Ablage So digitalisieren sich kleine Unternehmen wie Tattoostudios in der Coronakrise

So digitalisieren sich kleine Unternehmen wie Tattoostudios in der Coronakrise

Als im März auf einmal fast alle Läden und Geschäfte dichtmachen mussten, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern, war das für die meisten Klein- und Kleinstunternehmen nicht weniger als eine Katastrophe. Leute, die davon lebten, dass Kund*innen zu ihnen in den Laden kommen, waren auf einmal ihrer Lebensgrundlage beraubt. Die Frage war also: was jetzt?

Florian Riffel betreibt das Tattoo-Studio „Autark“ in Berlin Charlottenburg. „Das ist ein Handwerk, das funktioniert ja nur analog“, sagt der 37-Jährige. Leute müssen zu ihm kommen, er und seine Mitarbeiter*innen müssen ihnen die Tattoos direkt auf die Haut stechen. Mehr Körperkontakt geht also kaum. Um in der Zeit, als sein Laden zu war, trotzdem Geld zu verdienen, hat sich Riffel etwas ausgedacht. „Die Idee war, dass wir temporäre Tattoos machen und die online verkaufen“, sagt er.

Profitable Idee: temporäre Tattoos

Klingt nach nicht viel. Zuerst. Doch die Klebetattoos seien sehr gut angenommen worden, sagt der Tätowierer. Er hat also aus der Not eine Tugend gemacht, seine Seite gemeinsam mit dem Hosting-Dienst Godaddy verbessert und modernisiert und so nebenbei für seinen Laden nicht nur ein zweites Standbein in der Krise, sondern auch eine vertrauensbildende Maßnahme für seine Kundschaft geschaffen.

„Es geht doch darum, dass wir den Kund*innen nicht das Geld aus der Tasche ziehen“, sagt Riffel. „So nötig haben wir es nicht.“ Mit den Corona-Tattoos könnten die Leute nun erst mal testen, ob permanente Tattoos wirklich was für sie sind. „So kann man erst mal seiner Familie, seinen Freunden oder seinen Kolleg*innen gegenübertreten, ohne dass man das gleich für immer auf der Haut hat“, sagt Riffel.

Neben den Hautaufklebern haben Riffel und sein Team natürlich auch Gutscheine online verkauft und das eigene Blog auf der Seite gepflegt, auf dem sich die Interessierten informieren können. Klar, Riffel ist froh, dass er gerade wieder vor Ort in seinem Studio arbeiten kann, trotzdem habe die Krise ihm Wege eröffnet, über die er vorher nie nachgedacht hat.

Paul Ashcroft verantwortet das Deutschland-Geschäft von Godaddy und sagt, dass immer mehr Unternehmer Offline- und Online-Kanäle als komplementär ansehen. Foto: Godaddy

Der Hosting-Anbieter Godaddy verzeichnet in den vergangenen Monaten einen signifikanten Anstieg neuer Websites in ihrem Ökosystem. Paul Ashcroft, der das Deutschlandgeschäft von Godaddy verantwortet, meint: Es ist anzunehmen, dass sich das, was gerade in der klassischen Wirtschaft passiert – also Homeoffice und Zoom-Meetings, die Dienstreisen ersetzen – auch auf die kleinen Betriebe auswirken wird. In Großbritannien spricht man bereits von der digitalen Revolution 2.0. Und in Deutschland?

Online als Ergänzung des Offline-Geschäfts

Bisher hätten viele Unternehmen Offline- und Onlineangebote als zwei nicht kompatible Kanäle angesehen. „Das ändert sich“ sagt Ashcroft. Jetzt merken sie: „Online ist eine Ergänzung des Offline-Geschäfts und sollte nicht als Bedrohung angesehen werden.“ Vor allem natürlich für die, die plötzlich in ihren geschlossenen Ladengeschäften standen und um ihre Existenz fürchteten.

Wirtschaftliche Gründe seien für viele in den vergangenen Monaten ein Treiber gewesen, das eigene Geschäft zu erweitern. Aber nicht nur. „Wir sehen, dass es bei vielen auch um ihre Identität als Unternehmer*innen geht“, sagt Ashcroft. Deren Geschäft sei oft mehr als „nur“ ein Geschäft, dahinter steckt eine Idee, ein Leben, fast schon eine Ideologie.

Gerade im Bereich der Kleinst- und Kleinunternehmen sind das in Deutschland richtig viele. „Man schaut oft auf die großen Unternehmen, auf die großen Schiffe und Marken – dabei arbeiten mehr als 60 Prozent der Beschäftigten in kleinen und mittelständischen Unternehmen, von denen die meisten Betriebe mit weniger als zehn Mitarbeiter*innen“ sind“, sagt Ashcroft.

Und wenn viele von denen bisher keine eigene Seite haben, ist es kein Wunder, dass ein Unternehmen wie Godaddy dort einen riesigen Wachstumsmarkt sieht – einen Markt, den es zu bedienen gilt. Mit schnell gebauten Websites im Baukastenprinzip. 30 Minuten dauere es, eine einfache Seite zu bauen, sagt der Godaddy-Mann. Dazu gehören eine eigene Domain und eine professionelle Mail-Adresse. Für viele sei das bereits ein großer Schritt.

Samuel Bisrat hat nach Wegen gesucht, sein Unternehmen „Outdoorkids“ digital aufzustellen. Foto: Outdoorkids

Ein anderer, der in den vergangenen Monaten nach einem Weg gesucht hat, sein Geschäft durch die Krise zu führen, ist Samuel Bisrat. Vor drei Jahren hat der 25-jährige Frankfurter „Outdoorkids“ gegründet. Er bietet ein Sportangebot für Kinder, aber auch Events wie Kindergeburtstage oder Betreuungen bei Veranstaltungen wie Hochzeiten oder Fußballspielen an. Nichts von dem, womit er sein Geld verdient, durfte in den Shutdown-Monaten stattfinden.

Corona, sagt Samuel deshalb auch, „ist ein langes Thema. Da kann man sehr viel zu erzählen“. Vor allem, weil niemand abschätzen konnte, wie lange die Durststrecke dauern würde. „Also mussten wir uns überlegen, wie wir das Ganze am Leben halten“, sagt Bisrat.

Digital aus der Krise hervorgehen

Die Frage war: „Wenn wir das, was wir normalerweise machen, nicht machen können – was machen wir dann?“ Bisrat hat die Zeit genutzt, sich ein neues Geschäftsmodell zu erarbeiten, mit denen er seine Kund*innen erreichen kann. Seine Lösung: Youtube. Sportvideos also, mit denen versucht, sein Angebot digital weiterzuführen. Natürlich ginge das nur begrenzt und am Ende sei sein Geschäft das physische Aufeinandertreffen von Menschen – aber: Samuel hat gezeigt, dass es ging. Wenigstens eine Zeit lang.

Doch Bisrat hat sich auch vorgenommen, dass die Oudoorkids digitaler und stärker aus der Krise hervorgehen sollen. „Wir können ja nicht nur die Veranstaltungen digitalisieren, sondern auch die gesamte Kommunikation“, sagt er. Eine App soll das Erlebnis verbessern, Kurse werden gegen Geld auf seiner Seite angeboten, Bisrat hat seine Seite einmal vom Kopf auf die Füße gestellt und sich überlegt, wie man Kund*innen im Netz bessere erreichen kann, wie man Kurse und andere Angebote koordinieren kann. „Am Ende wollen wir komplett digital dastehen“ sagt er.

Bisher ist es ein kleiner Button auf der Seite von Outdoorkids, der darauf hinweist, was Bisrat vorhat. „Neu“ steht da. Dahinter verbergen sich Sport-Videos und Kurse, die Kund*innen mit ihren Kids machen können, die Bildungseinrichtungen und andere Partner*innen abrufen können. „Irgendwie haben wir es geschafft, dass wir Eltern und deren Kindern durch diese Zeit geholfen haben“, sagt er – und: „Eigentlich hat das dem Unternehmen gutgetan.“

Riffel und sein Tattoo-Studio und Bisrat mit seinen Outdoorkids sind natürlich nur zwei von sehr vielen Beispielen, die versuchen, in der Krise neue Wege zu gehen. Sie zeigen: Es geht. Wenn man will.

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