Work & Winning “Merz und Klingbeil wünsche ich Erfolg”

“Merz und Klingbeil wünsche ich Erfolg”

Grünen-Co-Chef Felix Banaszak über den schwarz-roten Koalitionsvertrag, die Weiterentwicklung seiner Partei und Selbstkritik nach der Schlappe bei der Bundestagswahl.

Frage: Herr Banaszak, über Jahre war von einer „grünen Hegemonie“ in der deutschen Politik die Rede. Ist es damit vorbei seit der Bundestagswahl im Februar?

Felix Banaszak: Wenn wir ehrlich sind, doch schon etwas länger. Der Zeitgeist ist – nicht nur, aber eben auch unter dem Eindruck der akuter wirkenden Krisen und Konflikte – ein anderer geworden, nicht nur hier in Deutschland. Weltweit geraten progressive und ökologische Kräfte unter Druck, genauso wie die kritische Zivilgesellschaft…

…weil andere Probleme wichtiger werden…

Das Problem ist nur: Der Klimakrise ist herzlich egal, wie viel über sie gesprochen wird – sie ist eine Tatsache, eine ziemlich brutale sogar. Es ist eine Frage der Zeit, wann die ökologische Wirklichkeit das nächste Mal in ihrer vollen Härte einschlägt. Die spannende, dahinter stehende Frage ist doch: Schaffen es Demokratien, sich selbst vor der Erosion zu bewahren, den autoritären und rückwärtsgewandten Kräften zu trotzen, einen positiven Gegenentwurf zu entwickeln? Hier sehe ich unsere Aufgabe.

Schwarz-Rot wird wohl bald regieren. Was gefällt Ihnen an dem Koalitionsvertrag von Union und SPD?

Ich sage ganz unironisch: Schön, dass so viel von dem fortgesetzt wird, was wir angestoßen haben. In der Wirtschafts- und Industriepolitik steckt mehr Robert Habeck als Jens Spahn. Und dank unserer Unterstützung bei der Grundgesetzänderung hat die Koalition sogar die Haushaltsmittel, die notwendigen Impulse – Stichwort Energiepreise – fürs Wachstum zu setzen. Wenn Friedrich Merz scheitert, dann nicht am Geld.

…und was gefällt Ihnen nicht?

Seien wir mal ehrlich: Dieser Koalitionsvertrag atmet doch förmlich die Resignation vor den Herausforderungen unserer Zeit. Wo sind die Ideen, wo ist die Vision für dieses Land? Besonders beim Klimaschutz ist wenig zu erwarten, das Muster ist dabei bekannt: Union und SPD bekennen sich vage zu Zielen, ergreifen dann nur völlig unzureichende Maßnahmen und erklären hinterher, dass die Ziele zu viele Zumutungen mit sich bringen und deshalb abgeschwächt gehören. Das ist nicht nur unehrlich, das ist einfach Realitätsverweigerung. Und so geht es doch weiter. Der Koalitionsvertrag liest sich, als wäre Donald Trump nicht ins Amt gekommen, als gäbe es Wladimir Putin nicht. Dabei braucht es gerade jetzt eine starke europäische Antwort auf wirtschafts- und handelspolitische Ausfälle ebenso wie bei der Stärkung der eigenen Sicherheit und Verteidigung. Und wenn ich mir den Modus anschaue, mit dem Union und SPD ihre Einigung zerreden, bevor Friedrich Merz überhaupt im Amt ist: Sorry, aber wenn man den Streitmodus der Ampel als Wurzel allen Übels sieht, warum setzt man ihn dann fort?

Dem Vernehmen nach zieht sich Wirtschaftsminister Robert Habeck aus der ersten Reihe der Politik zurück. Macht das einen grünen Neuanfang leichter?

Das ist nicht meine Kategorie. Robert Habeck vereint analytische Schärfe mit Zugewandtheit in der Sprache, jemand wie ihn braucht Politik in dieser Zeit. Ich habe viel von ihm gelernt und schätze ihn sehr. Ich finde es gut, dass er in der Fraktion bleibt und sich im Auswärtigen Ausschuss im Verhältnis Deutschland – USA einbringt. 

Annalena Baerbock hingegen verlässt die Bundespolitik für einen interessanten UN-Job in New York. Was denken Sie, warum sind die beiden langjährigen Hoffnungsträger Ihrer Partei nicht bereit, jetzt außerhalb mächtiger Ministerien als schnöde Oppositionsparlamentarier zu arbeiten?

Annalena Baerbock und Robert Habeck haben die Partei entscheidend geprägt, schon vor ihrer Zeit im Kabinett. Aber wir sind keine One-Man- oder One-Woman-Show, sondern ein starkes Team. Unsere Aufgabe wird es jetzt sein, eine stark angewachsene Partei zu organisieren und unser Programm für die neue Zeit weiterzuentwickeln. Diese Aufgabe ist alles andere als schnöde.

Das Wahlergebnis im Februar war eine ziemliche Klatsche für die Grünen. Aber haben Sie, haben Ihre Parteifreunde daraus gelernt? Stimmt mein Eindruck, dass die Kritik an anderen, vor allem an der Union, deutlich ausgeprägter ist als die vielleicht doch notwendige Selbstkritik?

Wir haben das Ergebnis ziemlich tief und offen analysiert, Fehler benannt – unsere Unschärfe in zentralen Fragen, unsere Verantwortung für den Vertrauensverlust, fehlende Wehrhaftigkeit. Und wir haben Konsequenzen für unsere künftige Aufstellung gezogen, Prozesse angestoßen, auch schwierige. Aber als Opposition ist es auch unsere Aufgabe, die Regierung zu kritisieren – und dafür bietet sie uns ja auch genug Anlässe. Und mal davon ab: Die SPD ist auf einem historischen Tief, die Union hat gegen die unbeliebteste Regierung, die dieses Land je hatte, gerade einmal 28 Prozent geholt, und die Liberalen sind von der Regierungsbank in die außerparlamentarische Opposition versetzt worden. Viel Selbstreflektion habe ich aus den anderen Parteizentralen noch nicht vernommen.

Vom 7. bis 9. Mai werden Sie beim Ludwig-Erhard-Gipfel am Tegernsee in einem Podium laut Programm auf Friedrich Merz und Lars Klingbeil treffen, bis dahin mutmaßlich Kanzler und Finanzminister. Was wäre Ihre erste Äußerung an die beiden?

“Als Demokrat und Bürger wünsche ich Ihnen, dass Ihre Regierung Erfolg hat. Wenn Sie scheitern, profitieren vermutlich nicht vor allem die Grünen, sondern die Rechtsextremen. Das Geld haben Sie, hoffentlich auch die Kraft.”