Tech & Trends Kernfusion: Was bedeutet der Durchbruch aus den USA?

Kernfusion: Was bedeutet der Durchbruch aus den USA?

Ein Vorteil: Beide Stoffe sind reichlich verfügbar und stabil. Tritium hingegen, auch überschwerer Wasserstoff genannt, ist radioaktiv und muss erst im Labor hergestellt werden. Die wesentlichen Magnetfusionsanlagen arbeiten trotzdem mit Tritium. Denn Wasserstoff und Bor müssen noch extremer erhitzt werden, die Teilchen noch schneller herumschwirren, wenn man mit Plasma arbeitet. Aus der Sicht von Thomas Klinger ist die Idee mit dem Bor daher der zweite Schritt vor dem ersten.

Der Laser könnte hier den Unterschied machen. Bereits 1978 prognostizierte Hora, dass es mit ihm möglich sei, die Wasserstoff-Bor-Reaktion auszulösen. Nur gab es damals noch keine geeigneten Laser. Mit dem Fortschritt der Laserphysik rückte das Ziel immer näher. 2005 konnte eine lasergetriebene Fusion experimentell beobachtet werden. Und mit Donna Strickland und Gérard Mourou bekamen zwei Laserpioniere 2018 den wichtigsten Preis ihrer Zunft: den Nobelpreis für Physik. „Dank dieser Arbeiten kann man optischen Druck erzeugen, nicht thermischen“, sagt Hora. Also Licht statt Hitze.

Trotz des Durchbruchs am Livermore Lab sind die nächsten Schritte enorm. Frühestens Ende Oktober könne das Experiment reproduziert werden, sagte Forschungsdirektor Mark Herrmann. Zunächst sei das Ergebnis daher vor allem für die Wartung der US-Atomwaffen von Bedeutung. Und diese Verwandtschaft mit Kriegstechnik trübt das öffentliche Bild der Kernfusion. Die unfassbare Kraft der kleinsten Teilchen wurde zu oft im Dienste von Tod und Zerstörung eingesetzt.

Die Ängste

Schon immer schien es ein unfassbares Unterfangen, in die Welt der Atome einzugreifen. Eben nicht nur Versprechen, sondern auch Risiko. Kernfusion ist natürlich auch die Funktionsweise eines der schrecklichsten Instrumente, die die Menschheit je ersonnen hat: der Wasserstoffbombe. Dafür wird die Kraft der Fusion mit einer Kernspaltungsreaktion aktiviert. Die Fusion läuft unkontrolliert ab. Bei der Kernverschmelzung in zukünftig denkbaren Kraftwerken passieren zwar ähnliche Prozesse, aber sie bleiben auf die sehr besonderen Bedingungen des Reaktors beschränkt. Und es sind nur Milligramm-Mengen an Material, die Unternehmen wie Marvel Fusion nutzen wollen. So ähnlich, wie wenn man eine Laterne im Schnee aufstellt. Die Kerze könnte zwar theoretisch ein Feuer auslösen, aber sie ginge außerhalb der Laterne zu schnell aus.

Kernfusion ist Atomkraft anderer Art. Kernschmelze und Verstrahlung, zum Synonym für Schrecken gewordene Orte wie Tschernobyl und Fukushima – dieses Risiko soll bei der Fusion nicht vorhanden sein. Denn wenn etwas schiefgeht, stoppt die Fusion.

Trotzdem ist Vorsicht geboten. „Es ist ein nuklearer Verbrennungsprozess“, sagt Klinger. „Da müssen Sie natürlich den Strahlenschutz gewährleisten. Wir drücken damit die Radioaktivität auf das natürliche Hintergrundniveau. Dem Sie überall aufgrund der kosmischen Strahlung ausgesetzt sind.“

Seite 5 / 7
Vorherige Seite Nächste Seite