Productivity & New Work Wie man mit einfachen Mitteln mehr Dynamik ins Unternehmen bringen kann

Wie man mit einfachen Mitteln mehr Dynamik ins Unternehmen bringen kann

Ein Gastbeitrag von Silke Luinstra

Als ich vor mehr als zehn Jahren anfing, faszinierende, lebendige Organisationen zu studieren, wurde mir schnell klar: Hier ist etwas wirklich anders. Statt Fremdbestimmung und Konformität gab es einen Geist von Inspiration, Kreativität und Kollaboration. Die Menschen wurden nicht durch interne Vorgaben, Prozesse und Strukturen frustriert.

Besonders bemerkenswert: Mir begegneten Geschäftsführer:innen, die sagten, sie hätten noch nie ein Managementbuch gelesen. Und nicht nur das: Sie nahmen noch nicht einmal für sich in Anspruch, die Lösung zu kennen, vorzudenken oder die Richtung vorzugeben. Sie fragten nicht nach Best Practice oder Modellen, die sie in ihrem Unternehmen einführen könnten.

Bei näherem Hinsehen aber fand ich doch in allen Organisationen bestimmte Prinzipien, von denen ich fünf hier skizzieren möchte:

Leise wirken

Führungspersönlichkeiten und ihre inspirierenden Visionen sind grundlegend für Gründungs- und Transformationsprozesse. Doch etwas ist dabei besonders wichtig: Das Führen auf eine stille, zurückhaltende Art. Kaum jemand bringt dieses Prinzip so sehr auf den Punkt wie Helmut Lind, Vorstandsvorsitzendender der Sparda-Bank München, wenn er sagt: „So gut wie es jetzt geworden ist, hätte ich das nie designen können.“

Alles, was in dem Kreditinstitut entstanden ist, sei ohne Planung entstanden, ob es die Abkehr von tradierten Anreizsystemen oder eine andere Art, Mitarbeitergespräche zu führen, war. Sie hätten immer den nächsten Schritt aus dem aktuellen entwickelt, auf Basis von Vertrauen. Er sagt nicht „ich“ und er meint auch nicht „ich“ – und das ist Teil des Unterschiedes.

Sinn entfalten

Ich habe den Eindruck, „die Zahlen“ sind zum Ziel unserer Unternehmen geworden. Doch diese sind für etwas anderes da, es gab zumindest mal ein „wofür“. Man wollte Medikamente entwickeln, um Krankheiten lindern zu können oder Autos bauen, um Mobilität zu ermöglichen. Das gerät immer mehr aus dem Blick.

Einige Unternehmer:innen machen jetzt richtig Ernst mit „Sinn entfalten“ und ändern sogar die Eigentumsform ihres Unternehmens, um wieder wirklich dem Sinn zu dienen – wie Christian Kroll von Ecosia. Doch auch ohne diesen radikalen Schritt geht mehr Sinn als wir uns vorstellen können. Und das ist bitter nötig.

Augenhöhe anstreben

Der Kunde ist König? Wirklich? Nicht doch die Geldgeber:innen? Oder die Mitarbeiter:innen? Weder noch: Niemand ist König. Augenhöhe entsteht durch Aushandlung und zwar immer wieder aufs Neue. Eine Frage ist dabei fast schon genial simpel: Was brauchst du? Wenn auf dem Tisch liegt, wer was von wem braucht, können wir Lösungen entwickeln, die allen dienen. Doch Vorsicht: Die Frage klingt einfach, hat aber einige Zumutungen im Gepäck, unter anderem die eigenen Bedürfnisse zu ergründen und zu ihnen zu stehen.

Silke Luinstra schreibt, redet und moderiert – immer dort, wo in Wirtschaft und Gesellschaft neue Entwicklungen wachsen. Sie ist Unternehmerin und Gründerin der Initiative Augenhöhe. In ihrem ersten Buch „Lebendigkeit entfesseln“ verarbeitet sie ihre Erfahrungen der letzten zehn Jahre im Umgang mit innovativen Organisationen. ©Privat

Autopoiese respektieren.

Auto… was? Ungewohntes Wort, ich weiß. Autopoiese bedeutet, dass sich jedes lebende System – also auch Organisationen und wir Menschen – ständig aus sich selbst heraus organisiert. Die Organisation macht sich selbst. Deswegen können wir nichts „einführen“. Es wäre allerdings ein Missverständnis, dass dies hieße, den Dingen ihren Lauf zu lassen. Wir können – und sollten – gestaltend eingreifen. Wir können nur weder die Organisation noch die Menschen zu einem bestimmten Verhalten zwingen.

Entwicklung neu denken

Es ist immer wieder eine Streitfrage der Organisationsentwicklung, ob sich Menschen durch Systeme oder Systeme durch Menschen ändern. Beides und beides nicht, denn Organisationen entwickeln sich in einer ständigen Wechselbeziehung. Wer Mitarbeiter:innen ins Kloster schickt, damit ihre persönliche Entwicklung den Laden vorwärtsbringt, fällt auf der einen Seite vom Pferd. Wer hingegen fortwährend an Strukturen schraubt und glaubt, dadurch würde sich das Verhalten der Mitarbeiter:innen ändern, purzelt auf der anderen Seite runter. Beides ist nicht geritten.

Wofür das alles?

Für mehr Lebendigkeit in unseren Organisationen. Ich glaube, die gehört zu den am meisten unterschätzten Dimensionen für den monetären wie den nicht-monetären Unternehmenserfolg, für Arbeit und Leben. Sie ist Voraussetzung für den Umgang mit immer neuen Herausforderungen, mit stetig wachsender Komplexität.

Doch das allein wäre mir zu wenig. Es kann nicht nur darum gehen, unsere Unternehmen im Hinblick auf die „VUCA-Welt“ zu optimieren. Es wäre auch zu wenig, nur das Wohlergehen der Menschen in den Blick zu nehmen. Alle diese Betrachtungsweisen sind auf Ihre Art unvollständig. Es braucht etwas völlig Neues, eine neue, Neue Arbeit. Eine, die Freiheit, Selbständigkeit und Verantwortung genauso berücksichtigt, wie Teilhabe an der Gesellschaft, Solidarität sowie soziale und ökologische Folgen. Etwas anderes können wir uns auch schlicht nicht mehr leisten.

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