Leadership & Karriere Vom Basketballstadion zum Voloport – Diese Architektin schreibt Mobilitätsgeschichte

Vom Basketballstadion zum Voloport – Diese Architektin schreibt Mobilitätsgeschichte

Aus Marken Räume machen, das ist der Job von Linda Stannieder. Nächster Meilenstein ihrer Agentur: Landeplätze für den Volocopter.

Agenturen gibt es viele. Aber kaum eine gestaltet die Zukunft der Mobilität gerade so sehr mit wie Brandlab: Die Berliner haben in diesem Jahr den ersten Voloport konzipiert und designt, einen mobilen Start- und Landeplatz für die autonomen Flugtaxis des deutschen Startups Volocopter. Der Prototyp wurde im Oktober fertiggestellt, es ist der erste Port für Flugtaxis weltweit. Und damit ein kleines Stück Mobilitätsgeschichte.

Linda Stannieder hat Brandlab 2014 mit drei weiteren Gesellschaftern, den Partnern des international renommierten Architekturbüros Graft, gegründet. Während die Männer eher als stille Teilhaber auftreten, leitet die hochgewachsene, oft ganz in Schwarz gekleidete Frau alleine das Geschäft. Was genau Brandlab macht, ist schwierig auf den Punkt zu bringen, man könnte es herunterbrechen auf Markeninnovation. „Uns zeichnet aus, dass wir in vielen Bereichen Neudenker sind“, sagt Stannieder. Die Agentur übersetzt Marken in Architektur, entwirft Messestände, macht UI- und UX- und Corporate-Design, betreibt Innovationsberatung, führt Strategiegespräche. In der Vergangenheit entwickelte Brandlab beispielsweise die europäische Interior-Design-Guideline für Zalando, entwarf E-Tankstellen für Eon oder konzipierte eine Ausstellung für VW zum Thema Nachhaltigkeit. Der Port für Volocopter ist das bisher prestigeträchtigste Projekt.

Aus Orientierungslosigkeit und zu vielseitigen Interessen studierte Linda Stannieder Architektur. Anschließend ging sie für sechs Jahre nach China, wechselte zu einer Markenberatung und gründete 2014 in Berlin ihre eigene Agentur Brandlab. Ihr Fokus: Markeninnovation. | @Heike_Overberg

Die Vielseitigkeit von Brandlab hängt stark mit Stannieder als Person zusammen. „Was mich ausmacht, ist: Ich bin nicht in einer Disziplin verhaftet“, sagt sie. Eigentlich hat die 40-Jährige Architektur studiert. Allerdings aus purem Zufall. Nach dem Abi wusste sie nicht, welchen Weg sie einschlagen sollte, zu vielseitig waren ihre Interessen. In ihrer Not ging sie in die Bibliothek, zog Bücher zu unterschiedlichsten Fachgebieten aus den Regalen und blätterte darin herum, in der Hoffnung, über ein Thema zu stolpern, das sie besonders fesselte. Zufällig wurde ein alter Herr auf sie aufmerksam, der sich als ehemaliger Universitätsprofessor entpuppte. Sie schüttete ihm ihr Herz aus. „Spontan sagte er: ‚Na, dann musst du Architektur studieren. Da hast du Soziologie, Kunst, Baukonstruktion, Materialwissenschaften, Chemie, Mathematik.‘ Daraufhin habe ich die Bücher zugeklappt und mich auf Architektur beworben“, erzählt Stannieder.

Tatsächlich fand sie das Studium, die Vielfalt großartig. Anschließend ging Stannieder nach China und bekam ihren ersten Job in einem deutschen Architekturbüro in Peking. „Dort habe ich von der Pike auf gelernt, was es heißt, Architektin zu sein“, sagt sie heute. Sie entwarf Hochhäuser, ein Basketballstadion, ein Museum in der Mongolei – Projekte, an die sie als Berufseinsteigerin in Deutschland niemals rangekommen wäre. „Mich hat total begeistert, was da für eine Stimmung herrschte, auch in der Architektur – die Aufbruchstimmung, die Größe der Projekte, die Andersartigkeit“, sagt Stannieder.

Doch bald war sie gelangweilt. „Mich interessieren Projekte, die Dinge zusammenbringen“, sagt sie. Multidisziplinarität, Meta-Denke, das sind ihre Steckenpferde. Über lange Zeiträume die gleichen Projekte betreuen, Pläne zeichnen, Pläne überarbeiten, das war zu einseitig für sie. „Irgendwann hat mich das Broschüren-Layout fast mehr interessiert, als den Grundriss noch fertigzumachen“, sagt Stannieder. Also wechselte sie als Design-Director zur Markenberatung Metadesign. Branding, Marketing und Corporate Identity wurden ihre Themen. Sie baute die Pekinger Niederlassung auf, bekam enorme Verantwortung. Rekapitulierend sagt sie: „Wenn ich jetzt Bilder von mir sehe, wie ich damals in chinesischen Altherren-Meetings saß, denke ich manchmal: Wieso haben die mir den Job gegeben? Da sitzt doch ein Kind am Tisch.“

Chinesische Schnelligkeit

Anfang 2012 kehrte Stannieder nach sechs Jahren zurück nach Deutschland. Sie wechselte innerhalb ihrer Firma ins Berliner Büro, stieg auf ins Managementboard. Es dauerte nahezu ein Jahr, bis sie sich wieder in Deutschland einfand. Im Privaten, aber viel mehr im Beruflichen. Sie war erstaunt, wie langsam alles geht, fühlte sich ausgebremst. „Der Wille, schnell vorwärtszukommen, Dinge zu testen, sich was zu trauen, ist viel ausgeprägter in China“, sagt Stannieder. „Irgendwann habe ich festgestellt, dass ich wieder in einen kleineren Nukleus zurückkommen muss“, sagt sie. „Wo ich im Team wieder den Drive schaffen kann, den ich aus China kannte.“ Es war der Impuls zur Gründung von Brandlab. Um Kompetenzen und Kundenkontakte zu bündeln, tat sie sich mit den Graft-Architekten zusammen. Ob die Agentur laufen würde, war ungewiss. Der Markt war gesättigt, der Wettbewerb groß, die Leistungen waren nichts Außergewöhnliches. Aber die vier glaubten an die Idee, an ihr Netzwerk, an die Interdisziplinarität.

VoloPort © Nikolay Kazakov

 

Zu Recht. Im Sommer 2019 feierte Brandlab fünfjähriges Jubiläum. Das Team ist auf 20 Mitarbeiter aus aller Welt gewachsen. „Viele Kunden nennen uns ‚das kleine Piratenschiff‘, weil wir eben eine andere Schnelligkeit, eine andere Dynamik haben“, sagt Stannieder. Das größte Problem zurzeit: Es kämen zu viele zu gute Anfragen, für die sich nicht schnell genug passende Leute finden. Wohl auch wegen Stannieder selbst, ihrer ruhigen, aber direkten Art. „Ich habe über die Jahre gelernt, kein Blatt vor den Mund zu nehmen“, sagt sie. „Tatsächlich öffnet das sogar eher Türen.“

So wie die von Volocopter. Seit 2012 tüftelt das Baden-Württembergische Startup an seinem Flugtaxi. 2017 fand der erste autonome Testflug in Dubai statt, Anfang September flog ein Volocopter erstmals in Europa über Stuttgart. Damit die kommerzielle Zulassung kommt, muss sich aber noch einiges tun. Eine wichtige Voraussetzung ist neben den noch fehlenden rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen ein funktionierendes Ökosystem. Volocopter arbeitet daran, seine Flugtaxis in den Betrieb von Airports einzubinden. Daneben soll es eine Infrastruktur aus Ports geben, die das Starten und Landen auf Freiflächen, Parkhäusern oder schwimmenden Plattformen ermöglichen.

VoloPort © Nikolay Kazakov

Diese Infrastruktur hat Brandlab zusammen mit den Graft-Architekten und dem Ingenieurbüro Arup in diesem Jahr entwickelt. Am 21. Oktober wurde der fertige Prototyp so eines mobilen Ports im Rahmen des ITS World Congress in Singapur präsentiert. Damit wird anschließend die gesamte Customer-Journey, von der Anreise über den Batteriewechsel bis zum Boarding, unter realen Bedingungen getestet und optimiert. „Das ist komplettes Neuland“, sagt Stannieder. „Wir mussten uns alles von Grund auf zusammen mit dem Kunden erarbeiten.“ Sämtliche Prozesse und Anforderungen mussten durchgespielt werden, um daraus abzuleiten, wie der Port am Ende aussehen könnte.

Vorfreude auf Freiheit

Herausgekommen ist ein futuristischer Bau mit wohnlicher Innenausstattung, der nichts mit herkömmlichen Flughäfen gemein hat. Stannieder erklärt das Design folgendermaßen: „In der Gestaltung ging es um die Vermittlung zwischen Himmel und Erde – als Bezugspunkte für unterschiedliche Qualitäten, Raumatmosphären und Emotionen. Der Bezug zur Erde schafft Wohlbehagen, Sicherheit und Vertrauen. Der Himmel steht für Leichtigkeit und vermittelt uns ein Gefühl von Vorfreude und Freiheit.“

Sosehr Linda Stannieder für ihre Arbeit brennt, privat gibt es für sie nur ein einziges Thema: ihre Familie. Zusammen mit ihrer Frau hat sie in den vergangenen drei Jahren drei Söhne bekommen. „Das alles ist natürlich nicht unanstrengend, aber ich kriege das mittlerweile ganz gut hin“, sagt Stannieder. Sie musste lernen, rigoroser zu werden, ihre Prioritäten zu erkennen, zu filtern, welche Entscheidungen sie wirklich selbst treffen muss und wo sie sich raushalten kann. Das scheint zu funktionieren, denn im Gegensatz zur Anfangszeit verbringt sie keine Abende und Nächte mehr im Büro. Die größte Herausforderung in ihrem Job sieht sie eher in der menschliche Komponente des Chefin-Seins. „Ich sehe mich nicht nur als Boss, der vorgibt, was zu tun ist, sondern auch die Verantwortung hat, die Leute zu coachen und zu gucken, wie man sie weiterentwickelt“, sagt Stannieder. Mitarbeiter gut zu führen, funktionierende Teams zusammenzustellen, eine angenehme Arbeitsumgebung zu kreieren, das sind Themen, mit denen sie sich viel beschäftigt, die ihr sehr am Herzen liegen. „Denn was am Ende zählt, ist, dass wir morgens ins Büro kommen, uns mögen und Spaß an dem haben, was wir da tun.“

 

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