Finance & Freedom Familienversicherung vor dem Aus? Arbeitgeber planen Beitragspflicht für Ehepartner

Familienversicherung vor dem Aus? Arbeitgeber planen Beitragspflicht für Ehepartner

Die gesetzliche Krankenversicherung steuert auf ein Milliardenloch zu. Der Arbeitgeberverband BDA fordert radikale Sparmaßnahmen – darunter Beitragspflicht für bisher kostenlos mitversicherte Ehepartner.

Die Zahlen sind alarmierend: Bis 2027 klafft in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ein zweistelliges Milliardenloch. Der durchschnittliche Beitragssatz von aktuell 17,5 Prozent könnte bis 2035 auf satte 20 Prozent steigen. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) schlägt jetzt Alarm – und präsentiert ein Sparkonzept mit Sprengkraft.

Ehepartner sollen zahlen

Im Visier der Arbeitgeber: die beitragsfreie Mitversicherung von Ehepartnern. Laut „FAZ“ sollen diese künftig den Mindestbeitrag von 220 Euro monatlich an die Krankenkassen abführen.

Bisher können Ehepartner mit niedrigem Einkommen (unter 535 Euro monatlich) kostenfrei in der Familienversicherung mitversichert werden. Der Clou: Diese Maßnahme allein könnte jährlich 2,8 Milliarden Euro einsparen, wie „Bild“ berichtet.

Politischer Zündstoff

Die Reaktionen auf den Vorstoß fallen erwartungsgemäß unterschiedlich aus. CDU-Politiker Albert Stegemann zeigt sich gegenüber „Bild“ offen für die Diskussion. Angesichts des drohenden zweistelligen Milliardendefizits dürfe es „keine Denkverbote geben“.

Die SPD hingegen positioniert sich klar dagegen. Ihr gesundheitspolitischer Sprecher Christos Pantazis bezeichnet die Familienversicherung laut „Bild“ als „tragende Säule unseres solidarischen Gesundheitssystems“ – wer hier kürzen wolle, säge am Fundament des gesellschaftlichen Zusammenhalts.

Radikales Sparpotenzial

Das BDA-Papier geht jedoch weit über die Ehepartner-Regelung hinaus. Wie „FAZ“ berichtet, sieht der Arbeitgeberverband Einsparpotenziale von bis zu 50 Milliarden Euro jährlich.

BDA-Geschäftsführer Steffen Kampeter findet gegenüber „Bild“ deutliche Worte: Das Gesundheitssystem liege „fast auf der Intensivstation“. Der Status quo sei keine Option, da sonst die Beiträge weiter explodieren würden.

Systemreform statt Symptombekämpfung

Aktuell sind rund 16 Millionen Ehepartner und Kinder in der Familienversicherung mitversichert. Die Arbeitgeber argumentieren, dass die Beitragsbelastung für Arbeitnehmer und Unternehmen zu hoch sei und die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland gefährde.

Der „Nettoklau bei den Beschäftigten“ müsse gestoppt werden, so Kampeter laut „Bild“. Nur wenn Arbeit wieder attraktiver werde, finde Deutschland auch den Weg aus der Rezession.

Business Punk Check

Der Vorstoß der Arbeitgeber ist mehr als nur ein Sparvorschlag – er ist ein Frontalangriff auf ein Grundprinzip des deutschen Sozialsystems. Die Rechnung ist simpel: Entweder zahlen alle mehr (steigende Beitragssätze) oder einige zahlen neu (bisher Mitversicherte). Was in der Debatte untergeht: Die eigentlichen Kostentreiber im System werden kaum adressiert.

Weder die Pharmaindustrie mit ihren Mondpreisen für Medikamente noch die ineffizienten Parallelstrukturen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung stehen im Fokus. Stattdessen sollen Ehepartner – überwiegend Frauen – die Lücke füllen. Die wahre Herausforderung liegt nicht in der Frage, wer zahlt, sondern wie das System effizienter werden kann. Wer nur an der Beitragsschraube dreht, kuriert Symptome statt Ursachen.

Häufig gestellte Fragen

  • Welche Ehepartner wären von der neuen Beitragspflicht betroffen?
    Betroffen wären alle bisher beitragsfrei mitversicherten Ehepartner mit einem monatlichen Einkommen unter 535 Euro. Sie müssten künftig den Mindestbeitrag von 220 Euro monatlich zahlen. Kinder blieben weiterhin beitragsfrei versichert.
  • Wie würde sich die Reform auf den Arbeitsmarkt auswirken?
    Die Arbeitgeberseite argumentiert, dass sinkende Lohnnebenkosten Arbeit attraktiver machen und den Wirtschaftsstandort stärken würden. Kritiker befürchten jedoch, dass der zusätzliche finanzielle Druck auf Familien den Konsum schwächen und damit die Konjunktur belasten könnte.
  • Welche Alternativen zur Beitragspflicht für Ehepartner gibt es?
    Effizientere Strukturen im Gesundheitswesen, Digitalisierung von Verwaltungsprozessen, stärkere Regulierung von Arzneimittelpreisen und eine Reform der Doppelstrukturen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung könnten ähnliche Einspareffekte erzielen, ohne das Solidarprinzip aufzuweichen.
  • Wann könnte die Reform umgesetzt werden?
    Aktuell prüft eine Expertenkommission verschiedene Reformvorschläge. Die Ergebnisse sollen bis März vorliegen. Eine politische Entscheidung und gesetzliche Umsetzung wäre frühestens im Laufe des nächsten Jahres zu erwarten.
  • Wie könnten Unternehmen von der Reform profitieren?
    Durch sinkende oder zumindest stabilisierte Lohnnebenkosten würden Personalkosten planbarer. Besonders der Mittelstand könnte von einer Entlastung profitieren und Spielräume für Investitionen und Neueinstellungen gewinnen.

Quellen: „Bild“, „FAZ“