Green & Sustainability Fünf Startups, die die Gesellschaft nachhaltig verbessern

Fünf Startups, die die Gesellschaft nachhaltig verbessern

Selbstversorgende Supermärkte, E-Roller an jeder Ecke und freies Internet für alle – fünf Beispiele, wie junge Anpacker unser Leben revolutionieren wollen. Von Michael Moorstedt

#1 Urbane Farmen

Tomaten vom Strauch pflücken, in den Einkaufswagen legen – und ab zur Kasse: So stellen sich die Gründer Nicolas Leschke und Christian Echternacht den Supermarkt der Zukunft vor. Und der könnte bald Wirklichkeit werden. Mit ihrem Unternehmen ECF Farmsystems haben die zwei Jungunternehmer schon heute mitten in Berlin eine Farm errichtet, direkt neben Möbelhäusern und Baumärkten. Die Anlage verbindet Fischaufzucht und Gemüseanbau. Ihre Nährstoffe erhalten die Pflanzen im Gewächshaus von Barschen, die in Bottichen nebenan schwimmen. Das von den Fischen verbrauchte Wasser voller Ausscheidungen wird von Filtern aufbereitet und dann punktgenau zu jeder einzelnen Pflanze geleitet: Aquaponik nennt sich das.

Stadtfarmen wie diese sollen nicht nur selbstversorgende Supermärkte ermöglichen, sondern vor allem die wachsende Stadtbevölkerung effizient ernähren. Die Anlage in Berlin arbeitet weitestgehend CO2-neutral und verbraucht um 90 Prozent weniger Wasser als konventionelle Landwirtschaft. Mittlerweile produziert ECF 7500 Töpfe Basilikum pro Woche und 30 Tonnen Fisch pro Jahr. Aus der Hauptstadt für die Hauptstadt – ohne langen Transport.

#2 Strom aus der Box

Einstecken und loslegen. Wenn heutzutage nur alles auf der Welt so einfach ginge wie die Installation eines Smartphones! Zum Beispiel ein ganzes afrikanisches Dorf mit Strom zu versorgen – das dachte sich Torsten Schreiber, als er in Mali Dörfer besuchte, deren Bewohner im 21. Jahrhundert ohne Stromanschluss leben. Für den Aufbau einer flächendeckenden Energieinfrastruktur mit Kraft- und Umspannwerken fehlt es dem Land schlicht an Geld. Schreiber baut mit seinem Unternehmen Africa Greentec deshalb modulare Solarkraftwerke, die den Strom dort produzieren, wo er gebraucht wird. Das nötige Geld dafür hat Schreiber via Crowdfunding-Plattform eingesammelt.

Im Jahr 2015 errichteten Torsten Schreiber und seine Mitarbeiter einen ersten Prototypen in Mourdiah, einem Dorf nördlich von Bamako. Er hat die Standardmaße eines Frachtcontainers und kann deshalb gut verschifft werden. Acht weitere Anlagen sind seitdem bereits hinzugekommen – fünfzig sollen es bereits nächstes Jahr sein. Jeder Container kann 4000 Menschen mit Strom versorgen und ist innerhalb von zwei Tagen auf- und wieder abgebaut. Die sogenannten Solartainer sind ein All-in-one-Produkt, sie beinhalten nicht nur ein voll funktionsfähiges Kraftwerk, sondern auch Anlagen zur Trinkwasseraufbereitung und für Internetverbindungen.

Schreiber hält nicht viel von Entwicklungshilfe, bei der Wohltäter aus den Industrienationen einen Brunnen bohren und dann wieder abreisen. „Das ist so effektiv, wie mit einer Gießkanne die Wüste zu bewässern“, sagt er. Er versteht sich als Social Entrepreneur, „der dorthin geht, wo sich sonst niemand hintraut“. Wo die Anlagen aufgebaut werden, entstehen kleine Oasen moderaten Wohlstands, die Bewohner sparen Geld, sie können Kühlschränke betreiben und die Ernten einlagern, Betriebe siedeln sich an, die Menschen leben besser. Ganz ohne Entwicklungshilfe. Sondern durch Plug and Play.

#3 Netz für alle

Wer in den Straßen der großen Städte seinen Blick nach oben richtet, sieht sie vielleicht. Kleine Kästen, die auf Fensterbrettern, an Regenrinnen, ja sogar auf Kirchendächern montiert sind. Es sind kleine WLAN-Router im Dienst der Allgemeinheit. So entsteht ein zweites Netzwerk, dezentral, anonym, kostenlos und unüberwacht: Freifunk. Dabei handelt es sich nicht um ein hippes Startup, sondern eher eine digitale Bürgerinitiative. Es gibt sie bereits seit 2001. Schon damals existierte das Sinnbild vom Internet als Datenautobahn, die Realität sieht anders aus: Für die aller- meisten Nutzer gilt Schneckentempo. Darum trifft sich in Berlin eine Gruppe von Aktivisten, die das Ziel haben, den tristen Status quo zu ändern. Unzensiert, nicht kommerziell und vor allem frei zugänglich soll der Datenverkehr sein.

Man sei „überzeugt, dass Zugang zum Netz in einer digitalen Gesellschaft ein Grund- und Menschenrecht ist“, sagt auch Monic Meisel, die seit Anbeginn bei Freifunk dabei ist. In ihrer Freizeit machen sich die digitalen Ehrenamtler auf Dächern zu schaffen, um neue Antennen zu installieren und Funklöcher zu stopfen. Gerade auf dem Land ist das dringend nötig, hier zeigt sich die digitale Rückständigkeit, in der sich Deutschland in Teilen immer noch befindet. Das Mobilfunknetz ist oft sehr schwach und Freifunk mitunter die einzige Möglichkeit, in der Öffentlichkeit schnelles Internet zu empfangen.

Mehr als 400 lokale Gruppen gibt es mittlerweile allein in Deutschland. Zusammen stellen sie beinahe 50.000 öffentliche Hotspots zur Verfügung. Doch die Freifunker sind längst eine globale Bewegung, deren Antennen überall auftauchen. Auf den Industrieruinen der hippsten New Yorker Viertel ebenso wie in Afghanistan, Südafrika oder eben in Tuttlingen im Schwarzwald.

#4 Gute Sache mit Haken

Glaubt man den Mythen des Silicon Valley, sind viele Ideen, die später die Welt verändern sollten, in einer Garage entstanden. Google zum Beispiel. Oder Apple, Microsoft und Amazon. Da passt es, dass auch das Münchner Startup Brot am Haken an einem solchen Ort seine Zentrale hat. Denn auch wenn sich die Idee des Gründers Michael Spitzenberger einfach anhört, ist sie womöglich ähnlich revolutionär. Sein Konzept: Menschen, die es sich leisten können, kaufen bei ihrem Lieblingsbäcker um die Ecke zwei Brezen, nehmen aber nur eine mit. Der Bon für die zweite wird als „Gutschein“ an einen Haken gehängt. Das Geschenk kann jeder vom Haken nehmen und einlösen.

So schafft Spitzenbergers Projekt eine Win-Win-Win-Situation. Menschen, die es nötig haben, freuen sich über eine kostenlose Mahlzeit und die Betreiber der Geschäfte über zusätzlichen Umsatz, von dem die Initiative die Hälfte einbehält, um das Netzwerk auszuweiten und die laufenden Kosten zu decken. Fünfzig Geschäfte machen bereits mit, neben Bäckereien auch Imbisse, Friseure und Kosmetikstudios. Weil der Gründer mit den Produktnamen nicht hinterherkommt, steht nur noch „Freude“ an den Haken. Mehr als 20.000 Gutscheine sind schon verteilt worden. In Kürze sollen die ersten Hakenbretter in Berlin hängen.

Bedürftig – das sind ja nicht nur Obdachlose, sondern auch von Armut bedrohte Rentner oder Alleinerziehende. Die Haken sollen auch gegen die Anonymität der Großstadt wirken. Manche schreiben noch eine Widmung auf die Zettel. Ein kleines Zeichen für mehr Miteinander.

#5 Adé, Parkplatzsuche

Leise soll sie sein, kostengünstig, abgasfrei, ausleihbar, ach ja, und platzsparend, bitte schön. Geht es um die Mobilität der Zukunft, kommen einige Erwartungen zusammen. Und solange wir noch auf die senkrechtstartenden Flugtaxis warten, bietet sich eine charmante Übergangslösung an: Elektroroller. Kaum ein anderes Gefährt verkörpert die Ansprüche an den Stadtverkehr von morgen schon heute so eindrucksvoll wie die Zweiradflitzer. Dachte sich auch Valerian Seither, als er nach dem Studium mit seinen Mitgründern emmy startete, ein E-Roller-Sharing-Angebot.

Einer der größten Vorteile: Mit den Flitzern fällt die Parkplatzsuche aus. Wer in einem Leihauto auf der Suche nach einem Parkplatz schon unzählige Male schwitzend um den Block gekurvt ist, während die Mietgebühren von Minute zu Minute anstiegen, weiß davon ein Lied zu singen. Roller von emmy passen hingegen in (fast) jede Lücke. Man ist auf ihnen nicht nur emissionsfrei und leise, sondern auch elegant unterwegs. Immerhin sind die emmy-Roller der Simson Schwalbe aus den 1960er-Jahren nachempfunden. In der hinteren Box befinden sich zwei größenverstellbare Helme.

Voraussetzung für die Nutzung ist ein Führerschein (Klasse B). Die Roller, die voll beladen 100 Kilometer Reichweite haben, besitzen Austauschakkus – weder die Nutzer noch der Anbieter müssen sich also über jene Probleme Gedanken machen, die die Elektromobilität sonst allenthalben behindern: ausbaufähige Ladeinfrastrukturen und vor allem lange Ladezeiten. Inzwischen unterhält das Startup in fünf deutschen Städten – Berlin, Hamburg, München, Düsseldorf, Stuttgart – eigene Flotten, hat beinahe 100.000 Nutzer, die bereits mehr als vier Millionen Kilometer mit den Rollern gefahren sind. Neue Fahrzeuge werden durch Crowdfunding finanziert. Man ist also nicht nur Nutzer, sondern auch Investor. Valerian Seither hält das für eine konsequente Weiterführung der Sharing Economy.

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