Female Entrepreneurship The Female Company: „Die Periode läuft auch in der Krise weiter“

The Female Company: „Die Periode läuft auch in der Krise weiter“

Der Bereich FemCare ist seit letztem Jahr nicht mehr nur ein Thema, das in Badezimmern stattfindet, sondern auch Einzug im Investmentsektor erhält. Das Startup The Female Company hat sich in Zeiten von Corona neues Kapital ergattern können, um weiter wachsen zu können. Denn: Auch die Periode ist systemrelevant.

Wir haben mit Gründerin Ann-Sophie Claus gesprochen, was Tampons, Binden und Menstruationstassen für Investor*innen lukrativ macht, was sich beim Pitch verändert hat und weshalb es noch mehr Hygieneartikel im FemCare-Business braucht.

Ann-Sophie, inwiefern hat euch die Coronakrise akut getroffen?

Wir haben frühzeitig viel Arbeit in die Sicherung der Lieferkette gesteckt, mussten einen Teil des Lagers umsiedeln und innerhalb von 48 Stunden einen neuen Fulfillment-Partner onboarden. Besonders, da unsere FemCare-Produkte als „systemrelevant“ gelten, war die Sicherung der Ware und die Lieferfähigkeit an unsere Kundinnen und stationären Handelspartner im Fokus. Man mag es nicht glauben: Neben Klopapier und Desinfektionsmittel wurden in Drogerien doch tatsächlich vor allen Dingen Tampons gehamstert.

Neben diesen Herausforderungen bringt die Krise unserer Meinung nach aber auch kurz- und mittelfristig enorme Chancen für junge Organisationen wie uns: Abstimmungen, Zusammenarbeit, Kommunikationswege haben sich bei uns intern enorm verbessert und wir überdenken grade bisher nie in Frage gestellte Standards wie zum Beispiel die Fixkosten eines Büros.

Normalerweise würde man vermuten, dass die Gelder momentan nicht so locker sitzen. Was macht euch für Investor*innen auch in Zeiten von Corona lukrativ? 

Ich denke, alle Frauen dieser Welt können bestätigen: Die Periode läuft auch in der Krise weiter. Allerdings hatten wir intensive Gespräche mit Investoren wie Acton, der IBB und BurdaPrincipal Investments auch bereits vor Corona. The Female Company war das erste FemCare-Unternehmen, das in Deutschland mit einem Abo-Modell für Bio-Periodenprodukte auf den Markt kam.

Wir haben in den letzten Monaten bewiesen, dass wir zudem eine extrem loyale Community aufbauen können. Wir generieren knapp 70 Prozent unseres Umsatzes durch Non-paid-Kanäle. Wir bieten nachhaltig angebaute, chemie- und pestizidfreie Produkte, die Frau jeden Monat benötigt – und die Lieferung landet direkt im Briefkasten. Unsere Kundinnen konsumieren sehr bewusst, was unsere breite Aufklärungsarbeit auf unseren Plattformen rund um Frauengesundheit noch intensiviert.

Was glaubst du, welches war euer ausschlaggebendes Argument, dass ihr eine weitere Finanzierungsrunde ergattert habt? Hast du da noch eins aus eurem Pitch parat, das du mit uns teilen magst?

Wir glauben an uns, unser Produkt, als auch unseren Anspruch und bringen das auch rüber. Die aktuelle Herausforderung war sicherlich unsere Begeisterung per Videokonferenz im Lock-in zu vermitteln. Letztlich ausschlaggebend war aber wohl auch bei Investor*innen der Hinweis auf Nachhaltigkeit und bewussten Konsum als Langzeittrend, der von Ereignissen wie der aktuellen Krise eher gepusht statt geschwächt wird: Wir sind überzeugt, dass eine Marke wie The Female Company Post-Corona von einer langfristigen Änderung im Konsumentinnenverhalten profitieren wird.

Was wollt ihr mit dem neu gewonnen Kapital umsetzen?

Ein Teil des Kapitals investieren wir in die Erweiterung unseres digitalen Abo-Modells. Bei uns erhält die Kundin ihre Bio-Tampons, Bio-Slipeinlagen sowie Bio-Binden regelmäßig per Briefversand direkt zu sich nach Hause geliefert. Sie kann sich im Netz schon jetzt unterschiedliche Tampongrößen zusammenstellen und die Lieferung an ihren individuellen Zyklus anpassen.

Mit Hilfe der bisherigen Daten und dem Ausbau unserer Online-Plattform möchten wir den Konfigurationsprozess optimieren und für die Kundin noch einfacher und individueller gestalten. Zusätzlich haben wir uns vorgenommen, mit The Female Company und unseren Produkten weitere Tabus rund um den weiblichen Körper zu thematisieren. Kürzlich haben wir mit der „Mamma Box“ beispielsweise unser Wochenbett-Paket für junge Mütter gelauncht. Über den Wochenfluss und die Wundheilung wird kaum gesprochen und die ersten Wochen nach der Geburt sind für die meisten immer noch ein Mysterium.

©The Female Company

Welche Produkte wollt ihr auf den Markt bringen?

Wir möchten bald einen Rundumservice für die Periode bieten. Die Kundin soll bei uns alles bekommen, was sie rund um ihren Zyklus benötigt. In den letzten Monaten kamen neben Bio-Tampons, -Slipeinlagen und -Binden die TFC-Menstruationstasse hinzu. Darüberhinaus verrate ich gerne so viel: Wir beschäftigen uns 2020 mit bisher vernachlässigten Themen rund um die Vulva der Frau, über die niemand gerne spricht.

Wieso benötigt es noch mehr Periodenprodukte in unseren Badezimmern? 

Als Sinja und ich The Female Company gegründet haben, waren wir geschockt über die Intransparenz am Markt. Hersteller müssen auf der Verpackung zum Beispiel nicht angeben, aus was ihre Periodenprodukte bestehen. Als monatliche Nutzerinnen der Produkte war uns wichtig, dass Frauen mehr über die Inhaltsstoffe erfahren. So werden alle Bio-Periodenprodukte aus zertifizierter Bio-Baumwolle, angebaut ohne Chemikalien und Pestizide, hergestellt.

Zusätzlich wird pro verkaufter Packung unser „Pads For Girls“-Projekt in Indien unterstützt, in dem waschbare Stoffbinden genäht und verteilt werden. Kurzum: Produkte rund um tabuisierte Bereiche des weiblichen Körpers wurden Jahrzehntelang in die unterste Ecke des Drogeriemarktregals verbannt. Wir ändern mit The Female Company solche Produktkategorien – und klären über unsere Plattform über Frauengesundheit auf.

Wie wollt ihr Tech & Data einsetzen?

Nachdem wir in den letzten Monaten einen großen Fokus auf die Sichtbarkeit der Marke gelegt haben und mit unseren Kampagnen national als auch internationale Reichweite aufgebaut haben, möchten wir einen Teil des Kapitals dafür einsetzen, auch die technischen Komponenten weiterzuentwickeln. Unter anderem steht der Launch einer optimierten Webseite auf dem Plan sowie verbesserte Möglichkeiten für die Kundin, ihre regelmäßigen Lieferungen am Smartphone zu managen.

Ihr setzt euch viel für die Enttabuisierung der Periode ein, und es hat sich im Bereich FemCare in letzter Zeit einiges getan. Was ist eure Erfahrung, wenn ihr auf Investor*innen oder andere Gründer*innen trefft: Ist die Periode noch immer ein Tabu-Thema und werdet ihr als Gründerinnen vielleicht auch mit Vorurteilen konfrontiert? 

In letzter Zeit ist wirklich viel rund um die Periode passiert: Ich glaube, so viel Presse wie durch das „Tampon Book 2019“ und die entsprechende Senkung der Tamponsteuer gab es für die Menstruation noch nie. Wir merken auch am Zuspruch direkt oder indirekt aus unserer Community, dass sich etwas ändert. Auch die Männer versuchen wir mit unseren Aufklärungsvideos in der #MENstruation einzubinden und mitzunehmen.

Bei Investor*innen konnten wir außerdem selbst den konkreten Kulturwandel beobachten: Während in den letzten zwei Jahren tatsächlich häufig die Praktikantin zu unserem Pitch dazugeholt wurde, damit jemand „das Thema““ versteht, saßen in der aktuellen Runde erstmals viele Investorinnen mit am Tisch. Entsprechend sind wir stolz, einen primär weiblichen Beirat zu haben.

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