Female & Forward Gesine Cukrowski: Film, Feminismus, Fahrspaß

Gesine Cukrowski: Film, Feminismus, Fahrspaß

Gesine Cukrowski hat keine Lust mehr auf Klischees von verhärmten Kommissarinnen, unsichtbaren Ü50-Frauen und die immer gleiche Männer-zentrierte Erzählung. In ihrem Buch „Sorry Tarzan, ich rette mich selbst!“ und mit ihrer Initiative „Let’s change the picture“ fordert sie: Mehr echte Frauenrollen, mehr Facetten, mehr Leben. Denn das wahre Drama beginnt nicht mit 30 – sondern erst so richtig nach 50. Und weil Revolution auch PS braucht, bringt Cukrowski ihre Message nicht nur auf die Leinwand, sondern auch auf die Straße – als Opel-Markenbotschafterin. Warum sie sich für die Marke entschieden hat, welche Geschichten sie im Kino vermisst, verrät sie hier.

Frau Cukrowski, in Ihrem Buch schreiben Sie, dass Frauen über 55 (47) im Film oft entweder gar nicht oder nur als Stereotypen existieren. Wie hat sich diese Schieflage über Jahrzehnte so verfestigt – und wer trägt die Verantwortung dafür?

Genau diese Frage habe ich mir für mein Buch gestellt und es gibt darauf nicht die eine Antwort. Grundsätzlich kann man aber sagen, dass das eine klare Folge des männlichen Blicks auf uns Frauen ist. Wir wurden alle im Patriarchat sozialisiert und die sexistische Betrachtung von Frauen und ihre Objektifizierung trägt dazu bei, dass Frauen, die durch die Wechseljahre ihrer Funktion des Kinderkriegens beraubt sind, scheinbar keine erzählenswerte Position in unserer Gesellschaft mehr besitzen, was natürlich völliger Blödsinn ist.

Wechseljahre, Sexualität, beruflicher Neustart – all das sind Themen, die Millionen Frauen betreffen, aber in Film und TV kaum vorkommen. Gibt es für diese Geschichten wirklich keinen Markt – oder fehlt einfach der Mut, sie zu erzählen?

Der Markt ist riesengroß und wird täglich größer. Als unsere Kampagne „Let’s Change the Picture“ im Februar 2023 an den Start ging, betrug die offizielle Zahl von Frauen im Alter 47 plus in Deutschland über 21 Millionen. Das ist ein Viertel unserer Gesellschaft. Wieso sollten wir älteren Frauen nicht an tollen Geschichten über uns interessiert sein? Wir bekommen auch viele Rückmeldungen von jungen Frauen, die uns sagen, dass ihnen im Fernsehen die Vorbilder fehlen. Sie wollen doch wissen, was auf sie zukommt und woran sie sich orientieren können. 

Sie haben „Let’s change the picture“ ins Leben gerufen, um das Bild von Frauen in der Mitte des Lebens zu verändern. Welche Reaktionen bekommen Sie aus der Branche – eher Applaus oder eher Abwehr?

Es gibt tatsächlich keine Abwehr. Selbst die Sender-Verantwortlichen kommen auf uns zu und wollen mit uns gemeinsam das Bild öffnen. Die Zeit war einfach reif dafür. Da die eindimensionale Erzählung von Frauenfiguren aber systemisch ist und althergebrachten patriarchalen Erzählstrukturen innewohnt, kann man nicht einfach einen Schalter umlegen. Ein so tief verfestigtes Muster aufzubrechen ist harte Arbeit.

Gibt es Länder oder Filmindustrien, die uns in Sachen Frauenrollen und Altersvielfalt bereits voraus sind? Und was können deutsche Filmschaffende davon lernen?

Nein. Die Filmindustrie hat seit Jahrzehnten eine klassische Erzählweise und die ist durch und durch patriarchal geprägt. Es gibt einen tollen Film der Regisseurin Nina Menkes, „Brainwashed- Sexismus im Kino“. In ihrer Filmdokumentation analysiert sie die Objektifizierung und Sexualisierung von Frauen im Kino. Aber tatsächlich war das Jahr 2024 für Geschichten über Frauen im Kino ein sehr Gutes. Zum allerersten Mal gab es in den USA gleichviel männliche wie weibliche Hauptrollen in besucherstarken Filmen. Ich freue mich auf die Zeit, in der erfolgreiche Filme, auch ohne Sexualisierung von Frauen auskommt. Davon sind wir aber, obwohl es schon so tolle Beispiele gibt, wie „Das Lehrerzimmer“, „Die Fotografin“, oder „ Nyad“, noch weit entfernt.

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