Leadership & Karriere Lego Serious Play – was taugt die Kreativitätstechnik?

Lego Serious Play – was taugt die Kreativitätstechnik?

Lego-Steine kennt man als Kinderspielzeug – genau heute feiern sie ihren 63. Geburtstag, denn am 28. Januar 1958 reichte Godtfred Kirk Kristiansen das Patent für den Lego-Stein ein. Aber taugen die bunten Bauklötzchen auch als Kreativitätstechnik für Unternehmen? Wir durften bei einem Lego Serious PlayWorkshop dabei sein.

An einem grauen Oktobermontag, kurz nach zehn, sitzt der Chef einer Unternehmensberatung zusammen mit vier Mitarbeiter*innen an einem sehr langen Konferenztisch in einem sehr leeren Bürogebäude in Berlin-Adlershof. Alle sind vertieft in die Arbeit, denn ihre Aufgabe ist knifflig: Sie sollen eine Schildkröte bauen. In nur fünf Minuten, aus bunten Lego-Steinen. Klar, die Schildkröte ist natürlich nur der sichtbare Teil der Aufgabe. Eigentlich geht es heute darum, den Grundstein für die Zukunft ihrer Unternehmensberatung zu legen. Ihr Ziel: die Unternehmensvision für das Jahr 2022 aufzubauen, mit bunten Lego-Steinen.

Lego Serious Play heißt die Methode, nach der hier gearbeitet wird. Und die geht zurück auf das Jahr 1995. Damals steckte der dänische Spielwarenkonzern Lego in finanziellen Schwierigkeiten, Gameboys und Playstations machten dem Plastikklötzchenproduzenten massiv Konkurrenz. Interne Strategieworkshops sollten Lego kreative Antworten auf die neue Gefahr bringen, doch die konventionellen Methoden enttäuschten. 20 Prozent der Teilnehmer*innen hätten 90 Prozent der Redezeit eingenommen, so der Mythos. Der damalige Lego-Geschäftsführer Kjeld Kirk Kristiansen kam schließlich gemeinsam mit den beiden Managementprofessoren Johan Roos und Bart Victor auf die Idee, Lego-Steine ins Spiel zu bringen und so einen alternativen Ansatz für strategische Workshops zu entwickeln – mit großem Erfolg.

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Anfang 2002 wurde Lego Serious Play dann der Öffentlichkeit vorgestellt. Robert Rasmussen, damals Leiter der Produktentwicklung für Lego Education, entwickelte die Methode bis 2007 weiter und kreierte ein ebenso komplexes wie intuitives Workshopsystem, das in vier Hauptschritten und mit sieben Anwendungstechniken Unternehmen, Startups, Behörden und Einzelpersonen hilft, kreative Antworten auf komplexe Fragen zu finden.

Die erste Stunde ist entscheidend

„Die erste Stunde ist entscheidend“, sagt Matthias Renner, Coach und Mitbegründer der deutschsprachigen Seite der Lego-Serious-Play-Community. Über Zoom erzählt er, wie wichtig das Warm-up und eine gute Einführung für den Workshop-Erfolg seien. Nur indem man eine gemeinsame Basis schaffe, sich mit dem Material vertraut mache und glaubhaft den Mehrwert und das Warum der Methode darstelle, könne man Widerstände brechen. Denn natürlich gäbe es Skeptiker*innen, die nicht daran glaubten, dass man mit diesem „Kinderkram“ strategische Entscheidungen treffen könne. „Man muss die Gruppe nur zum Bauen bringen“, sagt Renner. „Der Rest kommt dann schon.“

Damit das mit dem Bauen auch klappt, ist auf der einen Seite des Workshopraums eine Art großes Büfett mit Lego-Steinen aufgebaut: Darin befinden sich alle möglichen Plastikklötzchen und zwar nicht nur Lego-Steine, sondern auch Duplo-Klötze, knallbunte Tiere, Verbindungsstücke, Reifen, Boote, Fahnen und quietschgrüne Lego-Pflanzen. Eins der Fächer sieht aus wie ein Massengrab: Es enthält eine große Anzahl Köpfe verschiedener Lego-Figuren.

Bloß keinen Streit

Für den Start hat jede*r Teilnehmer*in eine vorgefertigte Tüte vor sich liegen mit 46 Teilen. Damit es keine Konflikte gibt, haben alle den exakt gleichen Mix bekommen – man kann diese Sets fertig gemischt kaufen. Mittlerweile ist Lego Serious Play nämlich längst eine eigene Produktlinie von Lego, auch die Wortmarke „Serious Play“ hat sich Lego schützen lassen. Das kleinste Set umfasst dabei 234 Teile und kostet knapp 25 Euro, das Premiumset für knapp 700 Euro zählt 2808 Teile und ist für längere Workshops von drei bis fünf Stunden und Gruppen mit zehn bis zwölf Teilnehmer*innen gedacht. Das sei dann auch die maximale Anzahl für solch einen Workshop, sagt Renner. Irgendwann könnten sich die Teilnehmer*innen nicht mehr alle Geschichten merken, und die Methode funktioniere nicht mehr richtig.

Der Ablauf einer Lego-Serious-Play-Session sei immer gleich, sagt Kathrin Dariz, die den Workshop an diesem Herbstmorgen in Berlin-Adlershof leitet. Dariz, früher Strategin in einer großen Agentur, arbeitet heute als Organisationsberaterin und Coach und kennt die Frustration unproduktiver Standardworkshops. Mit Lego Serious Play hat sie seit ihrer Weiterbildung 2019 eine effektive neue Methode im Repertoire. „Ich stelle eine Aufgabe, ihr baut. Und zwar eure Antworten oder Ansichten hierzu“, erklärt sie. Im Anschluss gehe es darum, das Gebaute mit dem Team zu teilen und zu reflektieren. Zur Illustration hat Dariz die Worte „Imagine“, „Create“, „Share“ und „Reflect“ mit buntem Tesafilm an die Wände des Meetingraums geklebt.

Dariz sagt: „Lego Serious Play ist nicht ‚Erwachsene spielen Lego‘. Stattdessen ist es eine wirkungsvolle Methode, mit der man komplexe Probleme lösen und innovative Ideen entwickeln kann.“ Die bunten Steine würden dabei helfen, frei zu denken, zu bauen und seine Geschichte zu erzählen, mit den Händen, in 3D.

Renner erklärt, inwiefern Lego dabei hilft: „Wir kommen beim Spielen in einen Flow“, sagt er. Irgendwann schalte man seinen Kopf mit all den Ja-abers und kulturellen Prägungen aus und baue nur noch. Und genau diesen Flow gelte es produktiv zu nutzen.

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