Innovation & Future Was können deutsche Startups für ihre Teams in der Ukraine tun?

Was können deutsche Startups für ihre Teams in der Ukraine tun?

Es herrscht Krieg – jetzt sogar in Europa. Auf einmal findet Kriegsgeschehen wieder fast vor der Haustür statt. Wir bekommen die Auswirkungen zu spüren, und die Medien berichten gerade über nichts so ausführlich, so andauernd wie über das, was sich derzeit zwischen Russland und der Ukraine abspielt.

Auch die deutsche Startup-Szene ist betroffen. Deutschland, Belarus und vor allem die Ukraine sind sich im Zuge der technologischen Entwicklung in den vergangenen Jahren immer näher gekommen. Nicht ohne Grund werden Minsk und Kiew auch in der Szene das „Osteuropäisches Silicon Valley“ genannt.

Niklas Veltkamp, Mitglied der Bitkom-Geschäftsleitung, drückt die Bedeutung der IT für die Ukraine so aus: „Die Tech-Branche zählt zu den wichtigsten Exportfaktoren der Ukraine. Die Ausfuhr von Software und IT-Dienstleistungen wächst pro Jahr um rund 20 Prozent. Insbesondere in Kiew geht es aber längst nicht mehr nur um Software-Outsourcing: Es hat sich in den vergangenen Jahren eine ambitionierte, kreative Tech-Startup-Szene entwickelt. Auftraggeber und Mutterkonzerne mit Entwickler-Teams in der Ukraine schätzen dabei das Qualifikationsniveau und die Nähe zum Auftraggeber.“

Zustand der Hilflosigkeit?

Eine generelle Hilflosigkeit macht sich unter den deutschen Unternehmen in der Ukraine breit. In dem Land sitzen etliche Programmier-Teams, deren Arbeit für das tägliche Geschäft westeuropäischer Startups unverzichtbar ist. Einige Unternehmen haben zwar Vorbereitungen getroffen, jedoch erschweren unter anderem rechtliche Hürden und nicht zuletzt die Distanz ein direktes und schnelles Eingreifen aus Deutschland.

Die Solarisbank, ein Berliner Fintech, beschäftigt mit der 100-prozentigen Tochtergesellschaft Solaris Tech knapp 50 Mitarbeiterinnen in der Ukraine. „Auch wenn wir nicht mit einer derartigen Eskalation gerechnet haben, waren wir auf ein solches Szenario vorbereitet und haben sofort unseren Maßnahmen- und Evakuierungsplan für unsere Kollegen vor Ort aktiviert“, lautet das offizielle Statement.

Mobilitätsanbieter Sixt betreut in Kiew einen Standort mit rund 100 Angestellten und hat die Lage in der Ukraine schon seit 2014 beobachtet. „Daher hat das Unternehmen einen Krisenstab eingerichtet, um das Vorgehen bei solchen Situationen zu koordinieren“, wie Co-CEO Alexander Sixt äußert. „Dazu gehört unter anderem die finanzielle und organisatorische Unterstützung für die Mitarbeiter vor Ort.“

Gegen die Maßnahmen der Regierungen sind die Unternehmen derzeit machtlos. Vielen bleibt nur die ständige Kommunikation, um über die aktuelle Lage an den Standorten Bescheid zu wissen, wie unter anderem die Solarisbank in ihrem Statement deutlich macht: „Wir sind in ständigem Austausch und werden versuchen, unser Team so gut es geht zu unterstützen.“

Developer als Soldaten

Warum sich viele Startups in der Ukraine eher dem Westen nahe fühlen als dem Osten, begründet sich vor allem durch die Ähnlichkeiten zu Europa und den USA, wenn es um Arbeitsweise, Bezahlung und Karrieremöglichkeiten geht. Durch zum Beispiel Investments und Mieten, die in Dollar gezahlt werden, sehen sich dort viele Arbeitnehmer:innen eher auf der Seite der NATO-Mitglieder.

Veltkamp ordnet ein: „Gerade viele junge, gut ausgebildete Entwickler-Talente in der Ukraine orientieren sich politisch, kulturell und wirtschaftlich überwiegend in Richtung Westen und verbinden Jobs für deutsche und andere europäische Unternehmen mit Aufstiegschancen.“

Besonders schwierig ist die Lage innerhalb der Teams in Kiew und anderen Digital-Zentren: Angestellte der deutschen Startups in der Ukraine mit persönlichen oder beruflichen Verbindungen zu Russland bewerten den Konflikt teilweise ganz anders. Einerseits soll das Miteinander im Team natürlich gewahrt werden, andererseits besteht eine Loyalität zum Heimatland – das allerdings derzeit überall als Aggressor dargestellt wird. In vielen Teams führt diese Spannung zwischen beruflicher Professionalität und persönlichen Ansichten und Beziehungen zu Konflikten.

Über die Ukraine hinaus bekommen auch die Angestellten in Minsk, der Hauptstadt von Belarus, den Krieg zu spüren. Über 20 Mitarbeiter des deutschen Anbieters für Subscription Management Billwerk sind dort direkt vom Kriegsgeschehen betroffen. CEO und Mitbegründer von Billwerk, Dr. Ricco Deutscher, beschreibt die Situation so: „Die Lage ist enorm angespannt, weil wir nicht wissen, wie lange Belarussen überhaupt noch ausreisen dürfen – vor allem Männer, sollten sie in Belarus einberufen werden.“

Um Widerstand gegen Russland zu leisten, verpflichtet auch der ukrainische Präsident Selenskyj Männer aus dem Volk heraus. Das führt für viele zu unerwarteten Veränderungen. Wie dieser neulich viral gegangene Tweet zeigt, sehen sich einige Beschäftigten in der Ukraine in Position, keine andere Wahl zu haben.

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