Leadership & Karriere Der Fünf-Sterne-Standard bei Userbewertungen schadet allen

Der Fünf-Sterne-Standard bei Userbewertungen schadet allen

Nutzerbewertungen sollten den Usern das Leben eigentlich erleichtern: „Hat doch fünf Sterne, der Typ, dem wird man vertrauen können“. Doch dann entpuppt sich die auf Airbnb als „Hammer-Ausblick auf die City“ angepriesene View als Hochparterre-Fenster mit Blick auf’s Industriegebiet. Oder der topbewertete Ebay-Verkäufer schickt das Paket zwei Wochen zu spät und erst nach einigen bösen Mails ab. Trotzdem haben solche Anbieter häufig Top-Scores bei den Nutzerbewertungen. Genauer: Sie kriegen extrem häufig fünf von fünf möglichen Sternen.

Reputation Inflation

Die vermeintliche Verbesserung der Ratings hat in den vergangenen Jahren so stark zugenommen, dass es sogar schon ein Wort dafür gibt: „Reputation Inflation“ nennen Forscher der New York University (NYU) dieses Phänomen. In einer kürzlich veröffentlichten Studie untersuchten sie an einer nicht genannten Gig-Economy-Plattform die Entwicklung der Feedback Scores über einen Zeitraum von neun Jahren. Wenn ein Job abgeschlossen war, sollte der User den Dienstleister auf einer Skala von eins bis fünf bewerten. Der Durchschnitt im Jahr 2007 lag bei 3,74 Sternen. Schon innerhalb des ersten Jahres stieg er aber um etwa einen halben Stern an und lag 2016 bei 4,85 Sternen, also nur knapp unter der höchstmöglichen Bewertung.

Doch nicht, weil sich etwa die Dienstleistungen so sehr verbessert hatten. Mehr noch: die streberhaft ansteigenden Rankings sind für manche Plattformen ein ernstes Problem. Inflation bedeutet eben, die Wertung ist nichts wert. Wenn jeder Höchswertung hat ist es zum Beispiel für Uber schwer zu erkennen, wer eine gute Diestleistung erbringt und auch der Nutzer hat keine verbindliche Qualitätsgarantie.

Wenn dann tatsächlich einmal ein Fahrer weniger als fünf Sterne hat, könnte er existenziell in seinem Job gefährdet sein. Seit vergangenem Jahr fordert der Fahrdienst eine Erklärung, wenn ein Nutzer weniger als fünf Sterne vergeben möchte. Aber wie kommt es überhaupt, dass viele Anbieter grundsätzlich Topratings bekommen? Ganz einfach: Die Nutzer sind zu nett.

Rating-Altruismus

Die User solcher Portale wirken wie die Wanna-Be-Retter der Empathie. So auch auf der Plattform in der NYU-Studie: Niemand will dem anderen schaden. Denn den meisten Nutzern ist bewusst, dass sie mit ihren Bewertungen einen starken Einfluss auf zukünftige Jobchancen des Bewerteten haben. Schuld an deren Absturz wollen sie aber nicht sein – Petzen ist nun mal unbeliebt. Ehrlich sieht anders aus. Denn als auf der Plattform eine Funktion freigeschaltet wurde geheim eine schriftliche Bewertung abzugeben, fielen diese negativer, beziehungsweise konstruktiver aus.

Hinter der „Reputation Inflation“ bei den Bewertungen vieler Portale versteckt sich also eine Art Rating-Altruismus der Nutzer. Und genau diesen sollten die Bewertungsplattformen ausnutzen, so die Forscher. Dafür müssten die edlen Absichten in ehrliche Ratings umgewandelt werden, und zwar indem man dem altruistisch motivierten Nutzer die Notwenigkeit von negativen Bewertungen schmackhaft macht – konstruktive Kritik und so.

Andere Möglichkeit: den Rating-Spieß umdrehen und den Usern selbst eine Reputation verleihen. Wer besonders ehrlich bewertet kriegt eine Freifahrt, ein Gratis-Eis, ein Profil-Upgrade. Ehrliche Bewertungen nutzen schließlich allen und man sitzt hoffentlich nicht nochmal im Fünf-Sterne-Kellerloch.

 

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