Leadership & Karriere Quo vadis Internet: Warum die Urheberrechtsreform der EU fatal ist

Quo vadis Internet: Warum die Urheberrechtsreform der EU fatal ist

Sogar das altbewährte „Spiel mit dem Feuer“ oder der „gefährliche Irrweg“ wurden diesmal aus der Phrasenkiste gekramt, um wieder einmal „Ende des Internets“ heraufzubeschwören. Nun ist es aber auch so, dass das Internet ziemlich viele Feinde zu haben scheint, beziehungsweise Menschen an den Regulierungsschaltern sitzen, die es nicht verstehen. Und weil es immer wieder krude Regulierungsvorschläge gibt oder mal wieder das Ende der Netzneutralität von der amerikanischen Telekommunikationsbehörde FCC  beschlossen wird, muss eben auch ebenso oft das Internet gerettet werden. Neuestes Lieblingskind der Internet-Nicht-Versteher: Upload-Filter.

Beziehungsweise „angemessene und verhältnismäßige Maßnahmen“, die dafür sorgen sollen, dass keine illegalen Werke auf Plattformen verfügbar sind. Sie sind Teil eines Entwurfs zur EU-Urheberrechtsreform, über den am Donnerstag im Europaparlament abgestimmt wird. Wird dieser durchgewunken und umgesetzt, ist fortan mit erheblichen Freiheitseinschränkungen im Netz zu rechnen.

Was sind Upload-Filter?

Bei Upload-Filtern handelt es sich ganz schlicht um Software, die Inhalte prüft, bevor sie auf einer Plattform landen. Geht es nach dem EU-Parlamentsmitglied Axel Voss von der CDU, der den Entwurf initiierte, sollen Plattformen mit User Generated Content, also zum Beispiel Youtube, Facebook, Twitter, aber auch Cloud-Dienste wie OneDrive künftig dazu verpflichtet werden. So sollen Urheberrechtsverletzungen erkannt und die Verbreitung nicht lizensierter Inhalte unterbunden werden.

Schön und gut, Urheber sollen für ihre Leistung auch kompensiert werden. Das Problem hier ist aber: der Entwurf hat ein Verständnis von Urheberrecht, der mit dem Internet als noch relativ jungem kulturellen Raum nicht kompatibel ist. Jedenfalls nicht ohne Zensur und klar eingeschränkter Meinungsfreiheit. Mit anderen Worten:

Es wäre der Tod der Meme-Kultur

Bitte? Um ein paar lustige Bildchen geht es uns, die wir dann nicht mehr teilen dürfen? Ja, so kann man das denken. Das beruht aber einerseits auf einem sehr elitären und verengten Kulturverständnis, das immer noch in eine vermeintlich wertvolle E- und eine weniger wichtige U-Kultur (ernste Kultur und Unterhaltungskultur) unterscheidet. Andererseits verkennt man dabei auch, dass Memes die kulturelle DNA des Internets bilden. Sie sind letztlich Ausdruck genau des Kulturbetriebs, der uns seit den sechziger Jahren noch vor klassisch westlicher Hochkultur prägt: einer auf Referenzen, Remixen und Zitaten beruhenden Popkultur. In dieser stark verkürzten Reihenfolge also: Beatles, Andy Warhol, Internet, Memes.

Rettet das Internet (schon wieder)

Vorliegender Gesetzesentwurf ist aber auch eine Erfolgsgeschichte in Sachen Lobbyarbeit großer Verlage und Rechteinhaber. Und die können real wirtschaftliche Auswirkungen haben. These: Wird umgesetzt, was geplant ist, können sich große Verlage und Unternehmen weiter monopolisieren, während kleine Unternehmen, NGOs und sonstige gemeinnützige Organisationen das Nachsehen haben. Nicht etwa, weil die Kleinen geistiges Eigentum klauen würden, sondern ganz einfach, weil sie ihrer Sichtbarkeit beraubt werden würden.

Und weil Google aufgrund von Lizenzvereinbarungen bereits Filtersysteme benutzt, gibt es auch schon Beispiele dafür: Als Pinkstinks im März die Kampagne „Not Heidi’s Girl“ gegen „Germany’s Next Topmodel“ startete, berichtete daraufhin RTL über das dadurch entstandene Video der feministischen Protestgruppe. Der Google-Filter Content ID ordnete das Video als urheberrechtlich geschütztes Material von RTL ein, woraufhin es für mehrere Stunden gesperrt wurde. „Für große Unternehmen wie RTL sind sieben Stunden gar nichts, für virale Kampagnen wie unsere kann es das Ende bedeuten“, sagte Pinkstinks-Chefin Stevie Schmiedel damals.

 

Das passierte, weil RTL automatisch eine Art digitalen Fingerabdruck all seiner Shows an Google übermittelt, um zu verhindern, dass illegale Kopien im Internet auftauchen. Und zwar auch, wenn der Sender über die Rechte bestimmter Inhalte gar nicht verfügt, sondern lediglich Teil einer Sendung waren.

Mag sein, dass das ein Einzelfall ist. Würden Anbieter von User Generated Content jedoch verpflichtet, alle Uploads zu filtern, könnte aus solchen Einzelfällen Standard werden.

Präventivzensur

Ein weiteres Problem: Weil der Gesetzgeber seine eigene Pflicht zur Ahndung von Urheberrechtsverletzungen auf die Plattformen überträgt, werden diese auf Nummer sicher gehen. Im Zweifel ignorieren sie Meinungsfreiheit und filtern präventiv alles raus, was eine Urheberrechtsverletzung darstellen könnte. Fazit also: Das EU-Parlament sollte dem Entwurf auf keinen Fall zustimmen. Wir sollten uns dringend darüber unterhalten, was Urheberschaft heute eigentlich bedeutet, anstatt das Internet in analoge Korsetts zwingen zu wollen.

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