Leadership & Karriere Kolumne: Diese drei Startups gewinnen in der Krise

Kolumne: Diese drei Startups gewinnen in der Krise

Einmal im Monat versorgt euch unsere Kolumnistin Céline Flores Willers mit hilfreichen Tools und wichtigen Learnings aus dem Innovations-, Entrepreneurship- und Tech-Bereich.

Krisen sind gleichzeitig Chancen – man muss sie nur ergreifen. Digitale Startups zeigen, wie das geht. Ich stelle euch heute drei Startups vor, die in der Krise gewachsen sind, an Umsatz, an Kunden und Bekanntheit. Sie stammen aus der Lebensmittelbranche, dem Health-Care-Sektor und lösen ein Bildungsproblem. Any guesses?

Kochboxen-Boom

Wahrscheinlich gibt es kaum einen Business-Punk-Leser, der sie nicht kennt: Die Hellofresh-Boxen. Mich haben sie jedenfalls durch die Coronakrise gerettet: Frische Zutaten, ohne der Virengefahr im Supermarkt ausgeliefert zu sein. Wenn das mal kein Geschäftsmodell in einer Krise wie dieser ist?! Wer das Konzept doch nicht kennt: Im Abonnement erhalten die Kunden von Hellofresh Rezepte und die fertig abgewogenen Zutaten für drei bis fünf Tage pro Woche. Gegründet wurden das Startup übrigens schon 2011.

Aber die Frage ist ja jetzt: Wie krass hat Hellofresh wirklich abgesahnt in der Krise? Covid 19 und die dadurch verursachte Mehrzeit zuhause hat offensichtlich nicht nur bei mir dazu geführt, sich (wieder) intensiver mit dem Thema Kochen zu befassen. Im ersten Quartal 2020 hat das Unternehmen eine Million neue Kunden gewonnen. „Wir hoffen, dass viele Neukunden bleiben, weil sie wieder mehr Spaß am Kochen haben“, sagt Co-Founder Dominik Richter.

Größter Gewinner unter den deutschen Standardwerten

Das Geschäft von Hellofresh, das seit März 2020 im MDAX notiert, ist während der Krise explodiert. Das Unternehmen gilt als der größte Gewinner unter den deutschen Standardwerten während der Corona-Krise. Innerhalb von zwölf Monaten stieg der Börsenwert um 475 Prozent auf mehr als acht Milliarden Euro. Von April bis Juni 2020 stieg der Umsatz auf 965 bis 975 Millionen Euro nach 437 Millionen ein Jahr zuvor. Das Ebitda betrug 145 bis 155 Millionen Euro gegenüber 18,3 Millionen Euro im Vorjahresquartal. Hellofresh hat mittlerweile 4,2 Millionen aktive Kunden, davon zwei Millionen in den USA. Während der Covid 19-Krise ist nicht nur der durchschnittliche Bestellwert gestiegen, sondern auch die durchschnittliche Anzahl der Bestellungen pro Kunde.

Von Patienten für Patienten

Na, ahnt ihr schon, welches Startup sich hinter dieser Überschrift verbirgt? Es ist KRY. 2015 in Schweden gegründet und im Dezember 2019 in Deutschland gestartet – kurz vor der Corona-Pandemie. An Wochentagen stehen den Patienten online von 7 bis 22 Uhr (am Wochenende von 8 bis 20 Uhr) Ärzte mit einer deutschen Approbation und einer Ausbildung auf Facharztniveau zur Verfügung. In Kürze soll der Dienst nicht nur von Privatpatienten, sondern auch von Kassenpatienten genutzt werden können. Das Potenzial für Telemedizin ist riesig und lange Wartezeiten für Arzttermine und unflexible Sprechzeiten werden den Trend beschleunigen. Bei KRY erhält der Patient einen Termin in weniger als 30 Minuten. Eine kurze Vorabfrage online sorgt dafür, dass der richtige Arzt bereitsteht. Der Arzt berät und stellt die Diagnose, kann Rezepte, Krankschreibungen und Überweisungen ausstellen. Sick, oder? Naja, mit KRY dann hoffentlich bald nicht mehr.

Die Idee kam Co-Founder Johannes Schildt übrigens während eines Pub-Besuchs mit der späteren  Mitgründerin Josefin Landgård: „Ein Arztbesuch muss einfacher, digitaler und direkt über das Smartphone möglich sein.“

Corona-High und Potenzial

Laut KRYs General Manager Dr. Daniel Schneider stieg die Nachfrage von Patienten während der Corona-Hochphase von Februar bis März 2020 um mehr als 350 Prozent. Das Unternehmen bot zudem kostenfreie Konsultationen bei Verdacht auf Covid 19 an, eine Chance für Patienten, die Vorteile der Telemedizin kennenzulernen. Smart Move. Während die Fernbehandlung in Deutschland erst im Mai 2018 durch die Bundesärztekammer zugelassen wurde, laufen beispielsweise in Schweden bereits vier Prozent der medizinischen Grundversorgung über die Telemedizin.

2017 betrug der Umsatz des Unternehmens laut „Dealroom“ eine Million Euro, was einem Wachstum von 180 Prozent entsprach. Der geschätzte Marktwert von KRY liegt inzwischen nach Schätzungen zwischen 560 und 840 Millionen Euro. Die Gesamtfinanzierung durch verschiedene Wagniskapitalgeber beträgt 227 Millionen Euro. Laut VC-Geber „Project A“ ist KRY europäischer Marktführer in der Telemedizin.

Mathe auf Augenhöhe

Als ich Nico und Alex das erste Mal getroffen habe, war ich begeistert. Bei den beiden steht die Sache im Zentrum ihres Tuns und Handelns, nicht der Profit. Die Sache ist in diesem Fall Simpleclub, eine Lernapp für Schüler, Studenten und mittlerweile auch Auszubildende. Gestartet haben die beiden, als sie noch Schüler waren. Fast alle in ihrer Klasse hatten Matheprobleme, aber es gab keine gut verständlichen Erklärungen. Deshalb beschlossen sie, „die coolsten Mathenachhilfe-Videos in Deutschland“ zu machen. Mit Definitionen anzufangen und am Schluss Beispiele zu bringen, hielten und halten sie für die „dümmste Art etwas zu erklären“. Sie machen es umgekehrt. Mittlerweile geht es nicht mehr nur um Mathe, sondern um viel mehr Fächer.

Das Erfolgsrezept für die Videos von Simpleclub:

  • Jugend- und Umgangssprache (auf Augenhöhe)
  • Humor (= Edutainmentelemente)
  • Integration sozialer Netzwerke
  • einfache, kompakte Darstellung
  • Videolänge von acht Minuten
  • Piktogramme, Bilder, Animationen
  • jedes Video beginnt mit einer Fragestellung, einem Witz oder einer Anekdote

Wöchentlich werden etwa 14 neue Videos hochgeladen. Simpleclub zählt zu den erfolgreichsten Youtube-Kanälen im Bildungsbereich. Die Lernvideos und die App sind kostenlos. Das Unternehmen finanziert sich mit Werbeeinnahmen von Youtube, Kooperationen und Abozahlungen. Der Umsatz des Unternehmens ist nicht bekannt, Schätzungen sprechen von einem sechsstelligen Betrag im unteren Bereich.

Mit Simpleclub durch die Schulschließung

Die Schließung der Schulen wegen Corona hat Simpleclub als Chance betrachtet, seinen Bekanntheitsgrad zu erhöhen und den (potenziellen) Kunden einen echten Mehrwert zu bieten, der ihre aktuellen Probleme löste. Mit automatischer Limitierung bis zum 20. April erhielten Lehrer und Lernende einen Premiumzugang zu den Lerninhalten für die Klassen acht bis 13. Das Ergebnis der Aktion darf ich augenblicklich aus dem Whatsapp-Chat mit Gründer Alex zitieren: „+264,4 Prozent Wachstum während der Coronakrise.“ Chapeau! In totalen Zahlen bedeutet das: Über eine halbe Million Schüler haben mit Simpleclub gelernt. Pro Tag haben bis zu 100k Nutzer auf der App während der Schulschließung gelernt.

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Learnings für uns:

  • Die drei Startups bedienen einen Customer Need, ein grundsätzliches, dringendes Kundenbedürfnis, das auch in Krisen vorherrscht, in diesem Fall Essen, Gesundheit und Bildung.
  • Alle drei erfüllen dieses Bedürfnis auf digitale Art und Weise und erleichtern ihren Kunden das Leben an jedem einzelnen Punkt der Customer Journey.
  • Digitale Geschäftsmodelle ermöglichen eine direkte und individuelle Kundenbeziehung auf der Basis 24/7.

Genau diese drei Punkte entscheiden darüber, wie nachhaltig erfolgreich ein Geschäftsmodell ist. Airbnb, Amazon, Apple, Google & Co. haben das schon lange verstanden. Es ist das, was sie groß gemacht hat. Aber wie ihr seht, ist das kein amerikanisches Vorrecht. Europa kann das auch! Seid mutig und fokussiert auf den Kunden und seine Needs.

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