Female Entrepreneurship „Produkte ohne gesellschaftlichen Mehrwert haben es heutzutage schwer“

„Produkte ohne gesellschaftlichen Mehrwert haben es heutzutage schwer“

Der Kauf von Tampons und Binden läuft eher ab wie ein Drogendeal: schnell und heimlich. Cordelia Röders-Arnold und einhorn wollen das ändern. Sie haben Periodenprodukte auf den Markt gebracht, die nachhaltig sind und mit Verpackungen daherkommen, die man nicht mit peinlich-berührtem Blick auf das Kassenband legen muss.

Cordelia, du bist bei einhorn „Head of Menstruation“. Wie kamst du zu diesem Titel?

Den habe ich mir selbst ausgedacht. Wir haben für die Produktentwicklung bei einhorn eine große Umfrage gemacht und 20 000 Leute zum Thema Menstruation befragt. Da gab es so viele interessante Geschichten, dass ich irgendwann das Gefühl hatte, ich weiß wie Deutschland menstruiert.

Und wie sieht so ein Tag bei dir im Office aus. Was sind deine Aufgaben in dieser Position?

Ich arbeite viel an dem Thema Produktion, telefoniere mit Lieferanten, bespreche mich mit dem Team und arbeite an Content für Social Media. Auf unserem Instagram-Kanal @einhorn.period sprechen wir viel über das Thema Periode.

Wie bist du überhaupt darauf gekommen, dich beruflich mit der Menstruation zu beschäftigen?

Ich war vorher bei Beiersdorf in Hamburg. Sieben Jahre lang. Und hatte eines Morgens diesen typischen Generation-Y-Moment als ich mich gefragt habe, warum ich das eigentlich mache. Mir hat die Arbeit immer Spaß gemacht, aber ich hatte das Bedürfnis gesellschaftlich einen größeren Impact zu leisten. Und dieses ganze Periodensortiment hat mich aus einer Marketing-Perspektive schon immer interessiert, weil ich mir dachte: Wie kann das sein, dass es keine nachhaltigeren Lösungen im Massenmarkt gibt und warum sehen die Regale in Drogeriemärkten so totlangweilig aus.

Cordelia Röders-Arnold. Offiziell Head of New Business Development bei einhorn. © Verena Brandt

Dann kamst du zu einhorn und hast dieses „Problem“ quasi in die Hand genommen. Von der Idee zum Produkt: Wie war da der Prozess?

Am Anfang stand ganz klassisch die Umfrage. Wir mussten erst mal herausfinden, welche Produkte sich die Menschen da draußen wünschen. Durch die Umfrage wurde uns aber bewusst, was für ein Tabuthema die Menstruation noch ist. Wie viel Schmerz und Scham und Probleme mit diesem Thema einhergehen. Wie viel Unverständnis und Unwissen über den eigenen Körper noch herrscht. Das zu lesen hat uns sehr schnell von der Idee abgebracht, einfach nur ein Produkt zu bringen. Da war klar, dass wir erst mal Aufklärung betreiben und an einer positiveren Wahrnehmung der Periode arbeiten müssen. Parallel haben wir dann aber angefangen uns mit den Produkten zu beschäftigen. Wir haben überlegt, wie sie aufgebaut sein müssen und wie wir sie nachhaltig gestalten können. Wir haben auch lange darüber nachgedacht wofür wir als Unternehmen eigentlich stehen wollen. Und, das ist das zentrale Element – sich zu fragen, warum es diese Produkte geben muss.

Und: Warum muss es diese Produkte geben?

Damit wir nachhaltig menstruieren können, aber auch um Menstruierende zu empowern. Wenn man sich die Produkte anschaut, dann sieht man, dass sie Überbringer von Nachrichten sind.

Wie setzt ihr dann das Thema Nachhaltigkeit bei euren Produkten um? 

Wir haben überlegt, ob wir überhaupt Wegwerfprodukte machen wollen und haben uns aber dafür entschieden. Stichwort: Menstruationsarroganz. Ich finde nichts ist schlimmer als Menschen, die sagen wir haben das gefunden was richtig ist, und alle sollen das jetzt benutzen. Natürlich ist der Cup das nachhaltigste Perioden-Tool, aber er ist noch nicht für jede etwas. Wir waren uns einig, dass wenn wir schon Tampons auf den Markt bringen, dass sie dann aus richtig geiler Bio-Baumwolle sein müssen, von der wir wissen, woher sie kommt. Deswegen arbeiten wir mit der BioRe-Stiftung zusammen. Das ist eine Stiftung, die Bio-Bäuerinnen und Bauern in Tansania mehr als den Marktpreis bezahlt und ihnen eine Abnahmegarantie gibt. Da sind wir auch vor Ort gewesen.

Was habt ihr da gemacht?

Wir haben die Stiftung besucht, die dort ein Schulungszentrum hat. Da haben wir erst mal gelernt, wie Bio-Baumwolle angebaut wird und was der Unterschied zum konventionellen Anbau ist. Nämlich, dass keine Pestizide versprüht werden. Wir haben aber auch erfahren, wie BioRe den Farmern beibringt nachhaltig anzubauen und wie wichtig die Bio-Baumwolle als Einnahmequelle für die Familien ist. Wir haben aber auch die Herausforderungen gesehen, die dort vorhanden sind. In Tansania herrscht nämlich eine unglaubliche Wasserknappheit.

Wieso bezieht ihr dann eure Bio-Baumwolle aus Tansania, wenn es diese Herausforderungen gibt. Und auch der Import nicht so gut für den ökologischen Fußabdruck ist?

Bio-Baumwolle wächst nun mal nicht in Deutschland. Der Großteil der Baumwolle, den unsere Lieferanten normalerweise nutzt, kommt aus der Türkei oder Pakistan. Da ist es allerdings schwieriger lokale Initiativen zu unterstützen. Es ist uns aber sehr wichtig, deshalb haben wir uns für Tansania entschieden.

Auf welche Probleme seit ihr bei der Produktentwicklung gestoßen?

Die Lieferanten haben uns den Vogel gezeigt, als wir gesagt haben, dass wir unsere eigene Bio-Baumwolle aus Tansania mitbringen wollen. Das kannten die gar nicht. Und dann kamen wir auch noch mit wilden Ideen, ob man die Rillen nicht irgendwie anders machen und den Tampon nicht als Horn, wie bei einem Einhorn, designen könnte. Die Binden sind in Bioplastik aus Maisstärke eingepackt. Wir haben auch lange überlegt, ob wir das nicht auch aus Papier machen können. Unser Verpackungsingenieur ist extra nach Mailand gefahren und hat unterschiedliche Materialien an der Maschine ausprobiert. Wir wurden oft ernüchtert, weil die Dinge, die wir uns gewünscht haben, nicht in den Maschinen funktionieren. Gerade in so einem Business geht es nur um Menge und Effizienz. Da muss auch die Industrie anfangen flexibler zu werden, umzudenken und zu schauen wo sie einen Impact leisten kann.

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