Innovation & Future Präzise Übersetzungen für den Papst und Selenskyj: Die Schweizer von Vidby bauen mit KI das Next-Level-Tool 

Präzise Übersetzungen für den Papst und Selenskyj: Die Schweizer von Vidby bauen mit KI das Next-Level-Tool 

Eine Bar in Zürich, kaum zwei Blocks vom Ufer des Sees. Es kommen ja nirgends auf der Welt so viel kapitalistische Sleekness und so behäbige Altweltgemütlichkeit zusammen wie hier in der Stadt an der Limmat. Und so ist auch die Szene, die sich gerade abspielt, zukünftig und retrofuturistisch zugleich. Ein wenig 80er-Jahre-Science-Fiction mit es birebitzeli Valley-Vibes. 

Zwei Menschen unterhalten sich am Tisch, sprechen dabei in ein kompaktes Gerät, hören zu, ohne etwas zu verstehen, und starren dann gebannt auf den kleinen Bildschirm. Das ist alles wie aus einer Episode von „Star Trek“, in der ein Computer jede Sprache des Universums in Echtzeit übersetzt. Und deshalb auch schon wieder passé, denn der Sprachcomputer ist eine dieser Sachen aus der Science-Fiction, die es längst schon gibt. Ziemlich akkurate Übersetzung mit Sprachausgabe, das können auch die Übersetzungsprogramme von Google und Apple, die auf Milliarden von Smartphones laufen. 

Den Techriesen aus den USA haben die beiden Herren am Tisch aber trotzdem einiges voraus. Alexander Konovalov und Eugen von Rubinberg sind die Co-Founder von Vidby. Firmensitz ist in Rotkreuz etwas außerhalb von Zürich. Von Rubinberg ist äußerlich eher Typ Startup-Dude, Konovalov könnte man sich auch ganz gut in einem Informatikinstitut vorstellen.Ich spreche mit Konovalov. Er auf Russisch, ich auf Deutsch. Beide verstehen wir nicht die Sprache des anderen. Vidby muss hier helfen. 

Nische neben Google und Apple 

Beim Thema KI sind derzeit anscheinend alle im Modus der permanenten Verblüffung. Das nächste große Ding war gerade noch eine vielleicht abstruse, vielleicht charmante Idee – dann ist es schon da. Fortschritt wie im Fiebertraum. 

Wenn man mit Konovalov und von Rubinberg spricht, dann reden sie auch gar nicht so viel von KI-Technologie. Damit haben sie nämlich schon lange zu tun. Zeitweise probierten sie sich als Macher eine Messenger-App, die automatische Übersetzung in andere Sprachen bieten sollte. Drotr hieß die App, von der man heute nichts mehr hört. 

Die nächste Idee – das Modell hinter Vidby – ist direkt auf die Bedürfnisse von Businesskunden ausgerichtet. Und das unterscheidet das kleine Unternehmen aus der Schweiz (nur 31 Mitarbeitende laut Linkedin) von der Big-Tech-Konkurrenz. Denn Google ist am Ende eben ein Werbekonzern, der nur deshalb Übersetzungsservices für Menschen anbietet, um über einen weiteren Service Anzeigen ausspielen zu können. Aber Konovalov hat da noch einen anderen Grund, warum es die Nische für Vidby gebe, neben Apple oder Google: „Und die Antwort darauf ist ganz einfach. Alle Mitarbeiter in diesen Unternehmen sprechen Englisch – und das war’s.“ 

Der vorangegangene Satz ist übrigens wie alle direkten Zitate der Vidby-Gründer die Originalübersetzung der Maschine. Anders als Kollege von Rubinberg, der nahe Frankfurt am Main seine Jugend verbrachte, spricht Konovalov wenig Deutsch und tut sich auch mit dem gesprochenen Englisch ein bisschen schwer. Dass wir das Gespräch auf Russisch und Deutsch mit KI-Übersetzung führen, ist kein Experiment, sondern schlicht der einfachste Weg. 

Vidby hat sich ein Feld vorgenommen, das im Hintergrund der Content-Ökonomie zu finden ist: Localization Services. Unternehmen sind heute global und digital. Wo früher noch Kilometer, Meere und Grenzen zwischen zwei Teams lagen, sind es heute nur noch Vokale und Konsonanten. Anders gesagt: In einem internationalen Team muss man sich sehr anstrengen, damit alle verstehen, was Sache ist. 

Wenn Schulungsvideos in fast jeder Sprache verfügbar sind, dann ist das schon mal ein Riesenschritt. Fast jede Sprache bietet Vidby zwar nicht an. Aber es sind bereits über 70. Den Unterschied zu Google und Meta betonte auch von Rubinberg schon in Zeiten der Drotr-App gegenüber der Schweizer „Weltwoche“: „Anders als unsere amerikanischen Mitbewerber möchten wir wenn möglich keine Daten unserer Nutzer verkaufen.“ 

Berühmte Kunden helfen natürlich auch beim Bekanntwerden. Der ukrainische Präsident zählt dazu. Iryna Borovets aus dem Außenministerium der Ukraine sagte der „Welt“, es sei „fast unmöglich, ein Video an einem Tag mit herkömmlichen Methoden in zehn bis 30 Sprachen zu übersetzen“. Deshalb griff Wolodymyr Selenskyj auf die Möglichkeiten von Vidby zurück. Und das gratis – ein „kleiner patriotischer Beitrag“, so von Rubinberg damals. Nicht nur Konovalov stammt aus der Ukraine, auch viele andere Mitarbeitende von Vidby arbeiten aus dem Land, das sich gegen den russischen Angriff zur Wehr setzt. Selenskyj ist aber nicht der einzige berühmte Vidby-Nutzer. Auch der Papst zählt laut Vidby zu den Kunden, außerdem die Uni Harvard und Unternehmen wie Siemens. 

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