Life & Style TikTok: So spielt die App dir die passenden Videos aus

TikTok: So spielt die App dir die passenden Videos aus

Bisher war der Algorithmus von TikTok ein streng behütetes Geheimnis. Nur dass er den TikTok-Nutzer:innen sehr schnell und präzise Videos ausspielt, die perfekt zu den eigenen Interessen passen, ist bereits bekannt. Eine Gruppe von Expert:innen und Journalist:innen vom Wall Street Journal haben sich nun dem Mysterium angenommen.

Mit Hilfe von Bot-Persönlichkeiten, denen allen verschiedene Interessen, Wohnorte und Alter zugeschrieben wurden, erforschte das Team, wie der Algorithmus von TikTok funktioniert. Diese klickten sich anschließend durch zig Videos, die die passenden Hashtags zu den Bot-Interessen beinhalteten.

TikTok selbst behauptet dabei, die ausgespielten Videos im Feed setzen sich aus einer Mischung aus beliebten Videos mit vielen Interaktionen und persönlichen Vorlieben zusammen. Allerdings fanden die Forscher:innen heraus, dass vor allem die persönliche Interaktion der Nutzer:innen entscheidend für die Zusammensetzung der „For You“-Seite sei.

TikTok führt User:innen in Rabbit-Holes

Nachdem sich TikTok-Nutzer:innen registrieren, schlägt die App laut der Untersuchungen zunächst eine große Breite an Videos aus verschiedenen Themenfeldern vor. Zu diesem Zeitpunkt sind tatsächlich hohe Interaktionszahlen ausschlaggebend für die „For You“-Seite. Außerdem schlägt die App User:innen standortbezogene Videos vor.

Desto besser TikTok allerdings die Interessen ihrer User:innen kennt, desto eher werden Videos angezeigt, die genau auf die persönliche Interessen ausgelegt sind. Im Experiment soll TikTok weniger als zwei Stunden benötigt haben, um die Interessen der Bots kennenzulernen.

Der Algorithmus spielt dann laut einem der Daten-Experten und ehemaligen Mitarbeiter von Youtube zu 90 bis 95 Prozent ausschließlich Videos aus, die auf den eigenen Interessen basieren. Bei Youtube soll der Wert bei ca. 70 Prozent liegen. Der Feed führt Nutzer:innen also immer tiefer in bestimmte Nischen, sogenannte Rabbit-Holes, hinein.

Das Problematische daran: Die TikTok-App zeigt Inhalte, die die Nutzer:innen ansprechen, allerdings nicht unbedingt Inhalte, die den einzelnen Nutzer:innen gut tun. Außerdem werden Videos mit wenigen Klicks seltener moderiert und verstoßen häufiger gegen die Richtlinien.

Einer der Bots hatte als Interesse Depressionen und Traurigkeit. Diesem Bot wurde nach und nach immer mehr Videos, die Depressionen, Liebeskummer oder allgemeinen Weltschmerz thematisieren, vorgeschlagen.

Dadurch können Personen, die derzeit sowieso in einer schwierigen Lage sind, noch weiter in die Tiefen des Rabbit-Holes hineingezogen werden. Bei dem Bot wurden beispielsweise zunächst einige Videos mit dem Hashtag „sad“ ausgespielt. Auf diesen verweilte der Bot natürlich länger als auf anderen Videos.

Die TikTok-App spielte deshalb immer mehr Videos aus dieser Nische aus, bis schlussendlich Videos mit den Hashtags „anxiety“ und „depression“ vorgeschlagen wurden. Nach nur 222 Videos spielte der TikTok-Algorithmus zu 93 Prozent Content aus, der mit Depressionen und mentaler Gesundheit zusammenhängen.

Fluch und Segen zugleich

Auf Nachfrage des Wall Street Journals erklärte eine TikTok-Mitarbeiterin, dass das Experiment nicht aussagekräftig sei, da es sich um Bots und keine echten Menschen handele. Außerdem soll der TikTok-Feed immer wieder mit beliebten Videos bespielt werden, um Nutzer:innen auf neue Gedanken zu bringen.

Allerdings sind im Experiment viele der Videos außerhalb des Rabbit-Holes lediglich Werbungen. Doch immerhin: wenn die Bots ihre Interessen geändert haben, hörte die TikTok-App in sehr kurzer Zeit auf, Videos zu dem betreffenden Thema vorzuschlagen.

Der Algorithmus ist also Fluch und Segen zugleich. Für Leute, die einem bestimmten Hobby nachgehen sind die Rabbit-Holes perfekt, um sich mit anderen Personen und den gleichen Interessen zu vernetzen. Allerdings können Menschen, die in einer schwierigen Phase sind oder gar Depressionen haben, immer tiefer in die Spirale hineingeraten.

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