Green & Sustainability Carbonauten will mit Bio-Kohlenstoff CO2 in den Boden bringen und dabei Energie erzeugen

Carbonauten will mit Bio-Kohlenstoff CO2 in den Boden bringen und dabei Energie erzeugen

Klimaschädliches CO2 aus der Atmosphäre einfangen, Biomüll verwerten, und dabei auch noch Wärme oder Strom erzeugen? Das klingt verlockend – und ist die Idee hinter Biokohlenstoffen. Die Firma Carbonauten arbeitet an Fabriken, in denen sie hergestellt werden. Gründer (und Ex-Hockey-Nationalspieler) Torsten Becker hat uns Challenges und Ziele erklärt.

Torsten Becker Foto: Carbonauten

Die Idee

Herr Becker, erklären Sie uns ihren Ansatz für die Klimarettung.

„fuck CO2“. Wir müssen Klimagase reduzieren, einsparen und langfristig binden, damit die Menschheit überleben kann. Zudem dürfen sozial und ökologisch wertvolle Produkte kein Luxus bleiben.

Wie wird das konkret funktionieren?

In unseren „minus CO2 factories“ binden wir CO2 und andere Klimagase langfristig in Biokohlenstoffen. Weiter veredelt ersetzen diese wiederum andere, fossile Ressourcen in diversen Produkten der Landwirtschaft, Kunststoff- und Bauindustrie. Die mit Biokohlenstoff angereicherten carbonauten NET-Materials (Negative Emission-Technologie) sind nicht nur CO2 negativ, sondern bieten darüber hinaus auch verbesserte Produkteigenschaften. Was den Preis betrifft sind NET-Materials auf Augenhöhe mit deren fossilen Pendants. Was unsere Erzeugnisse regenerativ, besser und auch für alle billig macht.

Wie entstehen Biokohlenstoffe?

Alles was wir dafür brauchen sind Biomassereste. Gerne auch problematische Abfälle wie Wurzelstöcke, Siebüberläufe aus der Kompostierung, Altholz oder Schadholz. Unser einzigartiges Batch-Retorten-Verfahren ist was das angeht keine Mimose und kann fast alle holzigen Abfälle verarbeiten.

Für all das brauchen wir weder Strom noch Gas. Im Gegenteil: In den „minus CO2 factories“ entsteht grüne, grundlastfähige Energie. Einmal in Gang gebracht, verbrauchen die Anlagen nur einen minimalen Anteil der entstehenden Wärme. Der Rest kann dann mit bis zu 850° C ins Wärmenetz eingespeist oder verstromt werden.  

Das Potenzial fürs Klima

Wie viel CO2 können Sie damit einsparen?

Eine Tonne carbonauten NET-Materials bindet das Äquivalent von bis zu 3,3 Tonnen CO2. Konkret bedeutet das: eine Standardanlage mit drei Karbonisierungsmodulen bindet jedes Jahr bis zu 18.000 Tonnen CO2. Dabei erzeugt jedes Modul in einer minus CO2 factory etwa 24 GWh/a thermische Energie für Kommunen und lokale Unternehmen. Eine Anlage mit 20 Modulen liefert bereits über 160 GWh/a und ist somit in der Lage, auch große Industriebetriebe, wie Papierfabriken, CO2-neutral und unabhängig von Erdgas zu machen.

Zudem ersetzen wir mit unseren Biokohlenstoffen große Mengen an fossilen Rohstoffen. Im Kunststoffbereich können wir unser spritzgussfähiges Granulat mit bis zu 50% Biokohle anreichern. Somit haben wir nicht nur einen aktiven CO2 Entzug durch die Karbonisierung, sondern auch noch eine Vermeidung von Emissionen in nachgelagerten Industrien.

Wie weit sind die Produkte aktuell?

Im Bereich Landwirtschaft: Mehrere internationale Projekte im Bereich Landwirtschaft laufen bereits: Eine Partnerschaft mit dem Nahrungsmittelkonzern Nestlé verfolgt das Ziel, Treibhausgasemissionen und den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung für die Milchwirtschaft durch Tierfutterzusätze auf Basis modifizierter Biokohlenstoffe zu reduzieren. In der Elfenbeinküste arbeitet carbonauten zusammen mit der Regierung, um mit carbonauten NET-Materials bei der Umstellung des Landes auf biologische Landwirtschaft zu unterstützen. In Spanien laufen bereits zwei Projekte: eines mit Versuchen zur Ertragssteigerung in Olivenplantagen zusammen mit der Erzeugergemeinschaft Cooperation Monte Vivo in Jaen, Andalusien; ein weiteres in Kooperation mit dem Nationalpark Sierra Notre, Riscos Altos, zur Bekämpfung des Pilzbefalls von Korkeichen, gegen den es bislang kein wirksames Gegenmittel gab.

Was für andere Materialien entstehen konkret?

Unsere Polymere. Neben bereits entwickelten Rezepturen für CO2-negative Kunststoffgranulate entsteht in einem gemeinsamen Projekt mit der Hochschule Aalen auch eine Plastikfolie aus carbonauten NET-Materials, die als Mulchfolie in der Landwirtschaft oder als Bau- und Abdeckfolie in der Bauindustrie zum Einsatz kommt. Diese neu entwickelte Mulch- oder Abdeckfolie macht Schluss mit Mikroplastik und Treibhausgasemissionen und ist dabei kostengünstiger als die herkömmliche Variante, die sie ersetzen soll. Und nach Ende ihres Lebenszyklus kann sie einfach zerkleinert in den Boden eingebracht werden, wo die Biokohlenstoffe dauerhaft CO2 binden und den „Superdünger Terra Preta“ bilden.

Und Aktivkohle: Zusammen mit der Universität Hohenheim hat carbonauten eine Forschungsförderung in Höhe von einer Million Euro für die Herstellung von Bioaktivkohle aus nachwachsenden Rohstoffen erhalten.

Der Zeitrahmen

Wo will Carbonauten in einem Jahr sein, was erreicht haben?

Die carbonauten werden im nächsten Schritt einen Prototyp im 1:1-Format an ihrem Pilotstandort in Eberswalde konstruieren. Ihre Karbonisierungsanlagen bieten die technologische Basis, der Energiebedarf der Aktivierungsretorten wird durch den Energieüberschuss bei der Karbonisierung von Biorestmasse gedeckt – insgesamt ein nicht nur klimaneutrales, sondern sogar CO2-negatives Verfahren dank der zugrundeliegenden minus CO2-Technologie.

In den nächsten Monaten wird die „minus CO2 factory 001“ in Eberswalde gezeigt haben, welches Potenzial in unseren Anlagen steckt. Das heißt wir werden noch im Jahr 2022 beginnen aktiv CO2 zu reduzieren und carbonauten NET-Materials in ersten Produkten auf dem Markt wiederfinden. 2023 heißt es für uns wachsen, wachsen, wachsen. Denn unser Ziel ist es nicht nur technologisch aufzuzeigen was möglich ist, sondern die bevorstehende Klimakatastrophe zusammen mit Gleichgesinnten abzuwenden. Dafür wollen wir bis 2030 CO2 im Gigatonnenbereich zu reduzieren.

Was sind aktuell die größten Herausforderungen?

Die Skalierung und deren Finanzierung, denn die Hardware kostet ab 4 Miollionen Euro für den kleinsten Standort. Auch die Internationalisierung muss vorangetrieben werden, da in anderen Ländern die Voraussetzungen günstiger als in Deutschland sind. Parallel dazu muss die Struktur von carbonauten für das Wachstum entwickelt werden.

Der Heureka-Moment

Wann kam die entscheidende Idee und warum?

Als ich 2013 Christoph Hiemer kennenlernen durfte, der damals eine Karbonisierungsanlage plante, deren Technologie wir 2016 weiterentwickelten. Ich habe sofort verstanden, dass Biokohlenstoff ein Supermaterial ist und viele Probleme in Landwirtschaft, Bau, und Kunststoff lösen kann. Zudem beeindruckte mich das ganzheitliche System von aktiven CO2-Senken und Erneuerbarer Energie, dass Lebensmittel, Materialien und Energie regenerativ, besser und billig macht – für alle.

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