Female Entrepreneurship Dilek Gürsoy: „Wenn Mama 8 Stunden am Fließband stehen konnte, kann ich das auch am OP-Tisch“

Dilek Gürsoy: „Wenn Mama 8 Stunden am Fließband stehen konnte, kann ich das auch am OP-Tisch“

Sie ist die erste Frau Europas, die ein Kunstherz transplantiert hat, war auf der Titelseite von Forbes und in der Türkei wurde eine Straße nach ihr benannt: Dilek Gürsoy. Aber: „Die mediale Präsenz hat mich in der Klinikwelt mehr nach hinten geworfen als nach vorne“, sagt Gürsoy. „Je bekannter ein Chirurg ist und je öfter er Interviews gibt, desto besser ist er, gilt anscheinend nur für Männer.“

Arbeiterkinder ticken anders

Dass Gürsoy Ärztin werden will, wusste sie schon immer. Als Kind schaute sie türkische Arzt-Serien auf VHS-Kassetten, bei denen den Ärzten im OP immer der Schweiß von der Stirn abgetupft wurde. „Das wollte ich auch haben“, sagt Gürsoy. Dass sie da jemals hinkommt, damit hätte sie früher nicht gerechnet. Ihren Werdegang beschreibt sie aus einer Kombination von sehr viel Fleiß und Glück. Glück, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort gewesen zu sein. „Es macht einen Unterschied, wenn du Arbeiterkind bist“, sagt Gürsoy. „Du wirst von deinen Eltern nach dem Motto groß gezogen: ‚Werde etwas Besseres als wir’“. Viel hatte ihre Familie während Gürsoys Kindheit nicht, wie sie sagt, aber es fehlte ihnen an nichts.

Ihre Mutter arbeitete in einer Fabrik am Fließband, ihr Vater bei einer Taschentuch-Firma. Ihre Mutter bestärkte sie darin, zu studieren, um als Frau auf eigenen Beinen stehen zu können. Sie hat Gürsoy und ihre Brüder groß gezogen. 47 Jahre und eine Woche arbeitete sie für ihre Kinder am Fließband. „Sie hat diesen Job immer mit Spaß und Leidenschaft gemacht. Wer macht das schon?“, sagt Gürsoy. „Sie war immer ein Vorbild für mich und ihre Arbeit prägt mich bis heute. Wenn Mama 8 Stunden am Fließband stehen konnte, kann ich das auch am OP-Tisch.“ Ohne sie wäre Gürsoy nicht da wo sie jetzt ist, sagt sie.

Verlässlichkeit und Fleiß: Das sind Eigenschaften, die sie als Arbeiterkind ausmachen, da sie es nie anders gelernt hat. „Es war für uns immer normal, dass man hart arbeiten muss, um etwas zu erreichen, vielleicht auch mehr als andere.“ An gläserne Decken sei sie während des Studiums nie gestoßen. „Ich habe Benachteiligung aufgrund meiner sozialen Herkunft und Migrationsgeschichte nie erfahren“, sagt Gürsoy. „Vielleicht habe ich sie auch nie bemerkt oder mir nicht zu Herzen genommen.“ In ihrer Branche erfahre sie viel mehr Benachteiligung aufgrund der Tatsache, das sie eine Frau ist.

Eigene Klinik gründen

In ihrer Karriere als Herzchirurgin setzte Gürsoy sich nie mit Ellenbogen durch. Sie fragte nach Chancen, die ihr ihrer Meinung nach zustanden, ohne anderen etwas wegzunehmen. Ihre Tipps für beruflichen Erfolg? Sich nicht abbringen lassen. Nie. Nicht als Studentin, nicht als ausgebildete Ärztin.

Jetzt will Gürsoy ihre eigene Klinik gründen. Eine gut bezahlte und unbefristete Arbeitsstelle gab sie auf, eine hohe Position als Herzchirurgin fand sie aber trotz Qualifikationen nicht. „Kein männliches Ego wird mich davon abkriegen, den OP zu verlassen“, sagt sie. „Das habe ich mir geschworen. Ich kann das ja sehr gut.“ Seit anderthalb Jahren arbeitet sie an der Gründung ihrer Privatklinik. Privat deswegen, weil gesetzlich das Land nicht erlaubt. „Ich muss mich erstmal wieder beweisen, um Kassenparient:innen in meiner Klinik versorgen zu dürfen. Dann werde ich die nötigen Anträge stellen.“

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