Leadership & Karriere BSTN: Die Jungs aus der Nachbarschaft machen jetzt Business

BSTN: Die Jungs aus der Nachbarschaft machen jetzt Business

Vor zwanzig Jahren wollten wir Teil einer Subkultur sein. Das Problem bestand nur darin: diese Subkultur gab es bei uns in der Provinz nicht. Weit und breit keine mit Graffiti zugeschmierten Subways, die über unsere Köpfe hinweg quietschten. Keine B-Boys, die auf Pappkartons ihre Körper wie ein Propeller drehten. Wir mussten uns die HipHop-Bewegung aus VHS-Kassetten, Mixtapes und Privatfernsehen zusammenbauen.

Alle paar Monate bestellten wir über unser Haustelefon – das damals noch eine Drehscheibe hatte – beim Münchner Streetwear-Laden Kickz unsere modischen Must-haves: Basketballschuhe von Air Jordan, Hoodies von Ecko, Baggy Pants von Southpole, die wir uns – die Nachwelt möge uns das verzeihen – unter unseren Hintern klemmten.

Umgeben vom süßlichen Duft Marihuana getränkter Luft träumten wir uns nach New York, in die Bronx. An die West Coast, nach Compton. Wir waren Vierzehn und wollten weit weg. Das Provinzielle war uns zu eng, das Traditionelle zu konformistisch. Das Fußballtraining im örtlichen Verein wurde uns leidig. Wir spielten lieber Basketball – das sportliche Pendant zu Rapmusik, Graffiti und Breakdance.

Made in München

Damals wollten wir vor allem eines sein: Real. Heute sagt man dazu: Authentisch. BSTN hat aus diesem Bedürfnis ein Geschäft gemacht. Der Münchner Retailer verkauft das Gefühl, Teil einer authentischen Neunzigerjahre-HipHop-Kultur zu sein. Wer sich im Store oder online mit Sneakern, Hoodies oder Caps eindeckt, erhält neben der Ware auch das Versprechen zu einer exklusiven Szene dazuzugehören. Street Credibility ist der Nimbus von BSTN.

Die Macher hinter BSTN: Christian Boszczyk, Roberto Aufiero und Dusan Cvetkovic (Credits: Filip Gorski).

Die Geschichte der Brand beginnt 2008. Christian Boszczyk und Dusan Cvetkovic gründen ihr Modelabel Beastin. Als stolze Münchner haben sie es satt, dass alles, was irgendwie angesagt ist, aus Berlin kommt. Also fuck it und her mit dem eigenen Business.

Zuerst verkaufen die Beiden T-Shirts aus dem Kofferraum – straight aus der Hood und für die Hood. Dann folgen diverse Kollaborationen mit lokalen Designern und Musikern, irgendwann der erste Store. Der kommerzielle Erfolg stand für die ehemaligen Basketballprofis nie an erster Stelle. Der Next Level Step kommt erst 2013. Roberto Aufiero, der ehemalige Head of Retail bei Kickz, steigt als Partner ein und bringt, wie er es selbst nennt, die „PS auf die Straße“. Gemeinsam entwickeln sie ein Retail-Konzept: Um das eigene Modelabel wird ein Markenportfolio mit Fokus auf ausgewählte Street- und Sportswear hochgezogen. Gleichzeitig bauen sie ihr Online-Geschäft massiv aus. Die Bilanz nach fünf Jahren: Zwei Stores, in München und Hamburg, 20 Mitarbeiter sowie ein Jahresumsatz im achtstelligen Bereich.

Der Erfolg der Marke ist auch das Ergebnis eines gut geführten PR-Ensembles: dick aufgetragene Social Media-Stunts, internationale Testimonials, digital-affines Store-Design und die bereits beschriebene „Keep it Real“-Mentalität bilden zusammen ein kohärentes Markenbild. Konkrete Beispiele dafür gibt es in der folgenden Galerie.

„Wir hören immer wieder: Das ist real, was ihr macht“, erzählt Boszczyk auf dem diesjährigen OMR-Festival in Hamburg, wo wir ihn und seinen Partner Aufiero zum Interview treffen. „Dadurch, dass wir die Neunzigerjahre-HipHop- und Basketball-Kultur so zelebrieren, fühlen sich viele Leute abgeholt.“ Ihm und den anderen gehe es dabei auch um einen „educational Faktor“. Sie wollen mit ihrem Business den Kids von heute zeigen, wie Basketball in den Neunzigern war, woher Trends kommen und was die Geschichte hinter den „Air Jordan 3“ ist. Boszczyk weiß, wie man solche Geschichten erzählt. Der studierte Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler promovierte 2007 zur Frage, wie Mode, Musik und Sport die moderne Jugendkultur definieren. Das Thema der Doktorarbeit liest sich wie das theoretische Warmup zu BSTN. Mode, Musik und Sport heißen dort übersetzt: Streetwear, HipHop und Basketball.

It’s the Hashtag, stupid

Was BSTN von anderen Playern unterscheidet, ist nicht nur das sorgfältig gepflegte Retro-Image, sondern auch, dass alles Inhouse abläuft. Der Retailer ist Kreativagentur, Eventagentur, Online-Shop und Logistikunternehmen in einem. Als die Münchner vergangenen Winter den Release der neuen „Nike Air Force 1“ mit Privatjet und dicken Autos inszenierten, war keine einzige externe Agentur involviert. Videoproduzenten, Fotografen, Know-how – alles lief über das eigene Netzwerk.

Die große Show auf Instagram ist aber nur ein Teil des Geschäfts. Ein anderer ist der Verkauf im Laden. Auch hier versucht man sich von der Konkurrenz abzuheben. In den Stores sind Flächen installiert, die sich ständig austauschen und dadurch digital verwerten lassen. Überhaupt spielt das Digitale eine ziemliche große Rolle bei BSTN. Postings auf Instagram sind bis ins letzte Detail ausgearbeitete Statements. Bis zum letzten Hashtag wird penibel auf die Tonalität geachtet. „Wenn wir ein Jay-Z-Bild posten, dann verwenden wir nicht den #Jigga, sondern #Hova, weil es der coolere Spitzname ist“, sagt Boszczyk.

Reichweite im Netz ist für Lifestyle Brands erfolgsentscheidend. Viele Marken setzen daher auf das Standing von großen Influencern. Wichtiger als Reichweite ist BSTN aber Reputation und daher landen viele Anfragen im Papierkorb. „Wir statten nur Leute aus, die etwas erreicht haben und für etwas stehen“, kommentiert Boszczyk und ergänzt: „Da bin ich einfach oldschool.“

Abhängen mit den coolen Kids

Sneaker und Streetwear ist heute ein Massenmarkt. HipHop ist erst musikalisch, dann modisch im Mainstream angekommen. Wer heute durch ein Einkaufszentrum trudelt, erlebt ein permanentes modisches Déjà-vu. Snipes, Foot Locker, Fast Forward oder DefShop – alle diese Stores bieten nahezu identische Produkte an. Den Konsumenten stellt sich daher die folgenschwere Frage: In welchem Laden lasse ich mein Geld?

Beantworten lässt sich diese Frage vielleicht mit der eigenen Biografie. Man stelle sich die Frage: Mit welchen Kids hätte man früher am liebsten abgehangen? Mit den coolen Jungs, die HipHop wirklich lebten, die immer den neusten Sound aus den Staaten und die besten Tricks auf dem Basketballplatz hatten? Oder aber mit jenen, die nur Anschluss an eine neue Mode suchten? Die Antwort muss jeder selber geben. BSTN hat sich klar positioniert.

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