Deluxe & Destinations Vom Gipfelstürmer zum Banker-Liebling: Der Patagonia-Effekt

Vom Gipfelstürmer zum Banker-Liebling: Der Patagonia-Effekt

Wie eine Outdoor-Marke mit Umwelt-DNA zur heimlichen Uniform der Wall Street wurde. Die Geschichte eines unerwarteten Dresscode-Wandels zwischen Klimaanlagen, Finanzkrise und Silicon-Valley-Einfluss.

Die Ironie könnte kaum größer sein: Ausgerechnet Patagonia, die Outdoor-Marke mit kompromissloser Umwelt-Mission, hat die Herzen der Finanzwelt erobert. In den Hochburgen des Kapitalismus, wo einst steife Anzüge und perfekt gebundene Krawatten das Bild prägten, dominieren heute robuste Fleece-Westen über Businesshemden. Ein Stilbruch mit System, der mehr über den Wandel der Finanzbranche verrät als jede Quartalsbilanz.

Die Anatomie eines Trends

„Wir waren selbst überrascht“, räumte ein ehemaliger Patagonia-Manager gegenüber „Business Insider“ ein. Der Kontrast könnte tatsächlich kaum schärfer sein: Hier die naturverbundene Marke, die Umweltaktivismus und nachhaltiges Wirtschaften predigt – dort die Finanzwelt, die traditionell für Gewinnmaximierung um jeden Preis steht.

Trotzdem hat sich die Kombination aus Hemd, Weste und Khakis zum inoffiziellen Dresscode der Branche entwickelt. So sehr, dass der Instagram-Account @midtownuniform mit über 170.000 Followern ein regelrechtes Phänomen daraus gemacht hat. Die Fotostrecken junger Banker in ihrer Einheitskleidung sind mittlerweile Kult.

Der praktische Faktor

Die Erklärung beginnt erstaunlich banal: in den eisigen Klimaanlagen der Banktürme. Die Weste löst ein alltägliches Problem – zu warm für ein Sakko, zu kalt fürs Hemd allein. Sie bietet Bewegungsfreiheit beim hektischen Handeln und praktische Reißverschlusstaschen für Smartphone und Kreditkarten.

Business-Influencer David Döbele bringt es im „Handelsblatt“ auf den Punkt: „Die Weste ist die perfekte Antwort auf die Tücken moderner Bürowelten.“ Sie funktioniert im klimatisierten Konferenzraum ebenso wie beim Lunch oder auf der Networking-Yacht – Hauptsache nicht frieren.

Von der Krise zum Casual Friday

Doch hinter dem Trend steckt mehr als bloße Praktikabilität. Die Finanzkrise 2008 markierte einen Wendepunkt in der Selbstdarstellung der Branche. Banken wollten nahbarer wirken, weniger elitär. Die strikten Dresscodes lockerten sich, und die Weste bot den perfekten Kompromiss: seriös genug fürs Business, aber weit entfernt von der Steifheit klassischer Bankieranzüge.

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