarden Euro weniger Einnahmen akzeptiert, muss sie sich die Kritik von SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf anhören. Der sagt: Die Union „kündigt gemeinsame Einigungen der Regierung von der Seitenlinie auf und sät Zwietracht.“

Damit ist der Ton gesetzt, und der ist nicht freundlich. Auf beiden Seiten wird nun dem jeweils anderen vorgerechnet, welche seiner „Lieblingsprojekte“ gestrichen werden müssten, wenn die Stromsteuer für alle sinken soll und damit der Milliarden-Einnahmeausfall kompensiert würde. Dabei sind konkret diese vier Projekte in der Diskussion.

Bürgergeld senken

Der CSU-Vorsitzende Markus Söder kommt mit der Forderung: „Es kann nicht sein, dass wir beim Bürgergeld Rekordausgaben haben und deswegen andere wichtige Anliegen wie Entlastungen bei der Stromsteuer aufschieben müssen.“ Also Bürgergeld runter?  Nach den bisherigen Plänen steigen die Ausgaben für das Bürgergeld. Wie aus dem Haushaltsentwurf des Finanzministeriums hervorgeht, sind 29,6 Milliarden Euro für dieses Jahr fürs Bürgergeld eingeplant. Das sind 3,1 Milliarden beziehungsweise rund 11,7 Prozent mehr als im Haushalt 2024. Nimmt man zusätzliche Leistungen für Unterkunft und Heizung hinzu, steigen die Kosten laut Haushaltsentwurf von insgesamt 37,6 auf 42,6 Milliarden Euro. Dazu kommen höhere Kosten für die Verwaltung der Bürgergeldempfänger und Leistungen wie Fortbildungen und Umschulungen. Sie steigen in diesem Jahr um 400 Millionen Euro und in den Folgejahren um eine Milliarde, so dass hierfür knapp 10 Milliarden Euro fällig werden. Was damit im Haushalt geplant ist, widerspricht dem, was CDU, CSU und SPD im Koalitionsvertrag festgehalten haben, nämlich durch die Reform der Stütze erheblich Geld einsparen zu wollen. Die Arbeitsministerin und neue SPD-Chefin Bärbel Bas findet das trotzdem richtig: Die Grundsicherung werde weiterentwickelt, sagte sie auf dem SPD-Parteitag. Und: „Sozial-Kahlschlag wird es mit mir nicht geben!“

Mütterrente einschränken

Die SPD kontert, indem sie Prestigeprojekte der Union angreift. Da geht es etwa um Ausweitung der Mütterrente, die unter dem Stichwort „Stärkung von Familien“, eben für die CSU ein Muss ist. Söder will sie „deutlich schneller“ haben, die Kosten liegen bei schätzungsweise 4,5 Milliarden Euro pro Jahr. Die SPD bremst.

Gastronomen nicht entlasten

Die Bundesregierung plant, den Mehrwertsteuersatz für Speisen in der Gastronomie ab dem 1. Januar 2026 wieder auf 7 Prozent zu senken, nachdem er seit Anfang 2024 bei 19 Prozent liegt. Diese Maßnahme soll die Gastronomiebranche unterstützen und wird voraussichtlich dauerhaft gelten. Ob sich die Steuersenkung auf die Preise für Verbraucher auswirken wird, ist jedoch fraglich, da viele Gastronomen die Entlastung zur Deckung ihrer angeblich stark gestiegenen Kosten nutzen wollen. Die Mehrwertsteuersenkung kostet den Staat voraussichtlich jährlich rund 4 Milliarden Euro an Steuereinnahmen.

Volle Steuer auf Agrardiesel

Unter den Landwirten hat die Union nach wie vor viele Fans, weswegen sie diese Gruppe auch besonders umwirbt. Damit kommt die sogenannte Agrardiesel-Subvention ins Spiel, die tatsächlich keine Subvention ist, sondern nur beinhaltet, dass für Landwirte der Steuersatz auf ihren Treibstoff niedriger ist, als für alle anderen. Diese einseitige Steuersenkung kostet den Staat jährlich etwa 440 Millionen Euro – und kann damit die Einnahmeausfälle aus einer für alle abgesenkten Stromsteuer bei weitem nicht ausgleichen. Der verbilligte Agrardiesel wurde eingeführt, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft zu unterstützen. Kritiker argumentieren, dass sie ineffizient und umweltschädlich ist und dass es bessere Möglichkeiten gibt, die Landwirtschaft zu unterstützen.

Es wird also spannend im Koalitionsausschuss. Zu allem Überfluss hat sich auch noch der stellvertretenden Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Achim Dercks in die Diskussion eingemischt. Er betont, dass auch die bereits abgesegnete Stromsteuersenkung für das produzierende Gewerbe viel zu schmal ausfalle:  Der Großteil der Betriebe in Deutschland bleibe ohne Entlastung. „Denn zum produzierenden Gewerbe gehören beispielsweise keine Kaufhäuser, Rechenzentren, Wäschereien, Kühlhäuser oder Autohäuser.“ Dercks forderte deshalb eine Entlastung bei der Stromsteuer für „die gesamte Breite der deutschen Wirtschaft“.